Der Glockenturm der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Berlin ist seit Jahren hinter einem Baugerüst verborgen. 2026 soll die dringend nötige Sanierung beginnen – ein Projekt, das sowohl denkmalpflegerisch als auch technisch herausfordernd ist und in ein umfassenderes Vorhaben eingebettet ist.

Der Glockenturm der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche, erbaut von Egon Eiermann und geprägt von über 5.000 blau leuchtenden Betonglasfenstern, soll umfassend saniert werden – die beschädigte Betonstruktur und das denkmalgeschützte Farbglas werden dabei behutsam instand gesetzt. / © Foto: ENTWICKLUNGSSTADT
© Fotos: ENTWICKLUNGSSTADT
Seit rund zehn Jahren ist der freistehende Glockenturm der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche auf dem Breitscheidplatz eingerüstet. Der Grund: herabfallende Betonteile und schwere Schäden an der Fassade. 2026 sollen die dringend benötigten Sanierungsarbeiten beginnen. Die Fertigstellung ist für 2027 geplant.
Der sechseckige, rund 53 Meter hohe Turm ist Teil des denkmalgeschützten Ensembles, das von 1959 bis 1961 nach Plänen des Architekten Egon Eiermann entstand. Bei der nun geplanten Instandsetzung wird jede einzelne Betonwabe ausgebaut, untersucht und saniert. Zudem soll die Konstruktion künftig mit rostfreiem Stahl statt mit Eisen verstärkt werden. Das Buntglas in den Waben bleibt erhalten.
Sieben Millionen Euro für den Erhalt: Finanzierung und Planung der Turmsanierung
Die geplanten Arbeiten am Glockenturm erfordern eine sorgfältige Abstimmung zwischen Denkmalpflege, Ingenieurtechnik und Architektur. Auch der Beton selbst wird geprüft: Nach Angaben der Gemeinde ist noch offen, ob er instand gesetzt oder teilweise ersetzt wird. Im letzteren Fall sei denkbar, beschädigte Wabenteile gegen Spenden für die Sanierung zu verkaufen, wie der Tagesspiegel berichtet.
Fördergelder kommen von Bund, Land Berlin, der evangelischen Kirche, mehreren Stiftungen sowie aus Spendenmitteln. Die Sanierungskosten für den Glockenturm liegen bei rund sieben Millionen Euro – nach Angaben der Gemeinde ist dieser Betrag bereits gedeckt. Zusätzlich soll großflächige Gerüstwerbung zur Finanzierung beitragen.
Mehr als nur ein Turm: Das gesamte Kirchenensemble wird modernisiert
Der Glockenturm ist nur ein Teil eines größeren Vorhabens: Insgesamt acht Bauabschnitte sollen das Ensemble modernisieren. Bereits abgeschlossen ist die Sanierung der Kapelle. Weitere Maßnahmen betreffen unter anderem die Ausstellung in der alten Turmruine, das Foyergebäude und die barrierefreie Erschließung. Auch eine neue Innenbeleuchtung im Hauptgebäude ist geplant.
Darüber hinaus ist eine umfassende Umgestaltung der Turmruine vorgesehen. Ziel ist es, Besucherinnen und Besucher künftig auch auf die oberen Ebenen des historischen Bauwerks zu führen. Geplant sind ein Wasserbecken, ein schwebender Bronzering und eine Öffnung des Turmdachs – ohne die äußere Erscheinung der Ruine wesentlich zu verändern.
Mystisches Blau in der Nacht: Der Glockenturm prägt das Stadtbild bis heute
Der Glockenturm gilt als Zeugnis der Nachkriegsmoderne und ist stadtbildprägend für die Berliner City West. Als Egon Eiermann den Entwurf einst vorstellte, war der Erhalt der alten Turmruine nicht vorgesehen. Erst der öffentliche Protest in den 1950er Jahren führte dazu, dass das markante Ensemble aus Alt und Neu entstand. Mit 53,3 Metern ordnet er sich bewusst der 71 Meter hohen Turmruine unter. Die Konstruktion folgt einem sechseckigen Grundriss. Außen prägen verglaste Betonwaben die Ansicht, innen führt eine Stahlwendeltreppe zur Glockenstube.
Die Fenster gestaltete der Glaskünstler Gabriel Loire mit dickem Farbglas – überwiegend in tiefem Blau, ergänzt durch rote, gelbe und grüne Akzente. Insgesamt wurden 5.152 individuell gefertigte Betonglasfenster verbaut, die zusammen rund 32 Tonnen wiegen.
Die Wirkung im Stadtraum entsteht vor allem bei Dunkelheit: Dann leuchtet der Turm von innen heraus in seinem charakteristischen Blau. Bis heute zieht die Gedächtniskirche jährlich über eine Million Besucherinnen und Besucher an. Das architektonisch wie historisch bedeutende Bauwerk soll durch die anstehende Sanierung langfristig gesichert werden.
Quellen: Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche Berlin, Tagesspiegel, Berliner Morgenpost