Wenig erinnert heute im Berliner Stadtkern noch an dessen rund 800-jährige Geschichte. Traditionsreiche Plätze wie der Molkenmarkt, der Köllnische Fischmarkt oder der Neue Markt sind genauso verschwunden wie einstmals geschäftige Hauptstraßen wie Königstraße, Spandauer Straße oder Roßstraße, um nur einige wenige zu nennen.
Mittelalterliche Gassen gingen im Bombenhagel des Krieges verloren
Die Struktur mittelalterlicher Gassen ging erst durch den Bombenhagel des Zweiten Weltkriegs und später – ab Mitte der 1960er Jahre – durch die raumgreifende Neuplanung der Berliner Altstadt durch die DDR-Regierung verloren. Selbst jene Gebäude, die den Krieg halbwegs unbeschadet überstanden hatten, räumte das SED-Regime 20 Jahre nach dem Ende des Krieges fast vollständig beiseite, um seine sozialistische Idee einer repräsentativen Innenstadt zu verwirklichen.
Die in den 60er und 70er Jahren geschaffene Architektur stellte wenige bis gar keine Bezüge zur historischen Architektur her und schaffte, bis auf wenige Ausnahmen, vielerorts trostlose und ungemütliche Freiflächen und Gebäude, die das Areal bis heute prägen. An der städtebaulichen “Reparatur” vieler architektonischer Bausünden versuchen sich Architekten und Stadtplaner bis heute, wie etwa das schwierige Beispiel des Alexanderplatzes zeigt.
Die Neugestaltung der Innenstadt durch die DDR-Regierung stellte keinen Bezug zur Vergangenheit her
Benedikt Goebel und Lutz Mauersberger haben nun in ihrem kürzlich erschienenen Buch “Mitte auf Augenhöhe – Straßen und Plätze des Berliner Stadtkerns gestern und heute” Fotografien der einstigen Berliner Altstadt dem heutigen Zustand gegenübergestellt, stets aus der Perspektive der Fußgänger. So hat man beim Betrachten des Buches fast den Eindruck, man würde sich auf einen Spaziergang durch das alte Berlin begeben.
Die zwei Autoren plädieren nicht nur in ihrem Buch, sondern auch im Rahmen ihrer Tätigkeit in der Planungsgruppe Stadtkern im Bürgerforum Berlin dafür, die Stadträume heute und zukünftig so zu gestalten, dass sie einen Bezug zur 800-jährigen Geschichte der einstigen Altstadt aufweisen. Die Gegenüberstellung der ehemals prachtvollen Architektur mit der heutigen Situation führt dem Leser auf fast schmerzhafte Art und Weise vor Augen, welch einzigartige Stadtlandschaft hier unwiederbringlich verloren gegangen ist.
Vergessene Städtebauliche Schätze werden sichtbar gemacht
Goebel und Mauersberger gelingt es in ihrem hervorragend und ausführlich recherchierten Werk, städtebauliche Schätze, die längst vergessen schienen, wieder sicht- und erlebbar zu machen. Und das, obwohl es sich im Buch ausschließlich um Schwarzweiß-Fotografien handelt. “Mitte auf Augenhöhe” ist daher ein äußerst empfehlenswertes Werk, nicht nur für Architektur-Interessierte und Liebhaber des “alten” Berlin.
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Sämtliche hier gezeigten Abbildungen sind dem Buch “Mitte auf Augenhöhe – Straßen und Plätze des Berliner Stadtkerns gestern und heute” entnommen.
“Mitte auf Augenhöhe – Straßen und Plätze des Berliner Stadtkerns gestern und heute” / 144 Seiten, 19,80 € / Lukas Verlag 2020
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