Der Berliner Senat reagiert auf die Haushaltskrise – auf Kosten der Verkehrswende. Die Streichung zentraler Tramprojekte zeigt, dass Autos auf Berlins Straßen weiterhin Vorfahrt haben. Die viele Jahre geplante Tramstrecke vom Alexanderplatz zum Potsdamer Platz fällt nun endgültig dem Sparzwang zum Opfer.
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Text: Björn Leffler
In der offiziellen Übersichtsliste des Berliner Senats zu den geplanten Einsparungen, die im Zuge der derzeitigen Haushaltskrise vorgenommen werden sollen, liest sich der dünne Satz zum Tramprojekt in Berlin-Mitte wie folgt: „Streichung der Straßenbahnplanung Alexanderplatz bis Potsdamer Platz/Kulturforum, Johannisthal-Gropiusstadt.“ Kurz und knapp werden hier zwei Planungsvorhaben gestrichen, in die bereits viele Jahre der Planung und Vorbereitung geflossen sind.
Im Berliner Süden war der Bau einer neuen Tramlinie geplant. Die künftige Trasse sollte zwischen der Neuköllner Gropiusstadt und dem Stadtteil Johannisthal im Bezirk Treptow-Köpenick verlaufen. Vorranging sollten damit die notorisch überlasteten Busverbindungen unterstützt werden. Bereits heute verkehrt eine Tramlinie im Bezirk Treptow-Köpenick bis zur Endhaltestelle Haeckelstraße im Ortsteil Johannisthal. Diese Strecke sollte verlängert werden und künftig bis zum U-Bahnhof Johannisthaler Chaussee (U7) in Neukölln verlaufen. Zudem wurde eine alternative Streckenführung zum U-Bahnhof Zwickauer Damm (ebenfalls U7) geprüft.
Berliner Senat: Tramstrecke zwischen Gropiusstadt und Johannisthal ist ersatzlos gestrichen worden
Aber, Prüfungen hin oder her, diese Tramstrecke wird es auf absehbare Sicht nicht geben, das hat der Berliner Senat unmissverständlich klar gemacht. An der zweiten Strecke, die der Berliner Senat nun auf die Streichliste gesetzt hat, wurde mittlerweile bereits mehrere Jahrzehnte herumgeplant, ohne dass ein erkennbares Ergebnis dabei zustande gekommen wäre. Der geplante Neubau einer Straßenbahnstrecke vom Alexanderplatz über den Potsdamer Platz bis zum Kulturforum sollte die Qualität der ÖPNV-Anbindung in der südlichen Berliner Innenstadt deutlich verbessern.
Mit diesem Ziel wurde das Infrastrukturprojekt seit vielen Jahren vorangetrieben und sollte auch Teil der Brückenbauprojekte am Mühlendamm sein. Mit dem Bau der Straßenbahnstrecke verbunden war ursprünglich auch eine Neuordnung der Straßenräume, die zu einer deutlichen Verbesserung der städtebaulichen Situation und somit zu mehr Lebensqualität führen sollte – zumindest aus Sicht der damals von den Grünen geführten Senatsverkehrsverwaltung.
Manja Schreiner hatte unlängst eine alternative Route für die Tramstrecke zum Potsdamer Platz vorgeschlagen
Doch unter der CDU-Führung des Ressorts hatte das zentrale Verkehrsprojekt im Berliner Zentrum unerwarteten Gegenwind bekommen. Vor den Berliner Neuwahlen hieß es von Seiten des Berliner Senats noch, die neue Strecke solle bis zum Jahr 2029 in Betrieb genommen werden. Im Koalitionsvertrag hatten CDU und SPD allerdings vereinbart, den Streckenverlauf noch einmal überprüfen zu wollen.
Die mittlerweile zurückgetretene Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) fürchtete offenbar vor allem einen möglichen Stau auf den Autospuren durch die Verengung der Leipziger Straße auf Höhe des Bundesratsgebäudes und machte im Oktober 2023 öffentlich, dass eine alternative Route für den Bau der Tramlinie geprüft werde. Die mittlerweile oppositionellen Grünen vermuteten jedoch, dass Schreiner die bereits weit vorangeschrittenen Planungen für die Strecke bewusst verzögern wollte.
Voluminöse Straßenbauprojekte werden beibehalten, ÖPNV-Projekte gestrichen
„Die Suche nach der bevorzugten Trasse ist längst in der Grundlagenuntersuchung erfolgt und die aktuelle Streckenführung als die beste herausgekommen„, sagte vor einem Jahr die grüne Verkehrspolitikerin Oda Hassepaß gegenüber der Berliner Morgenpost. „Eine Wiederholung der Untersuchung würde die ganze Planung um Jahre zurückwerfen.“ Welche Alternative Manja Schreiner für die geplante Straßenbahnlinie prüfen wollte, ist vor ihrem Ausscheiden aus dem Amt nicht mehr bekannt geworden.
Doch diese mögliche alternative Route ist nun eh hinfällig geworden, denn die mittlerweile von Ute Bonde (CDU) geführte Verkehrsverwaltung hat die Möglichkeit, das ungeliebte Verkehrsprojekt nun endgültig aus dem Vorhabenplan streichen zu können, offenbar dankend angenommen. Während an großen Straßenbauprojekten wie der Schnellstraße „TVO“ im Berliner Südosten oder der kostspieligen Sanierung des Autobahntunnels an der Schlangenbader Straße festgehalten wird, ist ein jahrzehntelang konzipiertes, zentrales ÖPNV-Projekt im Handstreich getilgt worden.
Wo bleibt der „Masterplan“ für die Neuordnung des Verkehrsraums in Berlin-Mitte?
Allein die Kosten für das Straßenbauprojekt „TVO“, an denen sich der Bund offenbar nicht beteiligen möchte, sollen nach aktuellen Schätzungen bei rund 400 Millionen Euro liegen. Der Berliner Senat zeigt hier also deutlich, wo die Prioritäten in der Verkehrsplanung liegen. Auf das lange angekündigte Verkehrsraumkonzept für die Friedrichstraße und den Checkpoint Charlie, den sogenannten „Masterplan“ für Berlins Mitte, sollte man vor dem Hintergrund der nun beschlossenen Haushaltskürzungen wohl auch nicht allzu lang warten.
Für große Visionen fehlt der Senatsverkehrsverwaltung derzeit nicht nur das Geld, sondern offensichtlich auch die nötige Motivation. So werden zwischen Alexanderplatz und Potsdamer Platz also weiterhin vornehmlich Autos rollen. Doch auch der zuvor rot-grün-rote Senat muss sich vorwerfen lassen, das Verkehrsprojekt über viele Jahre vernachlässigt und verschleppt zu haben. Ironie der Geschichte: auf der Leipziger Straße wurden schon vor vielen Jahren Gleise für die geplante Tramtrasse verlegt, über die wohl nie eine Straßenbahn fahren wird.
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Quellen: Berliner Morgenpost, Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Umwelt und Klimaschutz, Wikipedia, Architektur Urbanistik Berlin, BVG