Der Bau von Pop-Up-Radwegen hat in Berlin spürbar positive, vor allem klimatische Auswirkungen gehabt, wie aktuelle Studien mehrerer Institutionen beweisen. Dennoch gehört der Bau von neuen Radwegen noch immer zu den am kritischsten betrachteten Verkehrsprojekten der Hauptstadt.

An vielen Stellen Berlins sind vor allem während der Corona-Pandemie Pop-Up-Radwege entstanden. Viele von ihnen werden seitdem sukzessive zu festen, dauerhaften Radwegen entwickelt und umgebaut. / © Foto: depositphotos.com

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Text: Henriette Schubert

 

Pop-up-Radwege, die in Berlin seit Beginn der Corona-Pandemie entstanden sind, sollten und sollen nach Wünschen der Berliner Verkehrsverwaltung einerseits die Mobilitätswende in der Hauptstadt antreiben, andererseits aber gute Alternativen für Verkehrsmittel sein, in denen eine Ansteckung mit dem Corona-Virus erfolgen könnte.

Statt das Auto oder den Bus zu nehmen, soll so vor allem die Zahl der Radfahrenden erhöht und somit gleichzeitig auch die Luftqualität signifikant verbessert werden. Aktuelle Studien zeigen zwar erstaunliche Ergebnisse, doch viele Probleme bleiben bestehen und behindern den Erfolg des Verkehrsprojekts.

Mobilitätswende: Tempo 30 für weniger Luftverschmutzung

Für die Förderung der Verkehrswende in Deutschland gibt es verschiedene Ansätze, die den Autoverkehr verringern und die Luftqualität verbessern sollen. Neben der Errichtung von Einbahnstraßen gehört auch das Tempo 30 zu diesen Maßnahmen.

Wie Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH) bestätigt, wären diese Methoden nicht nur kostengünstig und schnell umsetzbar, Studienergebnisse würden auch die positiven Auswirkungen von 30er-Zonen belegen.

Deutlicher Rückgang von Stickstoffdioxid-Belastung in Neukölln

Messungen zeigen demnach in der Hermannstraße in Berlin-Neukölln 15 Prozent weniger Stickstoffdioxid als vor Einrichtung des Tempolimits. Auch die Verkehrsberuhigung im Bergmannkiez erwies sich bislang als erfolgreich. In den Abschnitten der Bergmannstraße sei der Autoverkehr zudem um bis zu 77 Prozent zurückgegangen, während die Belastung durch Stickstoffdioxid um 12,5 Prozent gesunken sei. 

Doch zu einer umfassenden Verkehrswende gehört, vor allem nach dem gültigen Berliner Mobilitätsgesetzt, auch die Förderung des Radverkehrs. Pop-up-Radwege sollen hier günstige Möglichkeiten bieten, den Verkehr für Radfahrer sicherer und lukrativer zu gestalten.

bessere Luftqualität und höhere Sicherheit durch PBerlins pop-Up-Radwege

Herausragende Beispiele für diese Radwege in Berlin bilden der Tempelhofer Damm und der Kottbusser Damm. Doch auch an der Kantstraße in Charlottenburg sowie an der Frankfurter Allee in Friedrichshain sind zu Beginn der Corona-Pandemie bedeutende Radwege entstanden, die im Zusammenhang mit dem bundesweiten ADFC-Fahrrad-Klimatest untersucht wurden.

Nach einem halben Jahr ergab eine Studie der DUH nun, dass vor allem besonders sichere und lückenlose Wege den Radverkehr signifikant fördern würden. Hierdurch zeigte sich eine Verringerung des Autoverkehrs und dadurch bedingt eine Verbesserung der Luftqualität.

Radweg Tempelhofer Damm: Verlängerung nach großem Nutzungserfolg

Vor allem am Tempelhofer Damm war die Zahl der Radfahrer nach der Errichtung des Poller-Radwegs um 63 Prozent gestiegen, während der Autoverkehr um acht Prozent abnahm. Auch die zuständige Stadträtin betrachtet dies als großen Erfolg, denn auch Kinder würden den Weg zur Schule inzwischen nutzen.

Die grüne Bezirkspolitikerin Saskia Ellenbeck sieht dies als wichtigen Meilenstein in Bezug auf Verkehrswende und Verkehrssicherheit an. An einer Verlängerung dieses Pop-up-Radweges nach Süden arbeite man bereits mit Hochdruck. Schon vor der Errichtung hatte Ellenbeck betont, dass vernünftige Radwege für eine Steigerung des Radverkehrs sorgen würden.

