Das Aufstockungspotenzial in Berlin liegt laut einer aktuellen Analyse bei bis zu 510.000 Quadratmetern Geschossfläche. Somit könnten in relativ kurzer Zeit bis zu 8.000 neue Wohnungen errichtet werden, ohne dass zeitaufwendig neue Bebauungspläne aufgestellt werden müssten. Zudem würden so keine bislang unversiegelten Flächen für den Wohnungsbau verwendet werden.

So wie hier in Berlin-Buch könnten zukünftig tausende neue Wohnungen entstehen – durch Aufstockung von Bestandsbauten. Einer aktuellen, KI-basierten Analyse zufolge könnten dadurch kurzfristig bis zu 8.000 neue Wohnungen in Berlin entstehen. / © Visualisierung: S&P Sahlmann Planungsgesellschaft / HOWOGE

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Text und Fotos: Björn Leffler

 

Laut einer gemeinsamen Analyse von Syte, PROBIS, PriceHubble und LiWooD liegt das Wohnungsbaupotenzial in Berlin durch Aufstockungen zwischen 430.000 und 510.000 Quadratmeter Geschossfläche. Das entspricht rund 350.000 bis 410.000 Quadratmeter vermietbarer Wohnfläche respektive 7.000 bis 8.000 Wohnungen mit einer Wohnfläche von je 50 Quadratmetern.

Die größten Potenziale bieten demnach die Bezirke Neukölln (bis zu 1.167 Wohnungen), Tempelhof-Schöneberg (bis zu 906 Wohnungen) und Pankow (bis zu 834 Wohnungen). Am geringsten sind die Aufstockungsmöglichkeiten in Treptow-Köpenick (bis zu 285 Wohnungen) und Marzahn-Hellersdorf (bis zu 77 Wohnungen).

Berlin: Aufstockung und Sanierung von Bestandsbauten birgt großes Potenial

Berlin muss dringend auf die große Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt reagieren und den Wohnungsbau ankurbeln“, sagt Matthias Zühlke, Gründer und CEO von Syte. Und weiter: “Neubau kann dabei nur ein Teil der Lösung sein. Die Aufstockung und Sanierung von bestehenden Gebäuden bietet die Möglichkeit, ohne weitere Bodenversiegelung zusätzlichen innerstädtischen Wohnraum zu schaffen.

Zühlke verweist dabei auch auf das bundesweite 30-Hektar-Ziel. Dieses sieht vor, die Versiegelung von Flächen in Deutschland auf 30 Hektar pro Tag zu beschränken. Er betont, dass Nachverdichtung durch Aufstockung einen signifikanten Beitrag zur Ausweitung des Wohnungsangebots in Berlin leisten könne.

KI-basierte Grundstücksanalyse ermittelt Wohnungsbaupotenziale in Berlin

Syte ist nach Angaben des Unternehmens eine KI-basierte Software, die Grundstücksdaten und Bebauungspotenziale in Echtzeit ermitteln kann. Für die Berechnung des Aufstockungspotenzials haben die Experten vor allem Bestandsgebäude mit Flachdächern oder gering geneigten Dächern identifiziert, die ein oder mehr Geschosse weniger als ihre Nachbarbebauung aufweisen.

Zusätzlich mussten die Gebäude auf Grundstücken mit Wohn- oder gemischter Nutzung liegen und durften nicht mehr als sieben Geschosse besitzen, um bei einer Aufstockung nicht unter die Hochhausrichtlinie zu fallen.

In Berlin gibt es längst Wohnprojekte, die auf Aufstockung von Gebäuden setzen

In die Analyse flossen zudem Kataster-, Satelliten und Lidardaten für Berlin ein. Die eher konservative Herangehensweise zeigt, dass durchaus auch mehr Wohnraum zu schaffen wäre, wenn der politische Wille zur Umsetzung einer flächendeckenden Aufstockung vorhanden ist.

Dabei gibt es längst Beispiele, bei denen bestehende Gebäude aufgestockt werden und somit neue Wohnflächen entstehen. In Friedrichshain wurden nahe des Platzes der Vereinten Nationen gleich zwei Häuser um zusätzliche Etagen aufgestockt. Eines befindet sich an der Friedenstraße (siehe Foto, unten), das andere nur wenige Meter weiter an der Palisadenstraße (siehe Titelfoto, oben).

In Steglitz entstehen bis 2024 rund 110 neue wohnungen auf einem Bestandsbau

Beim Bauprojekt an der Palisadenstraße wurden nicht nur zusätzliche Dachgeschosse errichtet, sondern noch zwei weitere Gebäudeflügel am östlichen und westlichen Rand des Wohnhauses. Ein weiteres Beispiel findet sich in der Steglitzer Lessingstraße.

