Ein Bündnis aus Architekten und Stadtplanern kritisiert die Pläne des Berliner Senats für den Neubau von Mühlendammbrücke und Neuer Gertraudenbrücke. Zu breit und zu überdimensioniert sollen die Brücken werden und damit die Fehler der bestehenden Bauwerke wiederholen. Die Initiatoren zeigen daher Alternativen auf.

Sollen neu gebaut werden: Mühlendammbrücke (Titelbild) und Neue Gertraudenbrücke. Ein Bündnis fordert jedoch eine deutlich reduzierte Neubauvariante der benachbarten Brücken in Berlin-Mitte.

© Visualisierungen Mühlendammbrücke: Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz / Arup Deutschland GmbH / COBE A/S 

 

Die Diskussionen um den Neubau der Mühlendammbrücke sowie der Neuen Gertraudenbrücke in Berlins historischer Mitte ziehen sich bereits seit ein mehreren Jahren hin. Während es zuletzt etwas ruhiger um das Thema geworden war, kommt nun wieder Bewegung in die geplanten Brückenbauprojekte.

Der Reihe nach: Zwischen Spittelmarkt und Molkenmarkt, entlang der Leipziger Straße sowie des Mühlendamms, überquert die mehrspurige Straße zweimal die Spree. Diese jeweils in den 1960er und 1970er Jahren errichteten Brückenbauten sind stark sanierungsbedürftig, weshalb der Berliner Senat die Brücken abreißen und neu bauen lassen möchte.

Zwei Brückenbauprojekte im historischen Zentrum Berlins sind geplant

Nach langer Diskussion um den Neubau der Mühlendammbrücke, die sich vor allem um die Dimension des Bauwerks drehte, präsentierte der Senat im August 2021 den Siegerentwurf für das Projekt, der zwar eine neue Spuraufteilung auf der Brücke beinhalten soll, in seiner Breite jedoch den heutigen Dimensionen des Bestandsbaus entspricht.

Ein Umstand, der von vielen Architektengruppen bis heute kritisiert wird, da die Mühlendammbrücke in ihrer Ausgestaltung in keiner Weise Rücksicht auf die historische Mitte Berlins nimmt und zudem dem Mobilitätskonzept des Senats widerspricht, der den innerstädtischen Autoverkehr ja signifikant reduzieren möchte. Weshalb also eine neue Brücke, die wieder genauso breit sein wird?

Senat möchte das Planungsverfahren für beide Projekte beschleunigen

Der Senat beharrt auf der Dimension des bestehenden Bauwerks vor allem deshalb, da dies das Planungsverfahren deutlich verschnellert. Und genau das ist auch die Planungsgrundlage für den ebenfalls notwendigen Neubau der nur wenige Meter entfernt liegenden Neuen Gertraudenbrücke.

Die heutige Brücke besteht aus zwei Teilbauwerken und überspannt den Spreekanal. Nach Untersuchungen im Jahr 2019 wurde festgestellt, dass eine Sanierung des Brückenbauwerks aufgrund der gravierenden, vorhandenen Schäden am Tragwerk nicht möglich ist. Die Brücke muss in den kommenden Jahren abgerissen und neu gebaut werden.

Für die Gestaltung des Neubaus soll nun ein Realisierungswettbewerb durchgeführt werden. Bevor dieser überhaupt begonnen hat, gab es bereits deutliche Kritik vor allem von Anwohnerinnen und Anwohnern der Fischerinsel am Vorhaben, den Neubau mit einer Breite von 35 Metern errichten zu wollen. Es ist genau die Breite, die auch die heutige Brücke hat. Die Muster der Bauvorhaben Mühlendammbrücke und Neue Gertraudenbrücke gleichen sich also.

Bündnis schlägt Alternativen zur überdimensionierten Brückenplanung vor

Mit ihrer Kritik am geplanten Vorgehen des Senats stehen die Anwohnerinnen und Anwohner auf der Fischerinsel und im Nikolaiviertel nicht allein da. Ein Bündnis, dem unter anderem die Interessengemeinschaft Leipziger Straße, Changing Cities Central, der BUND Berlin, das Bürgerforum Berlin und der Architekten- und Ingenieurverein zu Berlin-Brandenburg angehören, stellt für beide geplanten Neubauten städtebauliche Alternativen zur Wahl.

Zwar hatte die Mobilitätsverwaltung zuletzt angekündigt, dass bei der Neuen Gertraudenbrücke in einem Wettbewerb Entwürfe begrüßt werden sollen, die einen Rückbau und damit eine am Ende schmalere Brücke vorsehen. Dem Bündnis und auch vielen Anwohnern genügt diese Perspektive aber nicht aus.

Ein Neubau der Neuen Gertraudenbrücke soll überflüssig werden

Sie werben einerseits dafür, die Mühlendammbrücke schmaler zu bauen – und im Fall der Neuen Gertraudenbrücke sogar gänzlich auf einen Neubau zu verzichten. Stattdessen solle die Alte Gertraudenbrücke ertüchtigt werden.

Die historische, zwischen 1894 und 1895 gebaute steinerne Gertraudenbrücke, heute “Alte Gertraudenbrücke” genannt, steht unter Denkmalschutz und erhielt mit der 1977 als Stahlträgerbrücke errichteten und südlich parallel verlaufenden “Neuen Gertraudenbrücke”, die nun abgerissen und neu gebaut werden soll, eine Erweiterung, sodass heute an dieser Stelle ein Ensemble aus zwei Brücken besteht.

