Trotz anfänglicher Verzögerungen hat die Senatsverwaltung grünes Licht für den Bau eines neuen Radwegs auf der Thielallee gegeben, um die Anbindung zur Freien Universität Berlin zu verbessern. In Steglitz-Zehlendorf mangelt es insgesamt jedoch vielerorts an sicheren und modernen Radwegen. Viele Projekte werden nicht weiterverfolgt, obwohl auch der Autoverkehr davon profitieren würde.

An der Thielallee in Zehlendorf soll ein neuer Radweg entstehen (siehe Bild oben). Viele Radwege im Bezirk Steglitz-Zehlendorf sehen allerdings noch so aus wie hier an der Königin-Luise-Straße – doch eine Modernisierung steht in den meisten Fällen nicht in Aussicht. / © Foto: ENTWICKLUNGSSTADT BERLIN

© Fotos: ENTWICKLUNGSSTADT BERLIN
Text: Björn Leffler

 

Nun also doch: die Senatsverkehrsverwaltung hat Ende vergangener Woche angekündigt, dass das Radwegprojekt auf der Thielallee in Berlin-Dahlem doch wie geplant umgesetzt werden soll. Der Fahrradweg-Ausbau war eines von vielen Projekten, welches der Berliner Senat nach dem Machtwechsel im vergangenen Jahr vorerst auf den Prüfstand gestellt hatte.

Damit endeten die Planungen für viele Radwegprojekte, oder wurden zumindest signifikant verzögert. Von einer Realisierung des Projekts im Südwesten Berlins war man eigentlich nicht mehr ausgegangen, nun aber die überraschende Kehrtwende. “Nach sachlichen und konstruktiven Gesprächen sowie einem Vor-Ort-Termin im Juli konnten letzte Bedenken gegen den Bau der Radverkehrsanlage ausgeräumt werden“, konkretisierte Johannes Wieczorek, der Staatssekretär der Senatsverwaltung, kürzlich gegenüber dem RBB das Projekt.

Thielallee in Dahlem: Neuer Radweg auf einer Länge von 1,2 Kilometern geplant

Zur besseren Anbindung des Universitätsgeländes der Freien Universität soll auf einer Länge von rund 1,2 Kilometern ein neuer, geschützter Radweg entstehen. Die Pkw-Parkplätze, die dafür weichen sollen, sollen teilweise an der nahen Hauptverkehrsader Berliner Straße / Unter den Eichen neu eingerichtet werden, gewissermaßen als Kompensation für die Autofahrer.

Entlang der Strecke liegt auch eine größere Liegenschaft des Bundes, die verschiedene Forschungseinrichtungen beherbergt. Dort wird auf dem Gelände des “Dahlemer Dreiecks” ein historisches Labor- und Verwaltungsgebäude saniert und um einen modernistischen Neubau ergänzt, der vom Bundesumweltamt genutzt werden soll.

Steglitz-Zehlendorf: Radwegprojekt auf dem Steglitzer Damm abgeschlossen

Neben dem Radwegprojekt auf der Thielallee unweit des Zehlendorfer Ortskerns rund um den Teltower Damm gab es im Bezirk Steglitz-Zehlendorf nur noch ein weiteres großformatiges Radwegprojekt, welches mittlerweile abgeschlossen wurde. Die Rede ist vom Radwegprojekt auf dem Steglitzer Damm, der die Ortsteile Steglitz und Tempelhof miteinander verbindet.

Dort wurde das Radwegprojekt auf beiden Seiten der Sembritzkistraße sowie der Attilastraße umgesetzt, auf einer Länge von insgesamt 900 Metern. Für den neuen Radweg wurde jeweils eine Autospur auf der rechten Seite der Straße in einen markierten Fahrradweg umgewandelt.

In Steglitz-Zehlendorf sind viele Radwege in einem desolaten Zustand

Abseits dieser zwei Projekte gibt es im Bezirk allerdings noch zahlreiche Routen, auf denen Radfahrer – und auch Fußgänger – das deutliche Nachsehen haben. Das Radwegprojekt auf der Königin-Luise-Straße etwa, die vom Dahlemer Ortskern Dahlem Dorf ausgehend, vorbei an der vielbesuchten Domäne Dahlen, in Richtung Grunewaldstraße und schließlich weiter (als Grunewaldstraße) bis zur Schloßstraße führt, ist auf unbestimmte Zeit verschoben worden.

