Zahlreiche historische Industriebauten prägen die Architektur in Schöneweide und Köpenick und sind maßgeblich für den architektonischen Charakter dieses besonderen Stadtraums im Südosten Berlins. Mittlerweile werden zahlreiche Bauprojekte umgesetzt, welche die bemerkenswerte Architektur in moderne Nutzungen überführen. In einer mehrteiligen Reihe widmen wir uns der städtebaulichen Entwicklung dieser besonderen Quartiere.

Historische Industriegebäude prägen das Stadtbild im südöstlichen Quartier Oberschöneweide, welches zum Bezirk Treptow-Köpenick gehört. / © Foto: IMAGO / Bernd Friedel

© Foto Titelbild: IMAGO / Zoonar

ENTWICKLUNGSSTADT Reihe: Industriekultur in Schöneweide & Köpenick

von Wolfgang Leffler

 

Auf der Suche nach den ehemaligen großen Industriestandorten in Berlin ragt eine Region ganz besonders heraus, die im Südosten gelegene Wilhelminenhofstraße im Treptow-Köpenicker Stadtteil Oberschöneweide.

Als das Zeitalter der Industrialisierung in Schöneweide und Köpenick begann, schossen Fabriken, Montagehallen, Werke und Lagerräume aus dem Boden.

Viele beeindruckende Industriebauten prägen bis heute die Architektur in diesem Stadtraum. Die markanten Gebäude sind in diesem Teil Berlins in seltener Vielfalt vorhanden.

Oberschöneweide: Großindustrie bis zum Ende der DDR

Dort war bis zum Ende der DDR-Ära die Ost-Berliner Großindustrie angesiedelt, wie etwa das Kabelwerk Oberspree, das Transformatorenwerk, das Werk für Batterieelemente und Akkumulatoren oder das Werk für Fernsehelektronik.

Geblieben ist davon eigentlich fast nichts mehr und es beschleicht einen schon ein mulmiges Gefühl, wenn man über den Bahnhof Schöneweide kommend – dessen Rekonstruktion sich langsam dem Ende zu nähern scheint – sich auf den direkten Weg zur Wilhelminenhofstraße macht.

Die Treskowbrücke wird wieder einmal rekonstruiert

Zu Fuß oder per Fahrrad über die Hasselwerderstraße weiterführend gibt es nun einen kürzeren Weg über die Spree hinüber auf die andere Spreeseite. Bis zum Jahr 2007 war die Treskowbrücke die einzige Verbindung über die Spree in das Industriegebiet. Seitdem gibt es den Kaisersteg als zusätzliche Querungsmöglichkeit.

Auch die Treskowbrücke wird nun zum zigsten Mal rekonstruiert, mit neuen Gleisen für die Straßenbahnen und hoffentlich auch vorerst das letzte Mal, denn die Anwohner der Brückenstraße sind mehr als genervt von der unsäglich langen Lärm- und Schmutzbelästigung.

Seit April 2024 gibt es eine Helga-Hahnemann-Straße in Oberschöneweide

Direkt gegenüber vom östlichen Ausgang des Bahnhofs Schöneweide gelegen, biegt man in die Hasselwerderstraße ein und läuft schnurstracks auf den Kaisersteg zu. Vorher tangiert man noch die Ecke Fennstraße / Hasselwerderstraße und entdeckt direkt gegenüber die Helga-Hahnemann-Straße.

Diese wurde Mitte April 2024 vom Bezirksbürgermeister Oliver Igel eingeweiht, unter großer Beteiligung übrigens der Bevölkerung des Stadtteils und von langjährigen Weggefährten der ehemaligen Ikone der DDR-Unterhaltungskunst mit ‚Berliner Schnauze‘.

Es lag auf der Hand in diesem Ortsteil Berlins eine Straße nach ihr zu benennen, hatte sie doch zwischen 1956 und 1959 in der nahegelegenen Schauspielschule ‚Ernst Busch‘ ihre Ausbildung absolviert; hatte erste Auftritte im DDR-Fernsehstudio Adlershof und lange Jahre in Friedrichshagen gewohnt.

