Ein neues Stadion für Hertha BSC und Wohnraum in einem? Die Möglichkeit, Wohnungen im neuen Stadion zu integrieren, bietet womöglich eine visionäre Chance für den Berliner Wohnungsmarkt. Wie so etwas geht, ist im finnischen Tampere zu beobachten, wo ein Stadion-Neubau gleichzeitig Gewerbeflächen und 170 Wohnungen beinhaltet.
© Foto Titelbild: JKMM Architects
Text: Björn Leffler
Erst im September berichteten wir über den aktuellen Stand zum Thema Stadion-Neubau für Fußball-Zweitligist Hertha BSC. Anfang des Jahres hatte die Senatsinnenverwaltung noch darüber informiert, dass erst nach der anstehenden Europameisterschaft neue Informationen zum Vorhaben im Olympiapark zu erwarten seien.
Aus Kreisen der Koalitionspartner CDU und SPD erfuhr der RBB im April dieses Jahres, dass der Berliner Senat beschlossen hatte, das Planungsrecht für den Olympiapark an sich zu ziehen, was schließlich auch geschah. Ende September tagte dann auch wie angekündigt die Expertenkommission für das Thema Stadion-Neubau.
Stadion-Neubau von Hertha BSC: Standort-Entscheidung fällt Anfang 2025
Zu einer Entscheidung konnte oder wollte sich die Kommission nach Informationen des RBB in dieser Sitzung jedoch nicht durchringen, wie zu vernehmen war. Grund dafür soll unter anderem sein, dass der zukünftige Nutzer, Fußball-Bundesligist Hertha BSC, eine höhere Kapazität für den Stadionbau fordert.
Ein neuer möglicher Standort auf einer Fläche entlang der Jesse-Owens-Allee direkt am S-Bahnhof Olympiastadion wurde bereits Anfang 2024 von der Expertenkommission favorisiert. Spranger betonte nach der Sitzung, dass dieser Ort weniger Eingriffe in den denkmalgeschützten Olympiapark nötig machen würde.
Stadion-Neubau müsste unter Gesichtspunkten des Denkmalschutzes errichtet werden
Wie das zukünftige Stadion unweit des historischen Olympiastadions aussehen würde, müsste erst im Rahmen eines Architekturwettbewerbs geklärt werden. Klar ist dabei, dass eine solche neue Arena wohl nur nach den strengen Vorgaben des Denkmalschutzes realisiert werden könnte.
Der ursprünglich von Hertha BSC favorisierte Standort für einen Stadion-Neubau lag an der Rominter Allee, zwischen den U-Bahnhöfen Ruhleben und Olympiastadion. Doch für den Neubau hätten mehrere Wohngebäude abgerissen werden müssen, was vom Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf und der ansässigen Wohnungsbaugenossenschaft abgelehnt wurde.
Innovativer Ansatz: Integration von Wohnraum in den Stadion-Neubau
Schon damals kursierte allerdings die Idee, in einen möglichen Stadion-Neubau neuen Wohnraum intelligent zu integrieren, doch die Idee ist letztlich nicht weiterverfolgt worden. Bei einem potenziellen Stadionbau auf dem mittlerweile favorisierten Gelände am historischen Reiterstadion müssten immerhin keine Wohnflächen weichen, ein klarer Vorteil für den neuen Standort.
Allerdings könnten die Projektverantwortlichen beim Bau des Stadions zusätzlichen Wohnraum schaffen, wenn sie es architektonisch geschickt anstellen. Dies würde womöglich auch die Akzeptanz für das Projekt in der Berliner Bevölkerung erhöhen. Dass es auf dem Gelände des Olympiaparks bereits Wohnungen gibt, zeigt das Beispiel der bestehenden Wohnanlage an der Rominter Allee. Warum sollen also nicht weitere Wohnräume entstehen?
Wohnungen innerhalb eines Stadions wurden weltweit bereits mehrfach realisiert
Wohnungen innerhalb eines Stadions sind keine neuartige Ideen, sondern bei mehreren Stadionprojekten weltweit bereits umgesetzt worden. Wie diese Wohnungen genutzt werden könnten, müsste zwischen den Projektbeteiligten geklärt werden. Entstehen könnten landeseigne Mietwohnungen, aber auch Flächen, die von Hertha BSC oder dem ebenfalls im Olympiapark beheimateten Landessportbund Berlin genutzt werden könnten.
Wie so etwas aussehen kann, lässt sich sehr gut bei einem kürzlich abgeschlossenen Stadionprojekt in Tampere (Finnland) beobachten. Das Projekt “Tammela-Stadion”, das mit dem Finlandia-Preis für Architektur 2024 ausgezeichnet wurde, wurde als integriertes Projekt zusammen mit der Stadt Tampere realisiert.
Finnland: “Tammela-Stadion” in Tampere enthält integrierte Wohnungen
Das Projekt umfasste den Bau eines reinen Fußballstadion sowie die Errichtung von fünf Wohngebäuden, Geschäftsräumen und Parkplätzen. Das Projekt wurde im November 2023 abgeschlossen. Das Stadion bietet Platz für bis zu 8.000 Zuschauer und erfüllt damit die Anforderungen der höchsten UEFA-Kategorie, der Kategorie vier.
Damit kann das Stadion internationale Spiele auf höchstem Niveau austragen. Das Stadion ist die neue Heimstätte des lokalen Männer- und Frauenfußballvereins Ilves, die beide derzeit in der ersten finnischen Liga spielen. Der Vorschlag „Hattutemppu“ (Hattrick) des Architekturbüros JKMM wurde schon 2014 als Siegerentwurf ausgewählt. Der Bau des neuen Stadions begann im Jahr 2021.
Im Stadion-Neubau von Tampere sind insgesamt 170 neue Wohnungen entstanden
Das Hauptentwurfskonzept von JKMM für das neue Stadion im Stadtzentrum von Tampere bestand darin, eine riesige Dachstruktur zu schaffen, unter der alle verschiedenen Funktionen zusammengefasst werden können. Ziel des neuen Entwurfs war es, ein hochwertiges Stadtbild und eine hochwertige Umgebung für Fußballspiele und Trainings zu schaffen, die ganzjährig nutzbar ist.
Insgesamt 170 Wohnungen sind in dem Neubau entstanden, zudem wurde eine Gewerbefläche von rund 7.000 Quadratmetern geschaffen, die Angebote für Gastronomie und Einzelhandel umfasst. Das in Tampere umgesetzte Konzept wäre rein aus Sicht des Denkmalschutzes so vermutlich nicht umsetzbar, doch die Unterbringung von Wohnungen in einer Arena, die sich städtebaulich in das bestehende Ensemble im Olympiapark einfügt, wird architektonisch durchaus machbar sein – und sollte daher einmal überdacht werden.
Weitere Bilder zum Projekt Thema Ihr hier:
Quellen: RBB, Berliner Morgenpost, Der Tagesspiegel, Senatsverwaltung für Inneres und Sport, Hertha BSC, Landessportbund Berlin, X (ehem. Twitter), IMAGO, JKMM Architects, Wikipedia
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