Dabei ist der Radweg, der dort für Radfahrer zur Verfügung steht, geradezu gemeingefährlich. Brüchig, verwinkelt, mitunter schlecht einsehbar. Vor allem vor der vielfrequentierten Post-Filiale ist der Radweg so eng und ungünstig gebaut, dass es immer wieder zu Konfliktsituationen mit den dort parkenden Autofahrern kommt. Auch mehrere Restaurants, Läden und Cafés befinden sich hier.

Vor der Domäne Dahlem drängeln sich Radfahrer und Fußgänger, Autofahrer haben drei Spuren

Auch vor der Domäne Dahlem, einem der Publikums-Hotspots im Bezirk, ist der Raum für Radfahrer und Fußgänger extrem eng, während den Autofahrern im Kreuzungsbereich drei breite Spuren zur Verfügung stehen. Der schmale Radweg hingegen muss sich mitten durch die Bushaltestelle quälen, was zwangsläufig zu gefährlichen Situationen zwischen Fußgängern und Radfahrern führt, die sich die viel zu enge Fläche teilen müssen.

Eine ähnlich enge Fahrspur befindet sich auf der Argentinischen Allee, die von der Clayallee abbiegt und in Richtung Mexikoplatz und dann weiter in Richtung Nikolassee führt. Dort gibt es einen Radweg, der ebenfalls so schmal und mit einer hohen Kante versehen ist, dass Radfahrer hier immer wieder auch stürzen.

Argentinische Allee: Ein neuer Radweg wäre ohne den Wegfall von Parkplätzen möglich – kommt aber nicht

Auch für die Fußgänger ist hier nur sehr wenig Platz. Der Straßenbelag der Argentinischen Allee selbst hingegen wird vom Radverkehr freigehalten, obwohl die Straße prädestiniert für einen Radweg auf dem Straßenbelag wäre. Denn die Straße hat offiziell nur eine Autospur, und eine weitere Spur, auf der sich Parkplätze befinden.

Da die Autospur jedoch ungewöhnlich breit ist, wird sie von vielen Autofahrern zum Überholen genutzt, was oft zu gefährlichen Situationen zwischen den Autofahrern führt – und so eigentlich auch nicht gedacht ist, da an vielen Stellen die Straße von Fußgängern überquert wird.

Ab 2025 wird die Argentinische Allee für den Weiterbau der U3 aufgerissen

Kürzlich wurde die Argentinische Allee aufwendig umgebaut, die Fahrbahndecke wurde saniert – ein neuer Radweg jedoch ist dort nicht entstanden. Die nächste Chance bietet sich allerdings schon bald, denn für den anstehenden Weiterbau der U-Bahnlinie 3 vom U-Bahnhof Krumme Lanke zum Mexikoplatz muss die Straße auf einer Länge von 800 Metern aufgerissen werden – erste bauvorbereitende Maßnahmen laufen bereichts. Vielleicht wird die neue Straße ja dann mit einem Fahrradweg versorgt.

Auch die Clayallee selbst verfügt zwischen Argentinischer Allee und dem Ortskern am Teltower Damm über einen völlig veralteten, buckeligen Fahrradweg, der längst überholt werden müsste. Und auch hier wären eigentlich ausreichend Fahrspuren vorhanden. Vielleicht bietet auch hier das anstehende Verkehrsprojekt – die in die Jahre gekommene S-Bahnbrücke am Bahnhof Zehlendorf wird ab 2026 abgetragen und durch einen Neubau ersetzt – die Möglichkeit, auch die Modernisierung des Radwegenetzes gleich mitzudenken.

Steglitz-Zehlendorf: Skepsis gegenüber ÖPNV- und Radwegprojekten?

Natürlich gehört Steglitz-Zehlendorf schon traditionell zu den eher autofreundlichen Bezirken der Hauptstadt, ÖPNV-Projekte wie der mögliche Bau einer Tramlinie von der City West bis nach Steglitz oder der längst überfällige Abriss der Autobahnbrücke am Breitenbachplatz werden mit viel Argwohn betrachten, von vielen Anwohnern jedoch auch ausdrücklich begrüßt.

Doch es kann in Steglitz-Zehlendorf eben auch vorkommen, dass eine bereits eingerichtete Busspur wieder verschwinden muss, so geschehen im vergangenen Jahr. Die 2022 auf einem Parkstreifen eingerichtete Busspur wurde nach einer Klage von Anwohnern im August 2022 vom Verwaltungsgericht Berlin als rechtswidrig eingestuft. Grund: Zu wenige Busse nutzen die Spur, und die eingesparte Fahrzeit ist nicht signifikant.

