Während ein nicht realisiertes Sozialwohnungsprojekt in der „Europacity“ vor Gericht landet, plant der Senat an anderer Stelle neue Wohnungen. Auf Grundstücken, die bislang für den Bau der City-S-Bahn S21 benötigt wurden, sollen in den kommenden Jahren 150 neue Wohnungen entstehen.

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Kürzlich berichteten wir noch über das juristische Ringen des Berliner Senats um fehlende Sozialwohnungen in der neu entstehenden „Europacity„. Im 61 Hektar großen Neubaugebiet in Berlin-Moabit sollten bei einem der zahlreichen Bauprojekte nach einem städtebaulichen Vertrag von 2016 insgesamt 215 geförderte Sozialwohnungen entstehen.
Stattdessen werden die Wohnungen nun als möblierte Apartments für bis zu 1.500 Euro monatlich angeboten. Nachdem zahlreiche Medien in den vergangenen Monaten das Vorgehen des Senats als „zu zaghaft“ kritisiert hatten, zieht dieser laut RBB nun Konsequenzen und hat Klage gegen die aktuellen sowie die früheren Eigentümer eingereicht.
„Europacity“ in Moabit: Berliner Senat will 150 neue Wohnungen errichten
Bis diese Auseinandersetzung von den Gerichten entschieden ist, werden wohl noch einige Jahre ins Land ziehen. In der Zwischenzeit verfolgt der Berliner Senat allerdings ein weiteres Wohnungsbauprojekt, welches ebenfalls in der „Europacity“ umgesetzt werden soll, auf mehreren Grundstücken zwischen Heidestraße, Minna-Cauer-Straße und Döberitzer Straße.
Die Grundstücke befinden sich im südlichen Teil des Quartiers, angrenzend an die Freifläche „Döberitzer Grünzug“ und den Europaplatz, der sich nördlich des Hauptbahnhofs befindet und in den kommenden Jahren umgestaltet werden soll. In der Nachbarschaft zu den potenziellen Baufeldern soll in den kommenden Jahren auch das Kultur- und Gewerbeprojekt „Bechstein Campus“ entstehen.
An der Minna-Cauer-Straße in Berlin-Mitte soll bezahlbarer Wohnraum entstehen
Der Berliner Senat verfolgt mit dem kürzlich kommunizierten Vorhaben allerdings gänzlich andere Pläne, nämlich die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum. Demnach sollen 150 neue Wohnungen entstehen, wie die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen in einer knappen Mitteilung kommuniziert.
Auffällig ist dabei, dass die Senatsverwaltung das Bauvorhaben von vornherein als Projekt mit übergeordneter Bedeutung einstuft: „Der Geltungsbereich des Bebauungsplans liegt im Gebiet von außergewöhnlicher stadtpolitischer Bedeutung. Die Zuständigkeit zur Durchführung des Bebauungsplanverfahrens liegt deshalb bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen. Der Bebauungsplan wird im beschleunigten Verfahren nach § 13a BauGB als Bebauungsplan der Innenentwicklung aufgestellt.“
Berliner Senat übernimmt Projekthoheit: Projekt mit „außergewöhnlicher stadtpolitischer Bedeutung“
Dies bedeutet, dass der Bezirk Mitte von vornherein vom Berliner Senat überstimmt worden ist, was die Weisungshoheit für das Projekt angeht. Zudem soll das Projekt in verkürzter Bauzeit entstehen, basierend auf den Grundlagen des Baugesetzbuches, wo es wie folgt heißt: „Ein Bebauungsplan für die Wiedernutzbarmachung von Flächen, die Nachverdichtung oder andere Maßnahmen der Innenentwicklung (Bebauungsplan der Innenentwicklung) kann im beschleunigten Verfahren aufgestellt werden.“
Mit der Einstufung des Projekts als Bauvorhaben mit außergewöhnlicher stadtpolitischer Bedeutung möchte der Senat offenbar Kompetenz-Streitigkeiten vermeiden, die es mit den Berliner Bezirken zuletzt bei verschiedenen Bauvorhaben gegeben hat – sei es beim langwierigen Planungsprozess für das Projekt „Neulichterfelde“ im Bezirk Steglitz-Zehlendorf, beim Gewerbeprojekt „Urbane Mitte“ in Friedrichshain-Kreuzberg oder beim unsäglichen Streit um das Hochhausprojekt „Central Tower“ im Bezirk Mitte.
Die Grundstücke in der „Europacity“ waren bislang mit der Baustelle für die City-S-Bahn S21 belegt
Neben den geplanten 150 Wohnungen sollen aber auch Gewerbeflächen entwickelt werden. So heißt es in der Mitteilung der Senatsverwaltung wörtlich: „Für die weiteren Grundstücke ist eine gewerbliche Nutzung geplant, die durch eine lebendige Erdgeschosszone ergänzt wird.“
Das betreffende Areal des Bebauungsplans 1-62c erstreckt sich über die bislang unbebauten Grundstücke entlang der Heidestraße, an der Ecke zur Minna-Cauer-Straße. Über viele Jahre hinweg waren diese Flächen lediglich temporär planfestgestellt und dienten als Standort für Baustelleneinrichtungen im Zuge des Baus der S-Bahnlinie S 21.
Die Deutsche Bahn hatte zuletzt angekündigt, dass die Inbetriebnahme der neuen Linie im ersten Quartal 2025 erfolgen soll. Obwohl ein genauer Termin noch fehlt, werden die Grundstücke nun nicht mehr als Baustellenflächen benötigt, so dass die städtebaulichen Planungen für die Grundstücke wieder aufgenommen werden können.
Wohnprojekt in der „Europacity“: Modell der kooperativen Baulandentwicklung wird angewandt
Im Zuge des Projekts möchte der Senat, wie gewohnt, das Modell der kooperativen Baulandentwicklung ansetzen. Das bedeutet, dass ein Teil der Wohnungen als vom Land Berlin geförderter Wohnraum vertrieben werden soll. Üblicherweise werden dabei auch landeseigene Wohnungsbauunternehmen in die Projekte involviert – entweder in Zusammenarbeit mit einem privaten Wohnungsbauunternehmen oder in vollständiger Eigenregie.
Durch die nun frei werdenden Grundstücke besteht die Möglichkeit, weitere Wohnflächen in der „Europacity“ zu realisieren – dieses Mal ohne juristische Auseinandersetzungen und mit einem beschleunigten Planungsprozess. So wünscht es sich jedenfalls der Berliner Senat. Wie schnell die geplanten Wohnungen tatsächlich umgesetzt werden, bleibt jedoch abzuwarten.
Quellen: Baugesetzbuch, Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, RBB, Der Tagesspiegel, Berliner Morgenpost, Berliner Zeitung, Architektur Urbanistik Berlin
[…] In Berlin-Moabit steht die „Europacity“ im Fokus rechtlicher Auseinandersetzungen, nachdem ein ursprünglich geplantes Sozialwohnungsprojekt nicht realisiert wurde. Statt der angekündigten 215 geförderten Sozialwohnungen werden jetzt hochpreisige, möblierte Apartments angeboten, die Mieten von bis zu 1.500 Euro monatlich erreichen. Der Berliner Senat hat Klage gegen die aktuellen und früheren Eigentümer eingereicht, um die rechtlichen Grundlagen für die fehlenden Sozialwohnungen durchzusetzen. Dies berichtet entwicklungsstadt.de. […]