Trotz dramatischer Vorfälle in den vergangenen zehn Jahren bleibt die Verkehrssituation in Berlins City West rund um den Breitscheidplatz ungelöst. Die Vorfälle auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt haben jedoch erneut gezeigt, dass Berlins Politik an dieser neuralgischen Stelle endlich handeln muss, anstatt ein weiteres Jahrzehnt tatenlos ins Land ziehen zu lassen. Dabei liegt ein fertig ausgearbeitetes Verkehrskonzept längst vor.
Titelbild: IMAGO / Nordphoto
Text: Björn Leffler
Die schlimmen Bilder vom Attentat auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt haben in Berlin Erinnerungen an den verheerenden Anschlag auf den Breitscheidplatz am 19. Dezember 2016 geweckt. Seitdem ist der Breitscheidplatz provisorisch vor neuerlichen Attacken gesichert, seit nunmehr rund acht Jahren – doch eigentlich soll seit langem ein umfassendes Verkehrskonzept für die gesamte Berliner City West zwischen Kurfürstendamm, Budapester Straße, Hardenbergstraße, Tauentzienstraße und Kantstraße entwickelt werden.
Bislang ist dies jedoch nicht geschehen. Im Mai 2024 war es zum wiederholten Mal zu einem weiteren, folgenschweren Verkehrsunfall gekommen. Eine Frau starb bei einem Autounfall in der Tauentzienstraße in Berlin-Charlottenburg, drei weitere Insassen – 20, 25 und 27 Jahre alt – wurden damals teils lebensgefährlich verletzt. Der Unfall erinnerte auf fatale Art und Weise an ein Ereignis, welches sich im Februar 2016 fast an gleicher Stelle ereignet hatte.
Berlins City West: Attentate und folgenschwere Verkehrsunfälle wechseln sich ab
Ein Wettrennen, bei dem zwei junge Männer mit 160 Kilometern pro Stunde über den Kurfürstendamm rasten und mehrere rote Ampeln überfuhren, endete damals ebenfalls tragisch. Eines der Autos stieß mit einem Jeep zusammen, der bei Grün in die Kreuzung einfuhr. Der Fahrer des Jeeps, ein Rentner, starb sofort. Im Juni 2022 schließlich war ein Autofahrer in eine Gruppe Menschen und dann in ein Geschäft gefahren, eine Frau kam dabei ums Leben – es handelte sich dabei um eine Amokfahrt eines in Berlin lebenden Mannes.
Die City West ist also seit mehr als einem Jahrzehnt sowohl Schauplatz von Verkehrsrowdytum, extrem rücksichtsloser Fahrweise und erfolgreichen oder versuchten Anschlägen auf Menschenleben – immer in motorisierten Gefährten, immer lebensgefährlich.
Weder SPD, Grüne, Linke oder CDU haben sich dem Verkehrsproblem in der City West gewidmet
Genug Gründe eigentlich, um die Verkehrssituation in einem der touristisch am stärksten besuchten Areale der Hauptstadt neu zu denken – oder? Doch weder SPD, Grüne oder Linke haben sich dem Verkehrsbrennpunkt Kurfürstendamm während der vergangenen Legislaturperioden angenommen, auch die CDU hat das Thema bislang erfolgreich ignoriert – und nach dem letzten folgenschweren Unfall im Mai 2024 eher gleichgültig erklärt, dass neue Verkehrskonzept für die City West derzeit nicht angedacht seien.
Dabei gibt es für den zentralen Platz in Berlins City West, den Breitscheidplatz mit seinem auch heute noch sehr populären Weihnachtsmarkt, seit Jahren fertige Umbau- und Verkehrskonzepte, die auf ihre Umsetzung warten – und zwar schon sehr lange.
Breitscheidplatz: Seit acht Jahren wird über ein neues Verkehrskonzept diskutiert
Das Konzept, welches für mehr Sicherheit auf dem Platz selbst und eine Beruhigung des Verkehrs rund um Gedächtniskirche und Europacenter führen soll, sah eine Entfernung der beiden südlichen Fahrstreifen der Budapester Straße vor.
Künftig sollten diese vielmehr als Fußgängerbereich genutzt werden können. In jede Richtung würde dann jeweils eine Spur bis zur Kreuzung Joachimsthaler Straße führen. Eine geradlinige Fahrt wäre jedoch nicht mehr möglich.