So wird die Verkehrswende nicht gelingen können, das ist offensichtlich. Dabei müssten Autofahrer zumindest den Bau neuer Radwege eigentlich begrüßen, denn diese ermöglichen es, dass das Gleichgewicht zwischen Autoverkehr und Fahrradfahrern erhalten bleibt.

Stefan Gössling: “Wer etwas für Autofahrer tun will, muss Radwege bauen.”

Stefan Gössling, internationaler Experte für Verkehrsplanung, erklärte das kürzlich in einem Interview in der Süddeutschen Zeitung: “Ein Auto benötigt bei einer Geschwindigkeit von 50 Kilometern pro Stunde 70 Quadratmeter Raum. Ein Fahrradfahrer beansprucht nur zwei Quadratmeter. Eine Stadt, die freie Fahrt will, fördert die Fahrradfahrer und ÖPNV. Jeder Fahrradfahrer schafft Freiraum. Wer etwas für Autofahrer tun will, muss Radwege bauen (…) – auch wenn das paradox klingt.

Vielleicht ist das ja auch ein Ansatz für die zukünftige Verkehrsplanung in Steglitz-Zehlendorf. Sichere Radwege müssen also nicht bedeuten, dass es für Autofahrer enger wird, ganz im Gegenteil. Doch hier ist natürlich nicht nur das Bezirksamt gefragt, sondern auch die Senatsverkehrsverwaltung unter der Führung von Ute Bonde (CDU).

 

Weitere Bilder zum Thema findet Ihr hier: 

Thielallee in Dahlem: Hier wird ein neuer Radweg realisiert. / © Foto: ENTWICKLUNGSSTADT BERLIN

Wichtiges Radwegprojekt im Bezirk: Auf einer Länge von 900 Metern erhält der Steglitzer Damm einen neuen Radweg. / © Foto: infravelo GmbH

Brüchig, eng, überaltert: Viele Radwege im Bezirk Steglitz-Zehlendorf sehen so aus, während direkt daneben die Autospuren runderneuert werden oder wurden, wie etwa an der Onkel-Tom-Straße. / © Foto: ENTWICKLUNGSSTADT BERLIN

Königin-Luise-Straße: Hier ist der Radweg teilweise so verwinkelt und brüchig, dass es für Fußgänger und Radfahrer zum Drahtseilakt wird, sich hier zu bewegen. Viele Radfahrer weichen daher auf die sehr gut ausgebaute Straße mit ebenem Belag aus. / © Foto: ENTWICKLUNGSSTADT BERLIN

Wenn der (sehr schmale) Radweg direkt über die Bushaltestelle führt: Am Bahnhof Dahlem Dorf müssen sich Fußgänger und Radfahrer wenig Platz teilen – die Konflikte sind hier vorprogrammiert, da viele Menschen den Umstieg in den Bus nutzen. / © Foto: ENTWICKLUNGSSTADT BERLIN

 

Vor einem der beliebtesten und oft stark frequentierten Anlaufpunkte im Bezirk, der Domäne Dahlem, müssen sich Radfahrende und Fußgänger auf schmalsten Wegen begegnen, während direkt nebenan drei breite Autospuren verfügbar sind – im Ortskern des dörflichen Dahlem. / © Foto: ENTWICKLUNGSSTADT BERLIN

Argentinische Allee: Während Fußgänger und Radfahrer sich auch hier einen sehr schmalen Gehweg teilen müssen, nutzen Autos eine Straße, die eigentlich nicht breit genug für zwei volle Autospuren ist. Der Bau eines Radweges wäre hier sogar möglich, ohne dass ein einziger Parkplatz dafür weichen müsste. Gebaut wird er trotzdem nicht. / © Foto: ENTWICKLUNGSSTADT BERLIN

Wenig Platz, viel Gefahr: So sieht die Aufteilung des Straßenraums am Kreuzungsbereich Argentinische Allee / Clayallee aus. / © Foto: ENTWICKLUNGSSTADT BERLIN

Es geht auch anders: Auf der Pacelliallee, zwischen dem Platz Am Wilden Eber und der Königin-Luise-Straße, ist ein moderner und gut befahrbarer Radweg ausgebaut, der Verkehr läuft hier üblicherweise problemlos, der Verkehrsraum ist fair aufgeteilt. / © Foto: ENTWICKLUNGSSTADT BERLIN

Auf der Thielallee in Zehlendorf soll der neue Radweg entstehen. / © Open Street Map

Quellen: Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf, Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt, infravelo GmbH, Berliner Morgenpost, Der Tagesspiegel, Berliner Zeitung, Berliner Woche, Süddeutsche Zeitung