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Trotz Widerstand vom Bund: Berliner Senat hält an “TVO”-Plänen fest

Die Planung für eine “Tangentialverbindung Ost” genannte Schnellstraße im Südosten Berlins gehört für den Berliner Senat zu den wichtigsten Verkehrsprojekten der kommenden Jahre. Nach Einwänden des Eisenbahnbundesamtes gegen den Bau der “TVO” zeigt sich die Berliner Verkehrsverwaltung kämpferisch – und will an dem Vorhaben festhalten.

So könnte eine mögliche Streckenführung der Entlastungsstraße “TVO” von Biesdorf nach Köpenick aussehen. Das Eisenbahnbundesamt jedoch kritisiert das Vorhaben, der Berliner Senat möchte daran festhalten. / © Open Street Map

© Visualisierung Titelbild: KRP Architektur GmbH
Text: Björn Leffler

 

Es ist schon vertrackt mit den Berliner Straßenbauprojekten. Während der Bund seit Jahren die Planungen für den Weiterbau der A100 durch Friedrichshain bis nach Prenzlauer Berg vorantreibt – gegen den Willen der Bezirkspolitik und bis zum Amstsantritt der Großen Koalition auch gegen den Willen des Berliner Senats – gibt es für ein anderes großes Straßenbauprojekt kräftigen Gegenwind.

Die Rede ist von der  “Tangentialverbindung Ost” genannten Schnellstraße im Südosten der Hauptstadt, die der Berliner Senat realisieren will. Das Vorhaben gilt als eines der wichtigsten Infrastrukturprojekte des schwarzroten Regierungsbündnisses. Doch das Eisenbahnbundesamt (EBA) kritisiert die Pläne für die “TVO”.

Eisenbahnbundesamt kritisiert die Pläne zum Bau der “TVO”

Gemäß der Vereinbarung im Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD hat der Start des Planfeststellungsverfahrens für die “TVO” genannte Schnellstraße natürlich längst begonnen. Ende November 2023 hatte die Verkehrs- und Umweltverwaltung 21 Aktenordner mit Antragsunterlagen bei der zuständigen Senatsverwaltung für Stadtentwicklung eingereicht.

Geplant ist derzeit, die “TVO” mit zwei Fahrstreifen pro Richtung auszustatten. Die konkrete Streckenführung ist noch nicht final, favorisiert wird derzeit eine Variante, die nah an der bestehenden Bahntrasse zwischen den Bahnhöfen Biesdorf und Wuhlheide entlang geführt wird.

Die Bahn will die Flächen für den Bau der vierspurigen Traße nicht herausgeben

Und genau hier gibt es offenbar großes Konfliktpotenzial. Das Eisenbahnbundesamt ist in das Planfeststellungsverfahren eingebunden, da die von der Verkehrsverwaltung favorisierte Trasse für die “TVO” auch Flächen nutzen soll, die für künftige Schienenwege reserviert sind.

In einem Schreiben vom Ende Mai 2024 zieht die Behörde die Realisierung der “TVO” daher massiv in Zweifel. Das Land Berlin bewege sich mindestens im Rahmen seines Freistellungsbegehrens außerhalb seiner Planungskompetenz, heißt es dort nach Informationen von RBB und Berliner Zeitung.

Bund: Voraussetzungen für Entwidmungen von Bahnflächen verschärft

Gemeint seien umfangreiche Bahnflächen, die für den Straßenbau freigegeben werden müssten. Das EBA weist darauf hin, dass der Bundestag bereits Ende letzten Jahres die Voraussetzungen für Entwidmungen von Bahnflächen verschärft habe.

Ein überwiegendes Erlangungsinteresse zugunsten der Straße sei aus Sicht des Bundesamtes bislang weder dargelegt worden noch ersichtlich. Zudem betont das Bundesamt, der Senat habe nicht ausreichend Sorge getragen, dass parallel zur Straßen-“TVO” auch die geplante Schienentangente realisiert werden könne.

Die Verkehrsverwaltung hält weiter am Projekt “TVO” fest

Kathrin Vietzke, Referatsleiterin in der Mobilitätsverwaltung, zeigte sich im Gespräch mit dem RBB trotz der deutlichen Kritik zuversichtlich: “Wir gehen davon aus, dass es eine Einigung mit dem Eisenbahnbundesamt gibt.

