Nur noch wenig zeugt heute von der einst prachtvollen, historischen Berliner Altstadt. Großprojekte wie der Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses oder die Rekonstruktion des Molkenmarktes zeigen das Bestreben des Berliner Senats, die Strukturen des alten Berlin zumindest punktuell wieder sicht- und erfahrbar zu machen.

Gelungene Rekonstruktion historischer Baustrukturen

Aber es gibt auch Bauprojekte kleinerer Dimension, bei denen eine gelungene Rekonstruktion historischer Baustrukturen bereits gelungen ist. Am Beispiel der Parochialkirche in Mitte lässt sich sehr gut ablesen, wie ein gelungener Wiederaufbau möglich ist und sogar durch ansprechend geplante Neubauten sinnvoll ergänzt werden konnte.

Die Parochialkirche ist einer der ersten Kirchenneubauten nach der Reformation in Berlin. Bis zu ihrer Zerstörung im Zweiten Weltkrieg war sie – vor allem wegen ihres markanten Turms und des berühmten Glockenspiels mit seinen 37 Glocken – eine der bekanntesten Kirchen der Stadt.

Parochialkirche: Fertigstellung 1714, Zerstörung 1944

Die Grundsteinlegung erfolgte am 15. August 1695, kurz darauf verstarb Baumeister Johann Arnold Nering, der neben Schlüter als einer der bekanntesten Barock-Baumeister der Stadt gilt. Landbaumeister Martin Grünberg setzte die Arbeit fort. Der Sakralbau wurde nach fast 20-jähriger Bauzeit fertiggestellt.

Während des Zweiten Weltkriegs, im Mai 1944, wurde die Kirche von Brandbomben getroffen. Der Turm stürzte in das Kirchenschiff, das gesamte Inventar verbrannte, fast alle Glocken schmolzen.

1946 richtete sich die Gemeinde im Turm einen Andacht-Saal ein, in dem bis 1990 Gottesdienste gefeiert wurden. Von 1987 bis 2003 wurde die Kirche dann mit Unterstützung der Landesdenkmalamtes, der Deutschen Stiftung Denkmalschutz und der Landeskirche umfassend saniert. Der berühmte Kirchturm konnte bis 2016 allerdings nicht wiederaufbebaut werden.

Wiederaufbau des Glockenturms nach 72 Jahren

Vor vier Jahren dann, 72 Jahre nach seiner Zerstörung, wurde der Turm der Parochialkirche wieder aufgebaut und gehört heute zu den sehenswertesten architektonischen Bauwerken der alten und neuen Berliner Mitte.

Auch die einstmals 37 Glocken im Turm wurden wieder hergestellt und werden heute rege genutzt. Täglich erklingt ein beeindruckendes  Glockenspiel im Klosterviertel, welches weithin hörbar ist. Der inzwischen ebenfalls sanierte Parochial-Kirchhof und die unter der Kirche befindliche Gruft zählen zu den beeindruckendsten Zeugnissen religiöser Kultur in der Stadt.

Moderne Neugestaltung des Innenraums

Vor allem die moderne und markante Neukonzeption des Innenraums im historischen Kirchenschiff hat die Kirche nicht nur als Gotteshaus, sondern auch als Veranstaltungsort bekannt gemacht. Ergänzt werden Kirche und Kirchhof durch ein Neubauprojekt, welches den Namen “Klostergärten” trägt.

Gebaut wurde hier ein klassisches und elegant angelegtes Wohnhaus, das sich harmonisch in das historische Umfeld einfügt. Das Gebäude grenzt direkt an den Kirchhof und ermöglicht den Mietern die Sicht auf das historische Kirchengelände.

Neubauprojekt in direkter Nachbarschaft: “Klostergärten”

Das Wohnhaus liegt zwischen der Parochialkirche und dem denkmalgeschützten, ehemaligen Geschäftshaus der Gebrüder Tietz aus dem Jahre 1906. Insgesamt wurden hier 47 Eigentumswohnungen im sechsgeschossigen Gebäude untergebracht. Sämtliche Wohnungen waren bereits vor Fertigstellung des Gebäudes verkauft.

Die beiden Gebäudeflügel der Wohnanlage “Klostergärten” umschließen einen Innenhof, der sich zum Grundstück der Parochialkirche hin öffnet und mit diesem durch ein Gartentor verbunden ist. Von der Klosterstraße aus führt ein repräsentativer, zweigeschossiger Durchgang in den Hofgarten, in dem sich vier Aufgänge zu den einzelnen Hausbereichen befinden.

Vorbild für gelungene, historische Rekonstruktion

Die Klosterstraße in Mitte ist also definitiv einen Ausflug wert, und die außerordentlich gelungene Rekonstruktion des Kirchengeländes um die Parochialkirche kann als Vorbild für weitere historische Areale der Stadt dienen.

Einen umfassenden Überblick über Berlins historische Altstadt gibt das sehr lesenswerte Buch “Mitte auf Augenhöhe” von Benedikt Goebel und Lutz Mauersberger, welches im Lukas Verlag erschienen ist.

 

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5 Comments

  1. […] Remineszenz an das Vergangene versucht wurde, wie etwa beim Wiederaufbau des Nikolaiviertels, der Rekonstruktion der Parochialkirche oder der konzeptionell überarbeiteten James Simon Galerie. Auch beim Projekt “House of […]

  2. […] erste Neubau, der in diesem Umfeld entsteht und versucht, historische Gegebenheiten aufzugreifen. In unmittelbarer Nachbarschaft zur Parochialkirche ist das Wohnungsprojekt “Klostergärten&#82… und bildet eine gut funktionierene Symbiose aus bestehenden und neuen […]

  3. […] einige von ihnen haben wir auf ENTWICKLUNGSSTADT bereits berichtet, wie etwa die Rekonstruktion der Parochialkirche im Klosterviertel oder den Bau des House of One am Petriplatz. Viele dieser Projekte gehen auf private Initiativen […]

  4. […] den Bezug zur einstmaligen Berliner Altstadt herstellen. Der Wiederaufbau des Humboldt-Forums, die Rekonstruktion der Parochialkirche oder die Diskussion um den Neubau der Mühlendammbrücke sind nur einige prominente […]

  5. […] erste Neubau, der in diesem Umfeld entsteht und versucht, historische Gegebenheiten aufzugreifen. In unmittelbarer Nachbarschaft zur Parochialkirche ist das Wohnungsprojekt “Klostergärten” real… und bildet eine gut funktionierene Symbiose aus bestehenden und neuen […]

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