Am Berliner Reichstag soll ein festes und baulich ansprechendes Besucherzentrum entstehen. Besucher sollen zukünftig über einen unterirdischen Tunnel ins Parlamentsgebäude gelangen. Erste Bautätigkeiten für das Projekt haben nun begonnen. Doch es ist nicht das einzige Bauvorhaben, was rund um das Reichstagsgebäude geplant ist.
© Visualisierungen: Markus Schietsch Architekten GmbH
Text: Björn Leffler
Im Berliner Regierungsviertel soll in den kommenden Jahren viel Erde bewegt werden, in unterschiedlichen Projekten. Zwei Tunnel und ein Sicherheitsgraben in bemerkenswerter Ausführung sollen den Untergrund und das oberirdische Erscheinungsbild rund um das Reichstagsgebäude nachhaltig verändern.
Das größte Bauvorhaben ist der geplante Weiterbau der S-Bahnlinie S21 vom Berliner Hauptbahnhof bis zum Potsdamer Platz. Später soll die Strecke weiter bis hinunter zur Yorckstraße führen. Geplante Fertigstellungstermin für das Infrastrukturprojekt ist das Jahr 2037.
Bahnprojekt “S21”: Eine Tunnelröhre durch das Regierungsviertel
Der Berliner Senat hatte im Dezember 2023 grünes Licht für die Realisierung der S-Bahn-Strecke zwischen dem Hauptbahnhof und dem Potsdamer Platz gegeben. Dieser Beschluss ermöglicht es der Bahn, gemäß ihrer bevorzugten Variante für den Tunnelverlauf das Planfeststellungsverfahren für das Verkehrsprojekt einzuleiten.
Das S-Bahn-Projekt wird erhebliche Auswirkungen auf die Umgebung rund um das Regierungsviertel und das Brandenburger Tor haben. Im Rahmen der Planungen ist vorgesehen, für mehrere Jahre eine raumgreifende Baugrube direkt vor dem Brandenburger Tor einzurichten.
Zweiter Tunnel: Neubau des Besucherzentrums am Reichstag
Ein zweiter, allerdings deutlich kleinerer Tunnel ist im Rahmen des geplanten Neubaus eines festen Besucherzentrums direkt am historischen Reichstagsgebäudes geplant. Die derzeitige, provisorische Lösung ist nicht nur ausgesprochen unflexibel und stößt längst deutlich an ihre Kapazitätsgrenzen, auch optisch ist sie wenig erbaulich.
Durch die Errichtung eines neuen Besucher- und Informationszentrums, kurz “BIZ”, soll das provisorische Sicherheitskontrollgebäude aus Containern perspektivisch abgelöst werden. Jährlich besuchen rund 2,5 Millionen Besucher das Parlamentsgebäude.
Neuer Empfang mit Gastronomieangebot und Seminarräumen
Der Neubau wird zukünftig als zentraler Eingang für Besucherinnen und Besucher am Platz der Republik funktionieren. Ziel des Projekts ist es, das Provisorium durch eine städtebaulich, architektonisch und funktional angemessene, dauerhafte Lösung zu ersetzen.
Darüber hinaus ist ein flexibler Empfangs- und Informationsbereich geplant. Zudem sollen Räume für Seminar- und Diskussionsveranstaltungen sowie ein Gastronomieangebot für die Gäste eingerichtet werden.
Künftig soll der Reichstag für Besucher nur noch unterirdisch erreichbar sein
Vom neuen Besucherzentrum wird ein geschlossener Fußgängertunnel zum Reichstagsgebäude führen. Damit soll gewährleistet werden, dass nur eine einzige Sicherheitskontrolle für die Besucher nötig wird.
Zunächst wird im Rahmen der eigentlichen Baumaßnahmen eine neue unterirdische Kältezentrale für den Bundestag errichtet. Da diese bereits geplant war, wurden die Bauarbeiten für sie und das Besucherzentrum kombiniert.
Kosten für das neue Besucherzentrum: Knapp 193 Mio. Euro
Im zweiten Schritt soll dann der Tunnel gebaut werden. Die Kosten sind von den ursprünglich veranschlagten 150 Millionen Euro auf mittlerweile 192,5 Millionen Euro gestiegen – Stand jetzt.
Wie der RBB berichtet, haben die vorbereitenden Bauarbeiten für das Besucherzentrum vor dem Bundestag mittlerweile begonnen. Dennoch ist das Projekt sehr langfristig angelegt, da es Abhängigkeiten mit dem komplexen Tunnelbauprojekt für die S21-Linie gibt, die das Projekt verzögern könnten.
Bis 2030 soll das neue Empfangsgebäude fertig werden
Läuft alles wie geplant, soll das neue Besucherzentrum samt Fußgängertunnel in rund sechs Jahren fertiggestellt werden – eine selbst für Berliner Verhältnisse ausgesprochen lange Bauzeit. Doch der schwierige Untergrund und die Querverbindungen mit den anderen Projekten S21 und Kältezentrale werden den Baufortschritt deutlich verlangsamen.
Das dritte große Aushubprojekt soll direkt vor dem Reichstagsgebäude umgesetzt werden. Hier ist allerdings nicht der Bau eines Tunnels geplant, sondern die Schaffung eines Sicherheitsgrabens. So sollen die unschönen, provisorischen Absperrgitter, die das Bild heute dominieren, durch eine bauliche Anpassung des Areals ersetzt werden.
“Aha”-Graben soll provisorische Absperrgitter ersetzen
Ein so genannter “Aha”-Graben soll auf dem Platz der Republik vor dem Hauptportal des Gebäudes errichtet werden. Mit dem „Aha“-Graben wird ein seit dem 19. Jahrhundert gängiges Gestaltungselement der Gartenbaukunst, dessen Ursprünge in der Planung englischer Landschaftsparks liegen, angewandt.
„Aha“-Graben bedeutet, dass ein von der Hausseite unsichtbarer Graben installiert wird. Dieser Graben, der im Gegensatz zu Mauern oder Zäunen für den Blick in die Ferne unsichtbar ist, lässt die Grenze zwischen Gebäude und der umgebenden Landschaft als dessen Fortführung erscheinen.
bisherige Stahlgitter reichen nicht aus, um Gefahrensituationen abzuhalten
Die neue Infrastruktur zielt darauf ab, die Sicherheit des Bundestages zu erhöhen. Bisher war der Eingang am Platz der Republik lediglich mit den genannten Stahlgittern abgesperrt. Jedoch hat sich gezeigt, dass dies in bestimmten Situationen unzureichend sein kann, wie im August 2020, als vorwiegend rechtsradikale Demonstranten die Treppen des Bundestages stürmten und beinahe in das Parlament eindrangen.
Künftig wird ein neuer, fest installierter Zaun zusammen mit dem “Aha”-Graben den sogenannten Sicherheitsperimeter bilden. Dieser wird für Besucher dann nur noch über den unterirdischen Tunnel überwindbar sein. Das Umfeld des Reichstagsgebäudes wird sich in den kommenden Jahren also stark verändern.
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Quellen: Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, Markus Schietsch Architekten GmbH, Architektur Urbanistik Berlin, RBB
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