Ganz im Berliner Norden liegt im Reinickendorfer Ortsteil Hermsdorf der idyllische Waldsee. Seit Jahren hat sich auf den Straßen rund um den See ein Durchgangsverkehr aus dem Berliner Umland etabliert, der viele Bewohner stört. Mehrere Bürgerinitiativen kämpfen um die Neuaufteilung des Verkehrsraums rund um den Waldsee – für und gegen den Durchgangsverkehr.

Soll der Durchgangsverkehr am Hermsdorfer Waldsee reduziert worden, oder nicht? Darüber streiten Anwohner und Bürgerinitiativen seit Jahren intensiv. Eine Lösung ist (noch) nicht in Sicht. / © Foto: ENTWICKLUNGSSTADT BERLIN

© Fotos: ENTWICKLUNGSSTADT BERLIN
Text: Björn Leffler

 

 

Ganz im Norden Berlins liegt der Ortsteil Hermsdorf, der zum Bezirk Reinickendorf gehört und ohne Übertreibung zu den wohlhabenden Quartieren der Hauptstadt gezählt werden kann.

Der Stadtraum ist hauptsächlich geprägt von Einfamilienhäusern und vielen Grünflächen, zentrale Einkaufsmeile ist die beschauliche Heinsestraße, die direkt am S-Bahnhof Hermsdorf liegt – das Quartier hat durchaus dörflichen Charakter. Über eine Veränderung der Verkehrsführung in der Heinsestraße wurde in den vergangenen Jahren übrigens bereits häufiger diskutiert, bislang allerdings ohne Ergebnis.

Hermsdorf: Diskussionen um Durchgangsverkehr am Waldsee

Dafür wird jetzt umso intensiver um einen Verkehrsraum gestritten, der nicht weit entfernt von der Heinsestraße ist. Die Rede ist vom Quartier rund um den idyllischen Waldsee, der etwa 15 Gehminuten vom S-Bahnhof Hermsdorf entfernt liegt.

Rund um den Waldsee befinden sich schöne Wohnhäuser, und er war schon früher bei durchaus prominenten Berliner beliebt. Einst hatte auch Erich Kästner hier sein Domizil. Doch die vermeintliche Idylle trügt.

Autofahrer aus Glienicke/Nordbahn nutzen die Straßen am Waldsee als Abkürzung

Denn hier hat sich in den vergangenen Jahren ein intensiver Durchgangsverkehr aus der nahegelegenen Ortschaft Glienicke/Nordbahn etabliert. Die Gemeinde liegt bereits auf Brandenburger Gebiet und ist nach dem Mauerfall stark gewachsen, wie viele andere Gemeinden im Berliner Umland auch.

Bis zur Wende lag der Ortsteil Hermsdorf direkt an der Berliner Mauer, was die Wohngegend umso begehrter machte, denn durch die Sackgassensituation entfiel hier jeglicher Durchgangsverkehr.

Seit Öffnung der Mauer hat sich in Hermsdorf ein starker Durchgangsverkehr entwickelt

Seit dem Mauerfall haben Berlins nördliche Umlandsgemeinden wie Glienicke/Nordbahn, Hohen Neuendorf, Velten, Birkenwerder oder auch Oranienburg viele Einwohner hinzugewonnen. Der tägliche Berufsverkehr in die Berliner Innenstadt läuft auf mehreren Routen, unter anderem über die Stadtautobahn.

Eine weitere, besonders stark frequentierte Straße ist allerdings die Bundesstraße 96, die seit der Öffnung der Mauer zu den wichtigsten Verkehrsadern im Berliner Norden zählt und in Nord-Süd-Richtung mitten durch den Ortsteil Hermsdorf verläuft – und gerade zu Stoßzeiten natürlich notorisch verstopft ist.

Die notorisch verstopfte Bundesstraße 96 wird von Autofahrern umfahren

Um die verstopfte B96 zu umgehen, wählen viele Autofahrer daher lieber den Weg durch die Wohngebiete rund um den Waldsee, da diese Strecke quasi parallel zur Bundesstraße 96 verläuft.

Bei vielen Anwohnern stößt dieser Durchgangsverkehr, der oft – vor allem im Berufsverkehr – mit überhöhter Geschwindigkeit erfolgt, auf wenig Gegenliebe. Denn das Gebiet rund um den Waldsee ist von kleineren Straßen, Einfamilienhäusern, Stadtvillen und vor allem Kopfsteinpflasterstraßen geprägt.

Anwohner beschweren sich über Lärm und zu schnelle Autofahrer

Rund um den Waldsee selbst allerdings gibt es auch mehrere breitere Straßen, auf denen Autofahrer gern und häufig durch das Quartier fahren. Da diese Straßen rund um den Waldsee fast durchgehend mit Kopfsteinpflaster ausgelegt sind, empfinden viele Bewohner dies nicht nur als gefährlich (vor allem für Kinder), sondern auch als Lärmbelästigung.

An die geltende Tempobeschränkung (es herrscht rund um den Waldsee Tempolimit 30) halten sich leider nicht alle Autofahrer. Mehrere Bürgerinitiativen ringen seit beinahe einem Jahrzehnt bereits darum, die Verkehrssituation rund um den beliebten Waldsee zu lösen.