Berlins Verkehrssenatorin Ute Bonde (CDU) gab sich ebenfalls kämpferisch: “Wir befinden uns im laufenden Planfeststellungsverfahren. Das Eisenbahnbundesamt hat eine Einwendung erhoben. Die wird im Rahmen des Verfahrens geprüft. Ganz wichtig ist aber klarzustellen, dass der Antrag auf Entwidmung zu einem Zeitpunkt gestellt wurde, als es eine Gesetzesverschärfung noch nicht gegeben hat. Insofern konnte meine Verwaltung, die Anforderungen, die das Gesetz jetzt stellt, noch nicht berücksichtigen.

Bahn fürchtet nachrangige Planung der Nahverkehrstangente

Das Eisenbahnbundesamt befürchtet offenbar, dass die Planungen für die Bahntrasse vom Berliner Senat nachrangig behandelt werden, obwohl sich der Senat zum Bau der Nahverkehrstangente bekannt hat.

Für diese als S-Bahn-Strecke geplante Verbindung gibt es jedoch noch keine detaillierte Planung. Alexander Kaczmarek, Berliner Bahnchef, erklärte, dass die Entwidmung von Bahnflächen schwierig sei, aber aus Sicht der Deutschen Bahn würden sich Straßen- und Bahnplanung nicht ausschließen. Er wollte die Stellungnahme der Bahn-Aufsichtsbehörde aber nicht kommentieren.

Die geplante “TVO”-Variante soll Eingriffe und Enteignungen in Biesdorf-Süd minimieren, rückt jedoch mit ihren vier Spuren so nahe an die Fernbahntrasse heran, dass diese später verschoben werden müsste, um Platz für die künftige S-Bahn zu schaffen.

Antje Kapek (Die Grünen): “Schlag ins Gesicht des Senats”

Kaczmarek betonte, die immensen Mehrkosten dürften nicht der Bahn angelastet werden, da das Problem aus der Straßenführung resultiere. Antje Kapek, verkehrspolitische Sprecherin der Grünen, bezeichnete die Stellungnahme des EBA als „Schlag ins Gesicht des Senats“ und forderte die Verkehrsverwaltung auf, das Verfahren zu stoppen und in Kombination mit der Bahnstrecke neu zu starten, um ein Scheitern beider Projekte zu verhindern.

Zudem müsse der Senat die veraltete Wirtschaftlichkeitsuntersuchung aktualisieren. Die letzte Prognose für die “TVO”-Straße ging von 350 Millionen Euro aus, erwähnte aber bereits absehbare Kostensteigerungen. Zwischen den Projektbeteiligten des komplexen Verkehrsprojekts gibt es also offenbar noch reichlich Klärungsbedarf.

 

Quellen: KRP Architektur GmbH, Eisenbahnbundesamt, Bündnis “Schiene vor TVO”, Berliner Woche, Koalitionsvertrag CDU & SPD, mario-czaja.de, Wikipedia, RBB, Berliner Morgenpost,  Berliner Zeitung, Der Tagesspiegel, Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V., Bürgerinitiative Wuhlheide, VCD NordOst, Fahrgastverband PRO BAHN

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7 Kommentare

  1. Arne Juli 17, 2024

    Der aktuelle Senat will den Ausbau des ÖPNV in Berlin systematisch und nachhaltig stoppen und somit schädigen.

    Die Planung der TVO auf/an Schienenflächen ist nur eines von vielen Beispielen dafür. Dies passiert mit Absicht. Dazu gehört auch die Planung von U-Bahnen und Magnetbahnen, die nie realisiert werden, deren Planung jedoch Geld von realistischen ÖPNV-Projekten abzieht.

    Dabei profitiert der Autoverkehr ebenfalls von einem gut ausgebauten und zuverlässigen ÖPNV, weil dieser die Straßen entlastet.