Dort baut die Charlottenburger Baugenossenschaft auf ihrem Bestandsbau insgesamt 110 neue, moderne Wohnungen. In zwei Bauabschnitten entstehen die barrierefrei zugänglichen Etagen- und Maisonette-Wohnungen. Das gesamte Projekt soll bis Sommer 2024 abgeschlossen sein.

Der Berliner Senat hat bereits 2016 die Potenziale durch Aufstockung untersucht

Das Thema ist natürlich nicht völlig neu, auch der Berliner Senat hat sich mit dem Wohnungsbaupotenzial durch Bestandsaufstockung längst beschäftigt – und kam dabei zu noch höheren Zahlen als die aktuelle Analyse.

Eine Erhebung der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen aus dem Jahr 2016 ergab, dass durch Aufstockungen sogar bis zu 52.000 zusätzliche Wohnungen realisiert werden könnten. Die Differenz zu der am Mittwoch veröffentlichten Analyse ergibt sich aus der Untersuchungsmethodik von Syte, die vor allem auf eine schnelle Bebaubarkeit zielt.

Die “Syte”-Analyse setzt vor allem auf schnell umsetzbare WohnProjekte

Der größte Unterschied ergibt sich dadurch, dass die Senatsverwaltung in ihre Analyse auch die Bebauung gänzlicher Häuserzeilen integriert hat. Für ein solches Vorgehen müsste allerdings ein neuer Bebauungsplan aufgestellt werden – was mehrere Jahre Bearbeitungszeit in Anspruch nehmen würde.

Moritz Koppe, Geschäftsführer von PROBIS und Mitinitiator der aktuellen Potenzialanalyse, begründet daher den Ansatz gegenüber der Berliner Morgenpost, vorerst auf schnell umsetzbare Bauvorhaben zu setzen: “Hier kann in der Regel nach § 34 Baugesetzbuch gebaut werden, dadurch entfällt ein langwieriger Planungsprozess.

Jährlich entstehen gut 1.000 Wohnungen durch Überbauung und Aufstockung

Schon jetzt entstehen durch Aufstockungen mehrere hundert Wohnungen jährlich. Von den rund 16.000 Wohnungen, die in den vergangenen Jahren in Berlin im Durchschnitt pro Jahr fertig gestellt wurden, waren etwa 500 bis 600 Dachgeschossausbau und –aufstockungen. Das teilte die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung mit.

Durch die Überbauung von Supermärkten entstanden im Durchschnitt der letzten sechs Jahre zudem zwischen 500 bis 750 Wohnungen pro Jahr. Auch dieses Potenzialthema wird vom Berliner Senat zunehmend forciert. Offen ist jedoch die Frage, wie teuer die durch Aufstockung entstehenden Wohnungen wären, denn baulich ist das Vorhaben durchaus aufwendig und daher auch kostenintensiv.

Ein Problem bleiben die gestiegenen Baukosten  – der Berliner Senat ist gefragt

Christian Crain, Geschäftsführer Deutschland bei PriceHubble sagte dazu gegenüber dem Deal Magazin: “Unsere Einschätzung der erzielbaren Kaltmieten zeigt eine Spanne von 14,50 €/m² in zentrumsfernen Lagen bis hin zu 28,00 €/m² in der Innenstadt.

Dazu ergänzte er noch: “Trotz der gestiegenen Baukosten zeigt das Mietpotenzial, dass sich für Bestandshalter der Ausbau weiterhin rentiert. Bei entsprechender Förderung von Seiten der Stadt Berlin kann zudem auch preisgünstiger Mietwohnungsbau geschaffen werden!” Ein klarer Auftrag an die Berliner Landespolitik, das Thema stärker in den Fokus zu nehmen.

 

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An der Friedenstraße in Friedrichshain, gegenüber von Auferstehungskirche und Alter Mälzerei, wurde dieses Wohnhaus um zwei Etagen aufgestockt. Die Dachgeschosswohnungen entstanden in Holzbauweise (Baustellenfoto aus dem März 2020). Das Projekt ist mittlerweile abgeschlossen.

Wie hier in Marzahn-Hellersdorf sollen im gesamten Berliner Stadtgebiet neue Supermärkte mit darüber liegendem Wohnraum entstehen. Das hier gezeigte Bauvorhaben wurde mittlerweile fertiggestellt. / © Visualisierung: Lidl

Weitere Wohnprojekte findet Ihr hier

Quellen: Berliner Morgenpost, Immobilien Zeitung, Deal Magazin, Charlottenburger Baugenossenschaft, Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, Syte, PROBIS, PriceHubble, LiWooD, RBB, HOWOGE

 

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