Seit Jahren herrscht in Gesundbrunnen Streit um den historischen „Kulturhof Kolonie 10“. Während der Eigentümer dort Mikroapartments errichten will, kämpfen Anwohnende und Naturschützer für den Erhalt des denkmalwürdigen Ensembles. Nun hat ein Gericht die Abrissarbeiten vorerst gestoppt: zum Schutz der Spatzen.

Begrünte Fassaden und Dächer der „Kolonie 10“ bieten Lebensraum für geschützte Tiere wie Haussperlinge. Der Abriss ist nur mit Ersatznistplätzen erlaubt – Kritiker werfen dem Investor Regelverstöße vor. / © Foto: Wikimedia Commons, Leonhard Lenz, CC0

© Foto: Wikimedia Commons, Leonhard Lenz, CC0
© Foto Titelbild: IMAGO / Jürgen Ritter

 

Die „Kolonie 10“ in Berlin-Gesundbrunnen ist seit Jahrzehnten ein lebendiger Treffpunkt im Kiez. Der historische Remisenhof aus dem 19. Jahrhundert diente lange Zeit als Atelier- und Werkstättenensemble, in dem Kunstschaffende und Handwerker arbeiteten. Doch die Zukunft des Hofes ist ungewiss: Seitdem ein Investor das Gelände 2016 erworben hat, drohte der Abriss zugunsten eines Neubaus mit 120 Mikroapartments. Trotz Erhaltungsverordnung und anhaltendem Protest wurde die Verdrängung zunächst fortgesetzt.

Bereits 2018 mussten erste Nutzer ihre Räume verlassen. Im Juni 2024 hatte das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg entschieden, dass der Milieuschutz weiterhin gilt. Dennoch wurden Anfang Januar 2025 erneut Abrissarbeiten eingeleitet. Anwohnende alarmierten die Polizei und das Bezirksamt, woraufhin die Arbeiten kurzfristig gestoppt wurden. Wenige Tage später kam es jedoch zu einem weiteren Teilabriss.

Naturschutz als letzte Bastion: Wie geht es weiter mit der „Kolonie 10“?

Neben dem sozialen Wert der „Kolonie 10“ spielt auch der Artenschutz eine entscheidende Rolle. Die begrünten Fassaden und Dachflächen des Hofs bieten Lebensraum für geschützte Tierarten wie Fledermäuse und Haussperlinge. Laut Bezirksstadtrat Christopher Schriner (Grüne) darf der Abriss nur erfolgen, wenn neue Nistplätze für die Tiere geschaffen werden. Kritiker warfen dem Investor vor, sich nicht an diese Vorgaben zu halten.

Ein Eilverfahren vor dem Berliner Verwaltungsgericht brachte nun einen vorläufigen Stopp der Abrissarbeiten. Die Richter entschieden, dass die Fortpflanzungs- und Ruhestätten der Haussperlinge durch die Bauarbeiten gefährdet wären. Zudem fehle ein verbindliches Konzept, um den Artenschutz zu gewährleisten. Ähnlich wurde kürzlich auch im Fall der Abrissarbeiten rund um den Jahn-Sportpark entschieden. Das Urteil ist jedoch auch hier nicht endgültig: Der Eigentümer kann Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht einlegen.

„Angriff auf die Nachbarschaft“: Parteien und Initiativen protestieren gegen Baupläne

Der Widerstand gegen die Baupläne war Anfang des Jahres stark gewachsen. Am 10. Januar hatten sich sich rund 60 Menschen zu einer Kundgebung vor der „Kolonie 10“ versammelt. Vertreter von Umweltverbänden, politischen Parteien und lokalen Initiativen betonten dort die Bedeutung des Hofes für den Kiez. Eine Sprecherin der Linken in der Bezirksverordnetenversammlung Mitte bezeichnete den geplanten Abriss als Angriff auf die Nachbarschaft. Auch die Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ hatte gefordert, den Kulturhof dauerhaft unter Schutz zu stellen.

Damit steht der Fall der „Kolonie 10“ exemplarisch für viele Konflikte in Berlin: Investoreninteressen treffen auf sozialen und ökologischen Widerstand. Während die Bewohnerinnen und Bewohner für den Erhalt ihres Kulturhofs kämpfen, verfolgt der Investor weiter seine Pläne. Das Gerichtsurteil hat den Abriss vorerst gestoppt, doch die Auseinandersetzung ist noch lange nicht beendet. Wie die Zukunft des Geländes aussehen wird, hängt nun von den kommenden juristischen und politischen Entscheidungen ab. Das Berliner Bündnis Naturschutz (BBNS) und die NaturFreunde Berlin haben angekündigt, die Entwicklung rund um die Kolonie 10 auch weiterhin zu begleiten und sich für den Erhalt wertvoller Stadtnatur in Berlin einzusetzen.

Quellen: Berliner Bündnis für nachhaltige Stadtentwicklung, Verwaltungsgericht Berlin, RBB, Der Tagesspiegel, „Kolonie 10“, Deutsche Wohnen & Co. enteignen

Tags (Schlagwörter) zu diesem Beitrag

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.