Marie-Luise Schwarz-Schilling, gebürtige Berlinerin und engagierte Unternehmerin, verstarb am 22. Oktober 2024 im Alter von 92 Jahren. Ihr Leben war geprägt von ihrer Liebe zur Kultur und Geschichte, was besonders in ihrem Engagement für die Berliner Mitte sichtbar wurde.
© Foto Titelbild: IMAGO / Funke Foto Services
Text: Stephanie Engler
Marie-Luise Schwarz-Schilling wurde 1932 geboren und wuchs in Berlin auf. Als Kind erlebte sie die Zerstörung der Berliner Altstadt während des Zweiten Weltkrieges mit. Sie studierte in Göttingen und Paris Archäologie und später an der Universität München Volkswirtschaft. 1957 legte sie das Examen zur Diplomvolkswirtin ab.
Nach dem Tod ihres Vaters übernahm sie gemeinsam mit ihrem Mann Christian Schwarz-Schilling die Leitung der Accumulatorenfabrik Sonnenschein, einem traditionsreichen Unternehmen mit Standorten in Berlin und Büdingen, Hessen. Sie führte das Unternehmen von 1957 bis 1992 und war dabei besonders für Finanzen, Markenführung und die internationale Expansion zuständig. In dieser Rolle war sie eine der ersten Frauen in Deutschland, die eine derartige Führungsposition bekleidete und zahlreiche Innovationen einführte, darunter Controlling und Markenführung.
Pionierin der Geschlechterforschung und Autorin prägender Werke
Neben ihrer beruflichen Laufbahn war Schwarz-Schilling auch politisch engagiert, unterstützte Projekte zur Förderung der deutschen Altstadt und trat regelmäßig als Rednerin auf, darunter an renommierten Institutionen wie der TU Berlin und der Universität Potsdam. Ihre intellektuellen Beiträge widmeten sich Themen, die den Kern gesellschaftlicher Entwicklung berühren, wie der Geschlechterforschung und modernen Gesellschaft.
In ihrem bekanntesten Werk, „Die Ehe: Seitensprung der Geschichte“ (2004), beleuchtete sie bspw. die Entwicklung der auf sexueller Verbindung basierenden Familienstruktur, die die traditionelle Blutsverwandtschaft ablöste. Doch auch in anderen Werken wie „Kaufmann und Schamane“ (1984) und „Gleichrangig: Wie hält die Zweisamkeit das aus?“ (2015) setzte sie sich mit Themen, die den Kern gesellschaftlicher Entwicklung berührten, auseinander.
Rückkehr nach Berlin und Beginn des Engagements für die historische Altstadt
Nach der Rückkehr nach Berlin und dem Verkauf ihrer Firma im Jahr 1992 engagierte sie sich erneut für die historische Mitte ihrer Heimatstadt. Ein Besuch im Jahr 2021 des DomRömer-Areals in Frankfurt am Main* – einem bekannten Stadtentwicklungsprojekt, das den Wiederaufbau eines Teils der historischen Frankfurter Altstadt umfasst –inspirierte sie, sich für die Rekonstruktion der Berliner Altstadt einzusetzen.
In den letzten Jahren ihres Lebens nahm sie aktiv an öffentlichen Diskursen teil und gründete 2022 die Stiftung Mitte Berlin, die sich der Aufwertung der historischen Berliner Altstadt verschrieben hat. Schwarz-Schilling strebte mit ihr an, die Strukturen der Altstadt aus der Zeit vor 1933 wiederzubeleben, um den Berlinerinnen und Berlinern eine lebendige, historisch geprägte Innenstadt zurückzugeben.
Stiftung Mitte Berlin: Eine Vision für das historische Herz Berlins
Die Stiftung Mitte Berlin setzt sich für die Schaffung eines urbanen, lebendigen Stadtquartiers mit attraktiven Straßen und Plätzen ein. Statt der heutigen Berliner Mitte plädiert die Stiftung für die Errichtung neuer Gebäude im Stadtgrundriss der 1920er Jahre – nicht aus nostalgischen Motiven, sondern weil die damalige Struktur das Leben im Stadtkern belebte und dies auch heute wieder möglich wäre. So könnte ein zentraler Treffpunkt für ganz Berlin entstehen.
Sie soll als internationales Modellprojekt für eine nachhaltige Stadtentwicklung dienen und verdeutlicht Schwarz-Schillings Vision: eine Stadt, die Menschen und Geschichte vereint. Ihre Tochter Alexandra Schwarz-Schilling wird die Arbeit ihrer Mutter fortführen und das Erbe der Stifterin in die Zukunft tragen.
* Das DomRömer-Areal in Frankfurt am Main liegt zwischen dem Dom und dem Römer, dem historischen Rathaus der Stadt. In den 1940er Jahren wurde dieser Bereich durch Bombenangriffe fast vollständig zerstört, und nach dem Krieg wurde die Fläche zunächst durch moderne Gebäude ersetzt.
Quelle: Stiftung Mitte Berlin
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2. November 2024