Die Berliner Straßenbahn-AG fordert eine neue Tramstrecke im Berliner Südwesten. Diese soll vom Kurfürstendamm in der City West über die Clayallee in Zehlendorf bis zum Rathaus Steglitz führen. Auf diese Weise könnte die notorisch überlastete Buslinie X10 effektiv entlastet werden und ein attraktives ÖPNV-Angebot in den Außenbereichen der Stadt geschaffen werden.

Eine Tramstrecke für den Berliner Südwesten? Das fordert zumindest die Berliner Straßenbahn-AG. Die Strecke könnte von der City West über Zehlendorf bis zum Rathaus Steglitz führen. / © Foto: depositphotos.com

© Fotos: depositphotos.com
Text: Björn Leffler

 

Um den Druck auf die Berliner Politik und den Senat weiter erhöhen zu können, haben Mitglieder des Vereins NaturFreunde Deutschlands e.V. eine „AG Straßenbahn“ gegründet, die für alle offensteht, die “sich für die berlinweite Wiedereinbürgerung der Straßenbahn engagieren möchten oder bereits engagieren“, wie es auf der Website des Vereins heißt.

Der hier ansässige Ortsverein, die NaturFreunde Berlin, engagieren sich seit der Gründung im Bündnis PRO Straßenbahn und setzen sich dort gemeinsam mit mehr als 15 Verbänden und Organisationen für den schnellen Ausbau der Straßenbahn ein.

Tramexperte schlägt Straßenbahnroute in Berlins Südwesten vor

Vor wenigen Monaten haben die NaturFreunde bereits eine vielbeachtete Broschüre mit dem Titel „Für eine neue Berliner Straßenbahn-Politik“ vorgelegt.

In einem Interview mit dem Tagesspiegel hat nun Ulrich Conrad, Straßenbahn-Experte und Mitglied des Vereins, eine neue Tramroute durch den Berliner Südwesten vorgeschlagen. Er begründet dies damit, dass die vorhandene ÖPNV-Struktur dort durch eine zusätzliche Straßenbahnlinie deutlich entlastet werden würde.

Eine neue Tramlinie würde die Buslinien X10 und 285 deutlich entlasten

Conrad schlägt eine Route vor, die auf dem Kurfürstendamm in der City West beginnt und die Tram bis nach Zehlendorf führt, wo sie mittig auf dem Grünstreifen der Clayallee fahren könnte. Anschließend wäre eine Weiterführung über die Goerzallee bis zum Rathaus Steglitz denkbar.

So könnten die notorisch überlasteten Buslinien X10 und 285 effektiv entlastet werden. Denn viele Berufspendler im Südwesten können aus eigener Erfahrung berichten, dass diese Buslinien trotz eigener Busspur (auf einem Teil der Strecke) häufig im Verkehr steckenbleiben – und dadurch sehr langsam sind oder mitunter gänzlich ausfallen.

Eigenes Gleisbett: Eine Tram ist deutlich schneller als ein Bus

Durch das in Berlin auf dem Großteil der Strecken übliche eigene Gleisbett für Tramlinien ist die Straßenbahn das deutlich zuverlässigere und auch schnellere Verkehrsmittel – und bei Fahrgästen ausgesprochen beliebt, wie die hohen Fahrgastzahlen auf der erst kürzlich eröffnete Strecke zwischen Hauptbahnhof und Turmstraße zeigen.

Conrad vergleicht die zwei Verkehrsmittel anschaulich: “Eine Faustregel sagt, wo alle zehn Minuten ein Bus fährt, ist eine Straßenbahn wirtschaftlicher. Wir haben in Zehlendorf in Ost-West-Richtung die S1 und die U3, aber eine Nord-Süd-Verbindung auf der Schiene fehlt. Da kommt die Straßenbahn ins Spiel.

Vom Ku’damm zur Clayallee und weiter über Teltower Damm zum Rathaus Steglitz

Die Streckenführung sollte laut Conrad vom Kurfürstendamm zur Clayallee führen. Hier wäre allerdings zu klären, ob auf dem Weg dorthin die Hubertusallee mit ihren nicht zu vernachlässigenden Steigungen oder eine alternative Route über den Hohenzollerndamm zu wählen wäre.

Von der Clayallee würde die Linie dann weiter geführt werden auf den Teltower Damm. Am Beeskowdamm ginge es dann links die Goerzallee und den Hindenburgdamm hinunter bis zum Steglitzer Kreisel. Somit würden laut Conrad die wichtigsten Verkehrsachsen von Steglitz-Zehlendorf bedient werden, und das mit nur einer einzigen Tramlinie.

Eine Tram ist länger als ein Bus – und transportiert mehr Menschen

Conrad verweist auch darauf, dass eine Tram viel länger sei als ein Bus und daher nicht nur schneller wäre, sondern auch deutlich mehr Sitzplätze böte. Und es gäbe laut Conrad einen weiteren Vorteil: “Man braucht bei der Straßenbahn weniger Personal. Ein Fahrer oder eine Fahrerin kann drei Busladungen bewegen. Wir brauchen größere Kapazitäten im Nahverkehr, speziell beim aktuellen Fahrermangel.

Was von vielen Bürgerinnen und Bürgern, die derzeit noch mit dem Auto unterwegs sind, immer wieder gefordert ist, mahnt auch Conrad an: Er betont, dass für eine funktionierende Mobilitätswende das ÖPNV-Angebot massiv ausgebaut werden müssen, vor allem in den weitläufigen Außenbezirken der Hauptstadt.