Die historische, Alte Gertraudenbrücke soll reaktiviert werden

Die Idee, die Neue Gertraudenbrücke durch eine denkmalgerechte Reaktivierung der historischen, Alten Gertraudenbrücke zu ersetzen, ist tatsächlich nicht neu. Bereits im 1999 verabschiedeten Planwerk Innenstadt wurde diese Idee festgehalten, bis heute aber nie verwirklicht – vor allem aus Gründen knapper Finanzmittel.

Das denkmalgeschützte Bauwerk, welches heutzutage ausschließlich von Fußgängern genutzt wird, soll durch eine Sanierung und Verstärkung in die Lage versetzt werden, die geplante Straßenbahntrasse zum Potsdamer Platz aufzunehmen. Außerdem soll sie einen überbreiten Fahrstreifen in eine Richtung und eine normale Pkw-Spur in die andere Richtung erhalten.

Kosteneinsparungen durch alternative Planvorschläge möglich

Ein weiterer Entwurf des “AIV” schlägt alternativ eine Erweiterung der Alten Gertraudenbrücke vor, sodass diese auch eine zweite überbreite Spur und zusätzliche Rad- und Gehwege aufnehmen könnte. Der mit 40 Millionen Euro kalkulierte Neubau der Neuen Gertraudenbrücke würden in beiden Varianten überflüssig werden, argumentiert das Bündnis.

So könnten nicht nur die Kosten für den Neubau eingespart werden, es würden auch neue Baufelder in bester Innenstadtlage entstehen, die der Berliner Senat eigenmächtig entwickeln könnte. Natürlich würden für die Sanierung der historischen Gertraudenbrücke aber ebenfalls Sanierungskosten entstehen. Vor allem, wenn es um so tiefgreifende Eingriffe in das historische Gemäuer geht.

Bündnis: Mühlendammbrücke könnte 10 Meter schmaler gebaut werden

Auch der Neubau der Mühlendammbrücke soll nach Wünschen des Bündnisses deutlich kleiner ausfallen als es bisher geplant ist. Die Initiatoren sehen für die Mühlendammbrücke vor, statt zwei Fahrspuren für den Kfz-Verkehr einen überbreiten Fahrstreifen zu schaffen.

Diese überbreite Spur sei genauso leistungsfähig wie zwei einzelne Spuren, zumindest wenn kein übermäßig hoher Lkw-Verkehr herrsche, erklärte Stefan Lehmkühler von Changing Cities. So ließe sich die Brücke insgesamt um 2,50 Meter schmaler bauen.

Sobald die Tram rollt, soll der Busverkehr ausgeschlossen werden

Weiterer Platz soll dadurch gespart werden, dass die Busse, bis die Straßenbahn in Betrieb geht, deren frei gehaltene Trasse nutzen. Sobald die Tramstrecke gebaut ist, soll es entlang der Strecke keinen Busverkehr mehr geben, da dieser überflüssig wird. Statt zwei 4,75 Meter breiten Spuren, die nach heutigem Planungsstand zu Beginn von Bussen und Fahrrädern genutzt werden sollen, müssten so nur Radwege eingeplant werden, die lediglich etwa halb so breit sind.

Mit weiteren kleineren Anpassungen, so rechnet es das Bündnis vor, könnte die Brücke rund zehn Meter schmaler werden als derzeit vom Land geplant. Das Bauwerk könnte also statt gut 41 Meter nur rund 31 Meter Platz einnehmen. Dadurch ließen sich auch erhebliche Baukosten sparen.

denkmalorientierter Gertraudenbrücken-Bau ist sogar Teil des Koalitionsvertrags

Das Bündnis beruft sich mit seinen Forderungen auch auf das, was das Regierungsbündnis auf Seite 11 des Koalitionsvertrags selbst festgehalten hat: “Für den Bereich um die Gertraudenbrücke muss der geeignete Städtebau mit dem Denkmalschutz und der Verkehrsplanung zügig in Alternativen geprüft werden.

Die Argumentationen des Bündnisses sind schlüssig und nachvollziehbar. Bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung als auch bei der Verkehrsverwaltung wird der Vorstoß dennoch nicht mit Begeisterung aufgenommen worden sein, denn dort ist man an einer zeitnahen Umsetzung beider Brückenbauprojekte interessiert.

Der Ball liegt nun beim Senat

Dennoch liegt der Ball nun beim Senat, der sich im Koalitionsvertrag dazu verpflichtet hat, die städtebaulichen Fehler der Vergangenheit, die vor allem in diesem Stadtbereich mitunter gravierende Ausmaße annehmen, kritisch zu hinterfragen und im Sinne des Denkmalschutzes und einer historischen Rekonstruktion neu zu beleuchten.

Vor allem vor dem Hintergrund des Neuen Molkenmarktes, der derzeit nach historischen Grundrissen geplant und in den kommenden Jahren neu entstehen soll, wäre eine 1:1-Neuerrichtung der überdimensionierten Brückenbauwerke aus der betonlastigen Bauepoche der 1970er Jahre zumindest fragwürdig. Man wird sehen.

 

Weitere Bilder zum Projekt findet Ihr hier: 

So soll die neue Mühlendammbrücke nach Plänen des Berliner Senats zukünftig aussehen.

In die Jahre gekommen und wenig ansehnlich: Die Neue Gertraudenbrücke, die abgerissen und neu gebaut werden soll.

Mühlendammbrücke und Gertraudenbrücke: Drei Brücken rücken im Zuge der geplanten Brückenbauprojekte in den Fokus.

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