  2. Alex Juli 17, 2024

    Die ersten Pläne der TVO sind aus den 60er Jahren- insofern werden hier keine Projekte “vorgeschoben” um den ÖPNV zu verhindern, es wird lediglich ein Projekt vorangetrieben welches seit 60 Jahre überfällig und nötig ist.

  3. Böhme Juli 17, 2024

    Die TVO ist ersichtlich erforderlich. In der jetzigen Planung ist sie eh’ sinnfrei, sie müsste gerade herunter als Verlängerung der B158 verlaufen. Früher hat man für solche Straßen im Wege stehenden Häuser enteignet. Ich weiß nicht, weshalb das hier nicht ebenfalls durchgeführt wird. Einige Häuser, die einer Verlängerung der B158 im Wege stehen, scheinen ja sogar neu gebaut worden zu sein. Wie so etwas genehmigt werden konnte, bleibt rätselhaft.

    @Arne: Die Planung der TVO dauert schon dramatisch länger und hat mit dem gegenwärtigen Senat wenig zu tun. Die einzigen Nord-/Süd-Verbindungen von der B1 ausgehend sind die Straßen Am Tierpark/Treskowallee, Chemnitzer/Kaulsdorfer Straße und weiter entfernt Hultschiner Damm/Mahlsdorfer Straße. Chemnitzer/Kaulsdorfer Straße und Hultschiner Damm/Mahlsdorfer Straße führen umfassend durch Wohngebiete und können große Verkehrslasten nicht aufnehmen, insbesondere, als sie kurz vor Köpenick aufeinandertreffen und dort wiederum nicht über die Spree führen. Die TVO würde an die Spindlerbrücke anknüpfen und über die Spree führen, wäre damit neben der Treskowallee mit Treskowbrücke und Stubenrauchbrücken die zweite Nord-/Süd-Tangente mit Spreequerung. Die TVO berührt dramatisch weniger Bevölkerungsteile als alle anderen Verbindungen. Man sollte jetzt nicht meinen, dass Klimakatastrophe usw. jedes Verkehrsprojekt per se entwertet.

    • Arne Juli 17, 2024

      Meine Kritik bezieht sich nicht auf den Bedarf an einer TVO, auch wenn diese mit einem guten ÖPNV sicher reduziert werden könnte.

      Meine Kritik bezieht sich auf die Herangehensweise, wie der ÖPNV durch den aktuellen Senat systematisch eingedämmt werden soll. Der letzte Senat wollte für die TVO keine Bahnflächen entwidmen, schon gar keine, die zukünftig noch benötigt werden.

      Es erinnert an die Zeiten der alten “Großen Koalitionen”, wo man die Mittel für den ÖPNV einfach für den Straßenbau ausgab, z.B. in dem nicht genutzte Straßenbahngleise gebaut wurden (Oberbaumbrücke, Leipziger Straße) oder ähnlich abstoßende Strategien. Die Mittel fehlten anschließend für echte Strecken.

  4. Max Juli 17, 2024

    Die Planung begann ja schon in der DDR, die Korridore müssten also seit damals feststehen. Dass dies nun pötzlich mit EBA Plänen kollidiert ist schwer vermittelbar.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Tangentiale_Verbindung_Ost

    • Mike Juli 18, 2024

      Der ursprüngliche Korridor verläuft aber direkt durch heutiges Siedlungs- und Naturschutzgebiete. Da wollte die Verkehrsverwaltung konflikte vermeiden, hat aber in typischer Manier seit der übernahme durch die CDU geltendes Recht ignoriert. Ich wünsche viel Spaß bei der Neuplanung und bedarfsgerechten Reduktion auf eine zweispurige Straße, um noch irgendwie ein positives Kosten Nutzen Verhältnis zu erreichen.

      • Arne Juli 18, 2024

        Konflikte werden sicher nicht vermieden, in dem man benötigte Bahnflächen entwidmen möchte. Von Konfliktvermeidung kann daher keine Rede sein.

        Die Story soll dann heißen, der ÖPNV ist schuld, wenn die TVO durch deinen Garten läuft. Auch wenn dies natürlich gelogen wäre.

        Es geht darum, den ÖPNV als Bremse darszustellen, obwohl er in einer guten Planung sogar eine Lösung darstellen würde, von der alle profitieren.

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