Pop-up-Radweg am Kottbusser Damm als europaweiter Vorreiter

Auch die Studien zur Kantstraße trotz der kontroversen Diskussionen um die schwierige Verkehrssituation erfreuliche Ergebnisse hinsichtlich der klimatischen Auswirkungen: Oliver Schruoffeneger, Stadtrat in Charlottenburg-Wilmersdorf, sieht dies als wichtigen Schritt in die richtige Richtung an. Der bislang provisorische Radweg soll daher im Frühjahr 2023 dauerhaft angelegt werden.

Auch die Umgestaltung des Kottbusser Damms erweist sich laut Umwelthilfe als erfolgreich. Etwa zwei Monate nach Beginn der Pandemie 2020 wurde hier eine Fahrspur für den Radverkehr umfunktioniert. Durch den geschützten Weg zeigt der Radverkehr nun eine Steigerung von 40 Prozent, während zeitgleich etwa 13 Prozent weniger Autos fahren. Laut Angaben der Umwelthilfe gilt dieser Radweg überdies als erster dieser Art in Europa. 

Mehr Personal und Finanzmittel für den Radwege-Ausbau notwendig

Verkehrssenatorin Bettina Jarasch schließt sich den positiven Urteilen an und sieht ihrerseits bedeutende Fortschritte in Bezug auf die Verkehrswende in Berlin. Im nächsten Haushalt sollen daher Personal und Finanzen für den Radwege-Ausbau verstärkt werden, um die Anzahl sicherer Radwege zu steigern.

Für wirklich nachhaltige Veränderungen bräuchte es laut Jürgen Resch allerdings eine Halbierung des Autoverkehrs in deutschen Städten, während sich die Zahl der Radwege auch kurzfristig verdoppeln müsse – ein ausgesprochen ambitioniertes Szenario.

Studie zeigt auch: Halbherzige Maßnahmen zeigen keinen Nutzen

Doch neben diesen erfolgreichen Beispielen zeigt sich an anderen Orten, dass halbherziges Vorgehen und nur auf kurzen Strecken durchgeführte Maßnahmen die Verkehrswende nicht befördern. Die Umwelthilfe verweist hier beispielhaft auf den Radwege an der Hermannstraße, der sehr kurz geraten ist.

Die Zahl der Radfahrenden habe sich hier laut der Studie nicht im Ansatz erhöht. Der Experte der DUH, Robin Kulpa, sieht genau hier das Problem. Würden Radwege auf Straßen plötzlich enden, nur partiell verlaufen und nicht die nötige Sicherheit bieten, würden sie vom Großteil der Radfahrenden nicht so intensiv genutzt, wie es auf anderen Strecken bereits gelingt.

Radwegausbau in Berlin: Sicherheit entscheidet über Erfolg

Besonders tragisch zeigten sich die Auswirkungen dieser Radwege im Mai 2021, als eine Radfahrerin beim Ausweichen vor einem Falschparker tödlich verunglückte. Eine Sicherung des Weges durch Poller oder andere Protektoren ist hier nicht gegeben, stattdessen endet der kurze Radweg an der Frankfurter Allee im Mischverkehr mit hoher Auslastung.

Auch ADFC-Sprecherin Lisa Feitsch weist wiederholt darauf hin, dass die Sicherheit auf Radwegen maßgeblich über deren erfolgreiche Nutzung entscheidet. Mehr als 80 Prozent der Befragten des ADFC-Fahrradklima-Tests fühlen sich demnach nicht sicher auf dem Großteil der Berliner Radwege.

Verkehrskonflikte: Parkplätze stehen über der Sicherheit im Fahrradverkehr

Damit die Verkehrswende hin zu mehr Fahrradverkehr und weniger Autos und Luftverschmutzung gelingt, müssen laut ADFC aber nicht nur mehr Radwege gebaut werden, auch die Sicherung dieser Wege ist von großer Bedeutung.

Aus Sicht der Radfahrenden erweisen sich Parkplätze leider häufig noch immer als priorisierter, wie Stadträtin Ellenbeck betont. Die geplante Fahrradstraße in der Handjerystraße in Friedenau sei genau aus diesem Grund von SPD, CDU, Linken, FDP und AfD boykottiert worden, da Parkplätze als wichtiger angesehen würden. 

 

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Vor allem in Berlins Innenstadtbezirken wird der Bau von neuen, sicher gestalteten Radwegen zunehmend forciert. Die positiven Auswirkungen auf die Luftverhältnisse in den umliegenden Quartieren wurden durch mehrere Studien belegt. / © Foto: depositphotos.com

 

Quellen: ADFC, Deutsche Umwelthilfe, Berliner Morgenpost, Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz

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