Eine Tramtrasse benötigt weniger Platz als eine Busspur

Sollte auf der Clayallee eine Tramlinie fahren, könnte die bestehende Busspur womöglich sogar entfallen. Die Tramtrasse benötigt im Vergleich deutlich weniger Fläche als die beiden Busspuren, die auf beiden Seiten der Straße verlaufen.

Auf dem Kurfürstendamm würde die Tram vermutlich ebenfalls auf dem Mittelstreifen verlaufen, der heute noch von parkenden Autos genutzt wird – je nachdem wie weit die Linie die rund drei Kilometer lange Magistrale entlang führen würde.

Auf dem breiten Kurfürstendamm gibt es bislang nur eine Busspur

Dort gibt es heute zwei Busspuren, die auch von den Radfahrern genutzt werden müssen – denn trotz der enormen Breite des Kurfürstendamms gibt es auf seiner gesamten Länge bislang keinen Fahrradweg.

Ursprünglich hatte der Berliner Senat bereits im Koalitionsvertrag aus dem Jahr 2016 auch eine Tramlinie vom Alexanderplatz bis zum Rathaus Steglitz geplant, die bislang allerdings nicht über den Status eines vage formulierten Vorhabens hinaus gekommen ist.

Ein nötiger Betriebshof könnte östlich des Teltower Damms entstehen

Eine Linie vom Kurfürstendamm zum Rathaus Steglitz würde durch eine Tramverbindung zwischen dem östlichen Stadtzentrum und der südlichen Schloßstraße ideal ergänzt werden – doch laut Conrad wäre auch ein “Inselbetrieb” im Südwesten Berlins sehr gut möglich, da ein neuer Betriebshof so oder so notwendig wäre.

Östlich des Teltower Damms (im Bereich Schönow) gibt es heute mehrere verwaiste Grundstücke, auf denen einst Gewerbeflächen angesiedelt waren. Auf diesen Flächen könnte ein solcher Betriebshof relativ problemlos eingerichtet werden, ohne dass Anwohner gestört würden.

Ab 2025 stehen 2 Mrd. Euro jährlich für Verkehrsprojekte zur Verfügung

Die Finanzierung, so rechnet es Conrad dem Tagesspiegel im Gespräch vor, erfolgt über das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz, das ab 2025 jährlich zwei Milliarden Euro für Nahverkehrsprojekte in ganz Deutschland bereitstellen wird – eine große Chance für bauwillige Kommunen und Gemeinden.

Der Bau eines Kilometers Straßenbahn kostet heute etwa 15 Millionen Euro. Grob geschätzt könnte Berlin somit jedes Jahr rund 90 Millionen Euro aus diesen Mitteln erhalten, was dem Bau von etwa sieben bis acht Kilometern Straßenbahn pro Jahr entsprechen würde.

Der Wille von Politik und Bevölkerung ist vorausgesetzt

Dies setzt nicht nur in Charlottenburg-Wilmersdorf und Steglitz-Zehlendorf aber voraus, dass der politische Wille und auch die Zustimmung der Bewohnerinnen und Bewohner vorhanden ist – denn bei jedem Verkehrsprojekt gibt es auch eine Beteiligung der Öffentlichkeit, was durchaus problematisch werden kann – wie etwa das schwierige Tramprojekt am Ostkreuz in Friedrichshain zeigt.

Vor allem im Bezirk Steglitz-Zehlendorf ist ein Großteil der Einwohner an das Verkehrsmittel Straßenbahn überhaupt nicht (mehr) gewöhnt – und zeigte sich in der Vergangenheit eher skeptisch, obwohl das Verkehrsmittel dort bis in die 1960er Jahre hinein noch fuhr.

Die eher zurückhaltende Einstellung kann auch mit dem hohen Durchschnittsalter im Bezirk zusammenhängen – und mit der ausgeprägten Liebe zum Automobil. Dies sollte jedoch kein Grund sein, ein solches Nahverkehrsprojekt von vornherein abzulehnen.

 

Weitere Bilder zum Thema findet Ihr hier: 

Da die Berliner Straßenbahn auf weiten Teilen ihrer Streckenführung üblicherweise über ein eigenes Gleisbett verfügt, ist das Verkehrsmittel deutlich effektiver als der Bus. Die notorisch überlastete Buslinie X10 im Berliner Südwesten könnte durch eine neue Tramstrecke also effektiv entlastet werden. / © Foto: depositphotos.com

 

Quellen: NaturFreunde Deutschlands e.V., NaturFreunde Berlin, Berliner Straßenbahn-AG, BVG, Der Tagesspiegel, VBB, PRO Straßenbahn

Tags (Schlagwörter) zu diesem Beitrag

3 Comments

  1. U Best 22. Mai 2024 at 20:33 - Reply

    Schöne Initiative! Wie wäre es denn mit einer Weiterführung über die Albrechtstraße bis nach Lankwitz? Oder ist das dann die visionierte Strecke in die City-Ost?

  2. Der Typ 29. Mai 2024 at 08:27 - Reply

    Furchtbare Idee. Trams verschandelnden mit ihren Oberleitungen das gesamte Stadtbild. Zudem sind die viel enger als Busse oder Bahnen.

  3. Waverley 11. Oktober 2024 at 22:58 - Reply

    Ich finde ja eher, dass rumstehende Blechkisten das Stadtbild verschandeln. Und das in einer Strassenbahn enger sein soll als in einem Bus wäre mir jetzt auch gänzlich neu.

Leave A Comment

Newsletter

JEDEN FREITAG NEU:
DER ENTWICKLUNGSSTADT NEWSLETTER!

Abo-Modell

UNSER ABO-MODELL:
ENTWICKLUNGSSTADT PLUS

100% WERBEFREI –
FÜR 4,50€ PRO MONAT*

Neue Artikel