Gutachten: 6.000 Autos nutzen täglich die Straßen am Waldsee

Ein Gutachten des Bezirks Reinickendorf hat laut einem Bericht des Tagesspiegels ergeben, dass täglich rund 6.000 Fahrzeuge die Umgehung über Schildower Straße und Hermsdorfer Damm nutzen, um vom Umland in die Berliner Innenstadt zu fahren – und umgekehrt. 90 Prozent davon sollen Autofahrer sein, die nicht am Waldsee wohnen.

Seit mittlerweile fast einem Jahrzehnt streiten mehrere Bürgerinitiativen um die Gestaltung des Verkehrsraums am Waldsee. Die „Bürgerinitiative für mehr Verkehrsberuhigung“, deren inoffizieller Sprecher der Mathematikprofessor Michael Ortmann ist, setzt sich für eine Reduzierung des Durchgangsverkehrs ein.

Bürgerinitiative fordert Reduzierung des Durchgangsverkehrs

Ortmann, der 2017 ins Waldseeviertel zog, erklärte kürzlich gegenüber dem Tagesspiegel das Hauptanliegen der Initiative als eine Verringerung des Verkehrsaufkommens, insbesondere entlang der Schildower Straße. Er fordert, die Schildower Straße für den Durchfahrtsverkehr zu sperren und betont, dass die Verkehrswende nicht nur durch Anreize, sondern auch durch Beschränkungen erreicht werden kann.

Ortmann zeigte sich dabei in den vergangenen Jahren offenbar durchaus konfliktbereit und äußert sich regelmäßig in den Sitzungen der Bezirksverordnetenversammlung kritisch gegenüber der Verkehrspolitik des Bezirksamtes, was durchaus nachvollziehbar ist, wenn man die immer wieder zweifelhafte Verkehrsplanung des Bezirks betrachtet.

Eine Sperrung der Schildower Straße lehnte das Bezirksamt ab

Im Mai reichten Ortmann und seine Mitstreiter schließlich eine Klage ein, um eine Sperrung der Straße durchzusetzen – bislang ohne Erfolg. Vor drei Jahren schien eine Einigung im Streit um die Verkehrssituation am Waldsee eigentlich schon nahe, doch es regte sich Widerstand von der Bürgerinitiative „Offene Nachbarschaft“, die sich gegen die Pläne wehrte, die Schildower Straße zu sperren, da sie an die deutsche Teilung erinnert würden.

Für sie gilt die mögliche Durchfahrt ins Umland als eine wichtige Errungenschaft der deutschen Wiedervereinigung, auf lokaler Ebene sozusagen. Die mitunter verbittert geführte Debatte hat das nachbarschaftliche Verhältnis mittlerweile stark belastet.

Eine Pollerlösung am Waldsee wird er vorerst nicht geben

Bernd Pickel von der „Offenen Nachbarschaft“ argumentiert gegenüber dem Tagesspiegel, dass eine Sperrung nicht sinnvoll sei und die Verkehrssicherheit stattdessen durch bessere Infrastruktur und Anreize gefördert werden sollte. Auch das Bezirksamt lehnt eine Sperrung ab, da dies den Verkehr auf die überlastete B96 verlagern würde.

Nach einem Gutachten, das eine zwischenzeitig angedachte Pollerlösung verwarf, folgten Diskussionen über Alternativen, wie etwa die Umwandlung der Straße in eine Fahrradstraße. Diese Idee stieß jedoch ebenfalls auf Widerstand, und eine rechtliche Auseinandersetzung wurde vorbereitet.

Derzeit wird der Straßenbelag auf der Schildower Straße saniert: Verkehrsberuhigung auf Zeit

Aktuell wird die Straße aber erst einmal saniert, um den Durchfahrtslärm zu verringern bekommt die Schildower Straße neuen Asphalt und ist derzeit ironischerweise gar nicht zu durchfahren – eine Verkehrsberuhigung auf Zeit also.

Ortmann und seine Mitstreiter befürchten jedoch, dass die Erneuerung des Belags zu noch mehr Verkehr führen wird. Einig sind sich die Initiativen, dass zumindest große Lkws auch nach der Sanierung nicht durch das Wohngebiet fahren sollten.

Das Bezirksamt Reinickendorf jedenfalls lässt die Frage offen, ob die derzeit laufende Sanierung das Verkehrsproblem endgültig lösen wird, oder ob künftig weitere Maßnahmen notwendig werden. Man muss kein Wahrsager sein, um zu prognostizieren, dass im Verkehrsstreit am Hermsdorfer Waldsee vermutlich noch lange nicht das letzte Worte gesprochen sein wird.

 

Weitere Bilder zum Thema findet Ihr hier: 

Am Hermsdorfer Waldsee wohnte bereits Erich Kästner. Die Quartiere rund um den idyllischen See gehören zu den beliebtesten Wohngegenden im Berliner Norden. / © Foto: ENTWICKLUNGSSTADT BERLIN

© Open Street Map

Quellen: Bezirksamt Reinickendorf, Der Tagesspiegel, Bürgerinitiative für mehr Verkehrsberuhigung, Bürgerinitiative Offene Nachbarschaft