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Gescheiterte Bewerbung 1993: Als Berlins Olympia-Traum zerplatzte

US-Präsident Ronald Reagan hatte Ende der 1980er Jahre die kühne Idee aufgebracht, in Berlin wieder Olympische Sommerspiele stattfinden zu lassen. Die nach dem Mauerfall auf den Weg gebrachte Bewerbung endete jedoch in einem Fiasko – und gilt als Blaupause dafür, wie man es nicht machen sollte.

Soll Berlin noch einmal seinen Hut in den Ring werfen? Derzeit wird über eine Bewerbung für Olympische Sommerspiele 2036 oder 2040 diskutiert. / © Foto: depositphotos.com

© Foto Titelbild: IMAGO
Text: Björn Leffler

 

In der britischen Hauptstadt London wurden die Olympischen Sommerspiele im Jahr 2012 veranstaltet, die französische Hauptstadt Paris wird in diesem Jahr Olympia-Gastgeber sein. Nun will auch die deutsche Hauptstadt Berlin eine erneute Olympia-Bewerbung wagen.

Was bereits seit einigen Jahren immer wieder etwas vage durch Medien, Verbände und sportpolitische Institutionen mäandert, hat die schwarzrote Regierungskoalition im Koalitionsvertrag konkret verankert.

Der DOSB möchte eine erneute Olympia-Bewerbung wagen

Der DOSB (Deutscher Olympischer Sportbund) möchte eine erneute Kandidatur Deutschlands für Olympische Sommerspiele auf den Weg bringen. Dieses Mal sollen dabei jedoch nicht mehrere deutsche Städte in einem Auswahlverfahren gegeneinander antreten, sondern eine bundesweite Bewerbung mit einer Ankerstadt und mehreren, zusätzlichen Austragungsorten konzipiert werden.

Dabei war womöglich die erfolglose Bewerbung der Metropolregion Leipzig wohl einer der Beweggründe für diesen gesamtdeutschen Ansatz, denn diese Bewerbung gilt als einer der größten Trugschlüsse der jüngeren deutschen Sportgeschichte.

Hamburgs Bewerbung scheiterte am Votum der eigenen Bevölkerung

Die Stadt Hamburg, die sich einige Jahre später in einem vorangegangen Bewerbungsverfahren gegen Berlin hatte durchsetzen können, wäre wohl ein deutlich aussichtsreicherer Kandidat gewesen, scheiterte dann jedoch überraschend am Votum der eigenen Bevölkerung. Auch das Ruhrgebiet hegte Olympia-Ambitionen, wurde vom IOC jedoch unsanft ausgebremst.

Dieses Mal jedoch möchte der DOSB anders vorgehen, was auch der Berliner Landessportbund bekräftigt. “Wir wollen nicht die Fehler der Vergangenheit machen und mit einem fertigen Konzept in die Öffentlichkeit gehen“, sagten der Präsident des Landessportbundes BerlinThomas Härtel und Verbandsdirektor Friedhard Teuffel, im Gespräch mit der Berliner Morgenpost.

Olympia 2036 oder 2040 wieder in Deutschland?

2036 oder 2040 sind die konkreten Jahreszahlen, für die sich der DOSB bewerben möchte – mit Berlin oder München als Ankerstadt einer gesamtdeutschen Bewerbung. In Berlin werden Pläne für eine erneute Olympia-Bewerbung automatisch mit der gescheiterten Bewerbung aus dem Jahr 1993 in Verbindung gebracht.

Vor knapp 30 Jahren, als das Internationale Olympische Komitee (IOC) über den Austragungsort der Olympischen Spiele 2000 entschied, erhielt Berlin nur neun Stimmen – damals ein deutlicher Rückschlag für die Stadt, die bereits 1936 Gastgeber der Spiele war.

1993: Berlin erhielt nur neun Stimmen und scheiterte deutlich

Es war für Berlin der zweite große sportpolitische Rückschlag, nachdem die Stadt auch nicht als Austragungsort zur Fußball-Europameisterschaft 1988 in West-Deutschland berücksichtigt worden war – damals aus politischen Gründen.

Die Entscheidung über die Vergabe der Olympischen Sommerspiele fiel am 23. September 1993 in Monte Carlo, als Berlin bereits im zweiten Wahlgang ausschied. Lediglich Istanbul schnitt schlechter ab. “The winner is Sydney“, verkündete damals der damalige IOC-Präsident Antonio Samaranch. Tausende Berliner, die der Verkündung live am Pariser Platz gelauscht hatten, gingen enttäuscht nach Hause.