Sicherheitskonzept: Die Kantstraße sollte zur Sackgasse werden
Die Kantstraße wiederum sollte zu einer Sackgasse werden, sodass der Breitscheidplatz von hieraus nicht mehr zugänglich wäre. Eine Sperrung mithilfe einer Platzkante sollte die Weiterfahrt in diesem Bereich verhindern.
Auch die Südseite des Breitscheidplatzes stand im Fokus der geplanten Änderungen. So sah die Senatsverwaltung für Inneres die Etablierung eines Zickzackkurses vor. Kurz vor dem Knotenpunkt an der Gedächtniskirche sollte diese Straßenführung am Nordende der Rankestraße den Bereich beruhigen und schnelle Fahrten verhindern.
Die provisorischen Poller sollten einem dauerhaften Verkehrskonzept weichen
Zeitgleich sollte ein durchgezogener Mittelstreifen das Erreichen des Breitscheidplatzes von der Rankestraße aus verhindern. Dies würde jedoch auch bedeuten, dass das Linksabbiegen auf den Kurfürstendamm nicht mehr möglich wäre.
Die nach dem Attentat auf den Weihnachtsmarkt provisorisch errichteten Poller-Befestigungen sollten somit einem dauerhaften Verkehrskonzept weichen. Die aktuell nicht zufriedenstellende Lösung sollte durch diesen Vorschlag die städtebauliche Lage rund um den Platz erheblich verbessern.
Bezirk und Senat schieben sich die Schuld am Stillstand gegenseitig zu
Umgesetzt wurde von den oben beschriebenen Planungen bis heute nichts, nicht einmal kleinste Teilprojekte wurden überhaupt begonnen. Die Schuld dafür schieben sich laut einem Bericht der Berliner Morgenpost die beteiligten Senatsverwaltungen und der Bezirk gegenseitig zu.
Die ursprünglich an dem Verfahren beteiligte Senatsverwaltung für Inneres und Sport sieht sich derzeit nicht mehr am Zug. Seit langem soll das vom Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf erarbeitete Konzept zur Freigabe bei der von Ute Bonde (CDU) geführten Verkehrsverwaltung liegen. Doch dort lag es auch schon, als noch die mittlerweile zurückgetretene Manja Schreiner (ebenfalls CDU) das Ressort führte.
Grunerstraße und Potsdamer Platz: Verkehrsprojekte wurden umgesetzt, während in der City West gar nichts geschah
Während an anderer Stelle im Berliner Zentrum, etwa beim aufwendigen und mittlerweile abgeschlossenen Umbau der Grunerstraße am Alexanderplatz längst Tatsachen geschaffen wurden, verharrt die Senats- und Bezirkspolitik in der City West in fragwürdiger Tatenlosigkeit. Am Potsdamer Platz hingegen wurde in nur wenigen Jahren ein Teilbereich des riesigen Areals in eine reine Fußgängerzone umgewandelt, ohne großes Aufheben.
Ähnliche Projekte werden für die Südseite des Humboldt Forums, im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg oder rund um den Hackeschen Markt vorangetrieben, wo eine verkehrsbefreite Zone eingerichtet werden soll. Es fragt sich, wie viele gravierende Verkehrsvorfälle und alarmierende Beispiele aus anderen Städten noch nötig sein werden, um rund um den Breitscheidplatz in Charlottenburg endlich tätig zu werden. Die Antwort darauf kann allerdings nur die Berliner Politik selbst geben, niemand sonst.
Quellen: Senatsverwaltung für Inneres und Sport, Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf, Berliner Morgenpost, Der Tagesspiegel
Ich wohne an einer 30ger Zone mit einer derzeitigen Baustellenumleitung, man hört häufig die auf jaulenden Autos und Motorräder die noch versuchen die grüne Ampel noch zu erwischen. Mit oder ohne Kinderhort ist egal.
Man sollte eine Möglichkeit schaffen die Handys (oder Autos haben bereits eine Mobileschnittstelle) diese zur Geschwindigkeit Ermittlung heran zu ziehen, dann bräuchte man die Radarfallen nicht mehr.
Lol… Die Deutschen lieben die Kontrolle über Alles. Als nächstes kontrollieren wir per Mobiltelefon oder Smartschnittstelle WO hingefahren wird…
Das wäre absolut irre. Man sieht derzeit, dass zwei Fahrstreifen absolut nicht ausreichen. Autos und Busse stehen im Dauerstau und die Kreuzung Hardenbergstraße / Zoo ist komplett überlastet. Es braucht weiterhin vier Fahrspuren und die Durchlässigkeit zur Kantstraße, um die Kreuzung am Zoo zu entlasten.