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Berlins Bauwerke der Moderne, Teil 9 – Das Regierungsviertel

In unserer Artikelreihe widmen wir uns den bedeutenden Berliner Bauwerken der Nachwendezeit, die das Stadtbild der deutschen Hauptstadt bis heute prägen. Im neunten Teil der Serie behandeln wir das Berliner Regierungsviertel im Bezirk Mitte, dessen zentrales Bauwerk, das “Band des Bundes”, zweimal die Spree überspannt – und längst nicht fertig gebaut ist.

© Bilder: depositphotos.com
Text: Annett Jäger

Das Regierungsviertel

Das Regierungsviertel in Berlin bildet den Kern des politischen Zentrums in der Hauptstadt der wieder vereinten Republik. Es ist kein Stadtteil für sich, sondern das Areal, auf welchem die Gebäude der Bundesregierung Deutschlands und des Bundestages errichtet wurden.

Die aufwendig gestalteten Bauten ziehen sich seit Ende der 1990er Jahre in einem Gebäude-Band entlang der Spree, wobei das Gebiet nicht ganz klar definiert ist und sich zwischen den Stadtteilen Tiergarten und Mitte erstreckt.  

Das Regierungsviertel in Berlin: Ein unvergleichliches Areal

Das Areal zwischen Politik und Geschichte mit seiner Größe von fast 270 Hektar knüpft geografisch an das Regierungsviertel aus dem ehemaligen Deutschen Reich an.

Auch heute, nach mehr als 20 Jahren, ist das Regierungsviertel immer noch eine Baustelle, auf der im großen Stil neue Gebäude errichtet und erweitert werden. Direkt an der Spree gelegen ist das Grundstück mit dem Reichstagsgebäude und dessen beeindruckender, begehbarer Dachkuppel sowie dem Bundeskanzleramt mit seiner ausdrucksstarken Architektur. Beide Bauwerke gehören heute zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Stadt Berlin.

Wo vor einigen Jahrzehnten die Berliner Mauer eine dunkle Grenze durch das Stadtbild der heutigen Bundeshauptstadt zog, erstreckt sich nun das Gelände zwischen Mitte und Tiergarten mit den großzügig angeordneten Bauten. Das Ensemble des „Band des Bundes“ mit den Hauptgebäuden Kanzleramt, dem Paul-Löbe-Haus und dem Marie-Elisabeth-Lüders-Haus gilt als Symbol der Verbindung zwischen den einst geteilten Stadtteilen und jahrzehntelanger politischer Trennung.

Regierungsviertel Berlin: Das Zentrum der politischen Macht

Das politische Herz Deutschlands schlägt in der Mitte Berlins. Im Regierungsviertel findet man die wichtigsten Institutionen der Legislative und Exekutive des Landes. Hier hat nicht nur das Kanzleramt seinen Sitz. Auch die Beamten, Abgeordneten, Landesvertreter und Minister von Bundesrat und Bundestag tummeln sich in diesem Zentrum deutscher Politik.

Begrenzt wird das Regierungsviertel im Westen durch das Schloss Bellevue, welches als Sitz des Bundestagspräsidenten dient. Die südliche Grenze bildet die Zimmerstraße und im Osten läuft das Regierungsviertel an der Luisenstraße aus, begrenzt durch den Charité-Campus Mitte.

Die Grenzen im Norden und Nordosten bestehen aus der Invalidenstraße und der Friedrichstraße. Das sogenannte “Band des Bundes” am Spreebogen wird dominiert durch die drei Parlamentsgebäude des Regierungsviertels: dem Bundeskanzleramt, dem Paul-Löbe-Haus sowie dem Marie-Elisabeth-Lüders-Haus, während sich alle dazugehörigen Bauten rechts und links entlang der Spree auf dem ehemaligen Todesstreifen formieren.

Mit dem Fall der Mauer rückte das Gebiet wieder in den Fokus der Stadtplanung. Nach der ersten Sitzung des deutschen Parlaments am 04. Oktober 1990 wurde für das heutige Regierungsviertel ein ganz neues Kapitel aufgeschlagen. Wenngleich mehr als die drei Parlamentsgebäude das Regierungsviertel ausmachen, bilden diese im engeren Sinne des Zentrum des Quartiers.

