Wohnraum für alle, auch für obdachlose Menschen – aber wie? Die Bundesstiftung Bauakademie brachte Expertinnen und Experten aus Architektur, Politik und Stadtentwicklung zusammen, um praktikable Lösungen für die Wohnungsnot in Deutschland zu diskutieren.

Nachhaltig bauen, Wohnraum effizient nutzen – Expertinnen und Experten diskutieren in Berlin Lösungen für die drängende Wohnungsfrage in Deutschland. / © Foto: Depositphotos.com

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Unter dem Motto „Mit der Bauwende gegen Wohnungslosigkeit“ lud die Bundesstiftung Bauakademie am 13. Februar 2025 zu einer hochkarätig besetzten Veranstaltung ein. Prof. Dr. Guido Spars, Gründungsdirektor der Stiftung Bauakademie, eröffnete den Abend und brachte das zentrale Thema direkt auf den Punkt: Wie kann Wohnraum für bedürftige Menschen gesichert werden, ohne dabei die klima- und ressourcenschonende Bauwende zu vernachlässigen?

Die Wohnungsnot in Deutschland gilt als eine der drängendsten sozialen Herausforderungen und ist für die Gesellschaft eine besorgniserregende Entwicklung.

Der Nationale Aktionsplan 2024: Eine Antwort auf die Wohnungsnot?

Die Moderation des Abends übernahm dann aber Dr. Leslie Quitzow, Transformationsmanagerin für Stadtentwicklung und Zukunftsforschung bei der Bundesstiftung Bauakademie. Sie verwies auf den Nationalen Aktionsplan 2024 der aktuellen Bundesregierung, in dem die Bekämpfung der Wohnungslosigkeit als prioritäres Ziel festgeschrieben wurde.

Laut aktuellen Zahlen waren 2024 etwa 530.000 Menschen in Deutschland wohnungslos. Diese Gruppe lässt sich in drei Kategorien unterteilen:

  • Obdachlose, die ohne jegliche Unterkunft auf der Straße leben
  • Menschen in institutionellen Notunterkünften, darunter viele Geflüchtete (ca. 440.000)
  • Verdeckt Wohnungslose, die temporär bei Freunden oder Verwandten unterkommen (ca. 90.000)

Innovative Lösungen für neuen Wohnraum: Vier Experten liefern Impulse

Die Veranstaltung bot vier Gästen eine Bühne, um in Impulsvorträgen ihre Ansätze zur Schaffung von Wohnraum für bedürftige Menschen vorzustellen:

PassivhausSozialPlus1: Nachhaltige Wohnraumnutzung ohne Neubau

Den Auftakt machte Petra Grenz, Architektin und Partnerin der Faktor10 GmbH aus Darmstadt. Sie stellte das Projekt PassivhausSozialPlus1 der Neuen Wohnraumhilfe gGmbH vor. Die Initiative zeigt, dass Wohnraum für bedürftige Menschen geschaffen werden kann, ohne neu bauen zu müssen.

Durch die nachhaltige Umnutzung bestehender Bestandsimmobilien gelingt es, ressourcenschonend zu agieren. Grenz kritisierte jedoch den komplizierten Vorschriften-Dschungel bei der Baugesetzgebung, der die Umsetzung solcher Projekte erheblich erschwert.

Best-Practice aus Wien: Soziale Architektur für Obdachlose

Ein weiteres inspirierendes Beispiel kam aus Österreich. Ulrike Schartner, Architektin und Partnerin von gaupenraub +/- aus Wien, stellte das preisgekrönte Projekt „Vinzi Rast – mittendrin“ vor. Dabei wurde mit Unterstützung von Studierenden und der Stadt Wien eine Unterkunft für Obdachlose in einem Bestandsbau realisiert.

Bemerkenswert: Die Finanzierung erfolgte ausschließlich durch gemeinnützige Vereine und Spenden – ohne staatliche Fördermittel. Auch in weiteren Wiener Projekten wie „VinziDorf Wien 2018“ oder „VinziRast am Land“ (2019–2023) wurde das Konzept der sozialen Architektur erfolgreich umgesetzt. Mit dem aktuellen Projekt „Vinzi Dorf Marburg“ wird das Konzept nun auch in Deutschland adaptiert.

Schwäbisch Gmünd zeigt, wie Leerstand genutzt werden kann

Ein weiteres innovatives Modell stellte Julius Mihm, Bürgermeister von Schwäbisch Gmünd, vor. Die Gmünder Wohnraumoffensive bietet tatkräftige Unterstützung bei der Vermittlung leerstehender Wohnungen.

Mihm präsentierte konkrete Lösungen, wie bereits vorhandener Wohnraum effizienter genutzt werden kann, anstatt neue Bauten zu errichten. In Schwäbisch Gmünd liegt die Leerstandsquote bei 5 Prozent, was großes Potenzial zur Wohnraumbeschaffung bietet.

Wohnraum für Obdachlose: Deutschland kann von Finnland lernen

Zum Abschluss der Vortragsreihe sprach Brian Nickholz, SPD-Bundestagsabgeordneter und Mitglied des Stiftungsrats der Bundesstiftung Bauakademie. Er war an der Entwicklung des Nationalen Aktionsplans 2024 beteiligt, kritisierte jedoch, dass dieser bislang lediglich eine Absichtserklärung sei.

Als europäisches Vorbild für effizientes Bauen nannte er Finnland. Dort existiert eine parteiübergreifende Baugesetzgebung, die eine kontinuierliche Bautätigkeit ermöglicht, unabhängig von der jeweiligen Regierung. Ein Modell, das laut Nickholz auch für Deutschland denkbar wäre.

Abschließende Podiumsdiskussion: Wohnraum optimieren statt neu bauen

In der abschließenden Podiumsdiskussion lag der Fokus auf der Wohnraumbeschaffung ohne Neubauten. Die Experten betonten, dass es in Deutschland genügend Wohnraum gebe – er müsse nur sinnvoll genutzt werden. Ehrenamtliches Engagement und fundierte Kenntnisse über Fördermöglichkeiten seien entscheidende Faktoren für den Erfolg.

Die Bundesstiftung Bauakademie hat mit dieser Veranstaltung eine wichtige Diskussionsplattform geschaffen, um Lösungen für die Wohnungsnot in Deutschland voranzutreiben.

Nächste Veranstaltung: Open Data Bau am 2. April 2025

Der begonnene Austausch wird fortgesetzt: Die nächste Veranstaltung der Bundesstiftung Bauakademie zu diesem Thema findet am 2. April 2025 zum Thema „Open Data Bau“ statt. Dabei soll diskutiert werden, wie digitale Werkzeuge und Datenanalysen zur Verbesserung der Bau- und Wohnraumpolitik beitragen können.

Quellen: Bundesstiftung Bauakademie, Faktor10 GmbH, Neue Wohnraumhilfe gGmbH, gaupenraub +/-