Die Idee für Olympia in Ost- und West-Berlin kam von Ronald Reagan

Die internationalen Olympischen Funktionäre signalisierten dem damaligen Regierenden Bürgermeister Berlins, Eberhard Diepgen (CDU), sowie dem umstrittenen Leiter der Bewerbergesellschaft, der Olympia GmbH, Axel Nawrocki, bereits frühzeitig, dass sie offenbar wenig von den Ambitionen der stark mit sich selbst beschäftigten Stadt hielten und die Bewerbung als nicht aussichtsreich einstuften.

Die Idee, die Spiele in Berlin zu veranstalten, war zunächst eine kühne Vision während der Schlussphase des Kalten Krieges. US-Präsident Ronald Reagan schlug vor, Spiele in West- und Ost-Berlin zu veranstalten, die die Mauer überwinden würden. Diese Idee wurde vom damaligen rot-grünen Senat unter Walter Momper aufgegriffen und später von Eberhard Diepgen unterstützt und weitergeführt.

Die Olympia-Bewerbung geriet schnell in die Schlagzeilen

Allerdings geriet die Bewerbung schnell in die Schlagzeilen, da die Verantwortlichen einen Hang zur Selbstbereicherung zeigten und die IOC-Mitglieder großzügig einluden und bewirteten. Der Skandal eskalierte, als bekannt wurde, dass Dossiers über die IOC-Mitglieder, einschließlich ihrer sexuellen Vorlieben, erstellt werden sollten.

Gleichzeitig war die Stadt durch den Wiedervereinigungsprozess und die damit verbundenen sozialen Herausforderungen gespalten und von inneren Spannungen geprägt. Diese Unstimmigkeiten schwächten die Unterstützung für die Bewerbung, sowohl lokal als auch national.

Gegenbewegung in der Stadt: “NOlympia” war überall sichtbar

Eine starke Gegenbewegung formierte sich in der Stadt, angeführt von Personen wie der grünen Abgeordneten Judith Demba, die sich gegen die Spiele aussprachen. Ihre Kampagne, bekannt geworden als “NOlympia”, war erfolgreich, und die Ablehnung der Spiele wurde von vielen als das Beste für die Stadt angesehen. Demba und andere Gegner reisten sogar nach Lausanne zum Sitz des IOC, um ihren Standpunkt zu verdeutlichen.

Die Niederlage in Monte Carlo markierte jedoch nicht das Ende des Olympia-Kapitels für Berlin. Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss wurde eingesetzt, um die Vorgänge rund um die Bewerbung zu untersuchen, jedoch blieben viele Fragen unbeantwortet, da viele Akten bereits vernichtet worden waren.

Einige Sportstätten wurden in Berlin trotzdem realisiert, andere nicht

Trotz des Scheiterns der Bewerbung profitierte die Stadt von einigen neuen Sportstätten, die auch ohne den Zuschlag gebaut wurden, wie etwa die Max-Schmeling-Halle oder das Velodrom. Andere Sportstätten wurden nicht wie geplant realisiert.

Wo heute der Neubau des BND steht, an der Chausseestraße in Berlin-Mitte, wurde ab Anfang der 1990er Jahre der Neubau einer großen Mehrzweckarena für die Olympischen Spiele geplant. Hierfür wurde sogar das Stadion der Weltjugend abgerissen. Nach der gescheiterten Bewerbung wurden die Pläne verworfen und das Gelände lag viele Jahre brach.

In diesem Jahr soll die Entscheidung fallen, ob Deutschland sich erneut um die Ausrichtung Olympischer Spiele bewerben wird. CDU und SPD haben sich in Berlin längst darauf verständigt, eine Berliner Olympiabewerbung forcieren zu wollen. Welche Fehler es zu vermeiden gilt, lässt sich an der 1993er Bewerbung sehr gut ablesen.

BUCHTIPP – OLYMPIA IN BERLIN: AMATEURFOTOGRAFEN SEHEN DIE OLYMPISCHEN SPIELE 1936
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Quellen: DOSB, Berliner Morgenpost, Landessportbund Berlin, Funke Mediengruppe, Der Tagesspiegel, Wikipedia, IOC

 

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IOC-Präsident Juan Antonio Samaranch (Spanien) bei der Besichtigung des Olympiastadions mit IOC-Mitglied Dr. Thomas Bach (re.) und NOK-Präsident Walter Tröger im August 1993. / © IMAGO

 

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