Die BUWOG errichtet in Oberschöneweide ein neues Wohnquartier

Mit ihrer ‚Kraft des Lachens‘ hatte Helga Hahnemann durchaus eine tiefe Bindung zu ihrem Publikum, was auch irgendwie zu Schöneweide passt. Die nach ihr benannte Straße liegt übrigens in einem Neubaugebiet der BUWOG Bauträger GmbH, die in diesem Areal ein neues Wohnquartier errichtet.

Bewegt man sich von der Ecke Hasselwerderstraße /Helga-Hahnemann-Straße weiter in Richtung Kaisersteg, kann man sich schräg gegenüber an der Ecke Hainstraße noch in dem kleinen gemütliche ‚Café Delicias‘ stärken.

Der Kaisersteg verbindet die Ortsteile Nieder- und Oberschöneweide

Der Kaisersteg verbindet die Ortsteile Nieder- und Oberschöneweide, wertet den Stadtraum Schöneweide damit grundsätzlich immens auf und ist neben der Treskowbrücke die einzige Alternative, um per Fuß oder Rad die Spree zu überqueren.

Der Steg wurde bereits 1898 errichtet, initiiert von privaten Unternehmen vor dem Hintergrund, den Arbeitern die auf beiden Seiten der Spree befindlichen Werksgelände schneller erreichbar zu machen.

Wohn- und Arbeitsstätten wurden im Industriezeitalter nah beieinander geplant

Das entsprach der Unternehmenskultur während der Zeit der Industrialisierung, dafür zu sorgen, dass die Wohn- und Arbeitsstätten nah beieinander lagen, was dann sicher zu einer höheren Produktivität führte.

Allerdings wurde der Kaisersteg kurz vor Kriegsende von SS-Männern gesprengt und seitdem nicht wieder aufgebaut – bis er dann im Jahr 2007 in moderner und architektonisch ansprechender Form als Stahlkonstruktion neu errichtet wurde.

Schöneweide: Massive Industriekultur des frühen 20. Jahrhunderts

Blickt man vom Kaisersteg aus Richtung Südosten, bekommt man einen überwältigenden Eindruck der massiven Industriekultur der frühen Jahre des 20. Jahrhunderts mit Gebäuden, die mit hellbraunen Klinkern verkleidet sind und noch heute einen eigentümlichen Charme ausstrahlen.

Überquert man den Kaisersteg Richtung Oberschöneweide, kommt man direkt auf einen zweigliedrigen Industriebau mit vergilbter Fassade, an dem der Zahn der Zeit seit seiner Schließung genagt hat:  Das Kabelwerk Oberspree (KWO).

Kabelwerk Oberspree: Die letzte große Investition in den 1980er Jahren

Es ist das Gebäude der ehemaligen neuen Gummifabrik, die vor dem Mauerfall auch unter dem Begriff Werk für Elastaufbereitung bekannt war. Dieser Betriebsteil war innerhalb des Stammbetriebs in Berlin-Oberschöneweide die letzte große Investition des Kabelwerks Oberspree in den Jahren 1981 bis 1984.

In unmittelbarer Nähe zu diesem ehemaligen Werksteil hat sich in den vergangenen Jahren ein Kunstquartier mit großen Ausstellungshallen und vielen Werkstätten angesiedelt, die dem Quartier einen völlig neuen Charakter verliehen haben.

Viele historische Gebäude werden längst neu genutzt oder umgebaut

Nachdem viele dieser Gebäude – vor allem nach der Wende – jahrzehntelang ungenutzt waren und verfielen, werden mittlerweile zahlreiche Bauprojekte geplant oder bereits umgesetzt, in denen diese Gebäude modernisiert und um neue Gebäude ergänzt werden.

In den kommenden Teilen der Reihe werden wir diesen einzigartigen Stadtraum weiter erkunden und die spannenden Kontraste zwischen historischer und moderner Architektur detailliert beleuchten.

Fortsetzung folgt…

 

Weitere Bilder zum Thema findet Ihr hier: 

© Open Street Map

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