Eine Architektur-Ikone der 1970er Jahre soll wiederbelebt werden: Das „Bierpinsel“ genannte Gebäude an der Steglitzer Schloßstraße hat seit September 2021 einen neuen Eigentümer. Dieser will Büroflächen, Gastronomie und Forschungsbereiche im markanten Bauwerk realisieren. Zudem soll die historische, rote Fassade wiederkehren – allerdings in begrünter Form.
© Visualisierung Titelbild: Lindner Planungsbüro
© Fotos: ENTWICKLUNGSSTADT BERLIN
Text: Björn Leffler
Das seit 2017 unter Denkmalschutz stehende Gebäude mit dem Beinamen „Bierpinsel“, der ihm vom Berliner Volksmund verpasst wurde, soll eigentlich einen stilisierten Baum darstellen. So hatten es sich die Architekten Ralf Schüler und Ursulina Schüler-Witte gedacht, die im damaligen West-Berlin auch das Kongresszentrum ICC konzipierten.
Das zwischen 1972 und 1976 errichtete Bauwerk ist ist in die Joachim-Tiburtius-Brücke integriert, die an dieser Stelle die Schloßstraße am Franz-Amrehn-Platz in Form einer Schnellstraße überspannt. Dominantes Gestaltungsmittel war beim gesamten Gebäudekomplex der Sichtbeton mit roten Kunststoffverkleidungen.
Überbleibsel der architektonischen „Pop-Art“ Strömung
Heute gilt der Bau als eines der wenigen Überbleibsel der sogenannten „Pop-Art“-Strömung in der Architektur der 1970er Jahre, wird hin und wieder aber auch zum Stil des „Brutalismus“ gezählt. Ungeachtet seiner architekturhistorischen Bedeutung hat das Gebäude jedoch schon bessere Zeiten erlebt.
Seit mehr als zwei Jahrzehnten gab es lediglich einige Zwischennutzungen oder kurzfristige Versuche, im „Bierpinsel“ eine sinnvolle Nutzung zu etablieren. So wurde das Gebäude in den vergangenen Jahrzehnten als Diskothek, Sports-Bar oder Kunst-Café genutzt. Die Zeiten, in denen im „Bierpinsel“ ein umfangreicher Gastronomie- und Hotelbetrieb stattfanden – vor allem in den 1980er und 1990er Jahren – waren da jedoch längst vorbei.
Das Unternehmen „ImmoMa“ will das Gebäude reaktivieren
Die Zukunft jedoch soll sich deutlich positiver gestalten. Seit September 2021 hat das Gebäude einen neuen Eigentümer, und zwar das Immobilienunternehmen ImmoMa. Geschäftsführer Götz Fluck will den Turm zum Teil für Büros und Gastronomie nutzen, er plant aber auch einen Bereich für die nahegelegene Freie Universität. Dort sollen die Bereiche Umwelttechnik oder Neue Medien unterkommen.
Die Modernisierung des Gebäudes ist aufgrund der bestehenden Denkmalschutzauflagen ein komplexes Vorhaben, doch Fluck betont, dass er das Vorhaben Hand in Hand mit dem Bezirk Steglitz-Zehlendorf umsetzen möchte. In einem gemeinsamen Video tritt Fluck mit Patrick Steinhoff, seines Zeichens Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung im Bezirk, auf und klärt über die aktuellen Pläne auf.
Bezirk und Investor veröffentlichen gemeinsame Video-Botschaft zur Zukunft des „Bierpinsels“
Laut Fluck lassen die aktuellen Bauvorschriften keine rein gastronomische Nutzung mehr zu, daher soll im Gebäude künftig eine Mischnutzung realisiert werden, mit immerhin eingeschränktem gastronomischen Angebot. Die einstmals hohen Besucherzahlen, die dort früher in der ansässigen Gastronomie üblich waren, lassen die heutigen Denkmalschutzvorgaben nicht mehr zu.
In den ersten beiden Stockwerken des ikonischen Baus sollen laut Fluck daher die bereits erwähnten Büroflächen entstehen, während im obersten Geschoss Gastronomie mit Dachterrasse angedacht ist. Der entsprechende Bauantrag für das Vorhaben soll im kommenden Jahr eingereicht werden.
Investor Götz Fluck möchte das „Bierpinsel“-Grundstück vor Beginn der Sanierung erwerben
Vor Baubeginn möchte Fluck jedoch das Grundstück erwerben, da bisher nur ein Erbpachtvertrag mit dem Land Berlin besteht. Bis dieser Sachverhalt geklärt ist, sind im Gebäude auch kulturelle Zwischennutzungen möglich. Stadtrat Patrick Steinhoff steht solchen Ideen grundsätzlich offen gegenüber, weist jedoch auf baurechtliche Hürden wie den Brandschutz hin.
Jede Nutzung muss aktuell einzeln beantragt werden, was den Prozess erschwert. Investor und Bezirk wollen sich daher viel mehr auf die Modernisierung des Baus konzentrieren. Steinhoff betont im gemeinsamen Video die Bereitschaft des Bezirks, das Projekt mit dem privaten Immobilienentwickler Hand in Hand angehen zu wollen, um einen weiteren Verfall des Gebäudes zu verhindern.
„Bierpinsel“: Denkmalschutz gibt rote Fassade vor, Investor will das Gebäude begrünen
Das Gebäude muss im Zuge einer Modernisierung laut Steinhoff wieder die ursprüngliche, rote Fassadenfarbe erhalten – eine Vorgabe des Berliner Landesdenkmalamtes. Ein Parameter, der Götz Fluck sichtlich missfällt. Als „Kompromiss“ plant er, die in rot gestaltete Fassade zu begrünen, um den Projekt einen nachhaltigen Charakter zu verleihen. So soll aus dem heutigen „Bierpinsel“ ein „Lebensbaum“ in der Steglitzer Schloßstraße werden.
Läuft alles nach Plan, könnte das Gebäude in drei bis vier Jahren wieder in Betrieb sein – doch mit konkreten Zeitplänen ist Fluck vorsichtig. Er kennt offenbar die Fallstricke und langwierigen Genehmigungsverfahren der Berliner Verwaltung – vor allem, wenn der Denkmalschutz in das Projekt involviert ist. Steinhoff versichert im gemeinsamen Video, dem Vorhaben keine Steine in den Weg legen zu wollen: Ziel sei es, das Haus „wieder in Gang zu bringen und für alle zugänglich zu machen.“
Bezirk will das Gebäude öffentlich zugänglich machen – Infrastruktur rund um den „Bierpinsel“ ist schwer in die Jahre gekommen
Denn auch der Bezirk hat ein großes Interesse daran, nach dem Desaster um den Umbau des Steglitzer Kreisels, dessen Ausgang noch immer offen ist, keine weitere Bauruine in der Steglitzer Schloßstraße zu konservieren – daher wohl auch der Schulterschluss in Form einer Videobotschaft.
Götz Fluck schaut bereits in die Zukunft und hofft, dass es im neuen, renovierten Bierpinsel bald wieder „rauschende Feste“ geben kann, so wie er sie als Student selbst erlebt hat. Steinhoff betont im gleichen Atemzug die Faszination des Gebäudes und bekräftigt dabei das Bestreben seines Ressorts, das Gebäude in naher Zukunft wieder öffentlich zugänglich zu machen. Damit einhergehend sollte auch eine umfassende Sanierung und Modernisierung der Bereiche unter der Autobahnbrücke gehen, die heute in einem teilweise erbärmlichen Zustand sind.
Hier geht es zum vollständigen Video
Quellen: Stadtrandnrachrichten, Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf, ImmoMa Gesellschaft für ImmobilienMarketing mbH, Landesdenkmalamt Berlin, Wikipedia
Erst durften sich die Studenten austoben mit grausiger „temporärer“ Bemalung die nun schon 10 Jahre dran ist, jetzt toben sich die grünen Umweltheinis aus. Nichts gegen grüne Fassaden, aber bitte an den vielen Neubauten wie im Europaviertel, wo sie komplett abwesend sind. Wo ist der Denkmalschutz wenn man ihn braucht?
Interessant, dass nun bereits Manager von Immobilienunternehmen als „grüne Umweltheinis“ gelten.