Bundestagsbeschluss 1991: Berlin wird wieder Hauptstadt

Anstoß für das Projekt „Regierungsviertel Berlin“ war der Beschluss des deutschen Bundestages aus dem Jahr 1991: Berlin sollte wieder zur Hauptstadt Deutschlands werden. Das Resultat: Im Rahmen der damals beschlossenen “Entwicklungsmaßnahme Hauptstadt Berlin – Parlaments- und Regierungsviertel” wurden in den Jahren ab 1993 mehr als 450 Einzelprojekte mit einem Gesamtvolumen von mehreren Milliarden Euro in Zusammenarbeit von Bund, Land und Stadt umgesetzt.

Während der ursprünglich Plan ein vollständig neu erbautes Regierungsviertel vorsah, trennte man sich aufgrund der hohen Kosten von dieser Idee und griff in einem neuen Entwurf auf bereits vorhandenen Bestandsbauten zurück und ergänzte diese. Folgende Neubauten kamen hinzu:

Das Bundeskanzleramt

Nach einer aus heutiger Sicht erstaunlich kurzen Bauzeit von nur vier Jahren wurde das Bundeskanzleramt im Regierungsviertel 2001 eröffnet. Den Entwurf für den umstrittenen, monumentalen Baukomplex lieferten die Berliner Architekten Axel Schultes und Charlotte Frank mit ihrem Entwurf für das neue Regierungsviertel. Von ihnen stammte die Idee des „Band des Bundes“, welches heute die Spreeufer des ehemaligen Ost- und West Berlins zusammenführt.

Der mittlere Teil des Kanzleramtes wird flankiert von zwei langen Gebäudezeilen, die Platz für Wintergärten und die Büros der rund 450 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schaffen. Während der mittlere Kubus sich mit seinen 36 Metern Höhe nicht an die Berliner Traufhöhe von 22 Metern hält, fallen die Seitenteile mit 18 Metern vorschriftsmäßig aus.

Das Bundeskanzleramt in Berlin ist nicht nur achtmal so groß wie das Weiße Haus in Washington, es ist darüber hinaus das größte Regierungshauptquartier der Welt. Das Gebäude, welches im Berliner Volksmund auch als “Waschmaschine” oder “Kohllosseum” (in Anlehnung an den ehemaligen Bundeskanzler Helmut Kohl) bekannt geworden ist, zeichnet sich durch den Stil der Postmoderne aus, der vor allem in den 1990er Jahren dominierte.

Das Paul-Löbe-Haus

Das Paul-Löbe-Haus zählt ebenfalls zum “Band des Bundes”. Nur wenige Meter vom Kanzleramt entfernt steht das Funktionsgebäude des Bundestages auf dem Gelände des ehemaligen Alsenviertels – einem einstigen Botschaftsviertel Berlins – am südlichen Rand des Spreebogenparks.

Die verglaste Fläche am Eingang des Gebäudes, in welcher sich das gegenüberliegende Kanzleramt widerspiegelt, steht für seine Transparenz: Besucherinnen und Besucher sollen sich willkommen fühlen. Namensgeber des Parlamentsgebäudes, welches zusammen mit dem Marie-Elisabeth-Lüders-Haus eine architektonische Einheit bildet, ist der ehemalige Reichstags- und Alterspräsident des ersten Deutschen Bundestags, Paul Löbe.

Verbunden werden die beiden Gebäude durch zwei Brücken. Der Münchner Architekt Stephan Braunfels, der beide Häuser entworfen hat, nennt diese Brücken „Sprung über die Spree“. Volkstümlich wird die obere der beiden, die nur den Abgeordneten zugänglich ist, als „Beamtenlaufbahn“ bezeichnet.

Geprägt ist das 200 Meter lange und 102 Meter breite Haus von dem Gedanken der Offenheit. Dafür stehen die grünen Innenhöfe und die von außen einsehbaren Rotunden mit den je drei doppelstöckigen Sitzungssälen des Parlamentsgebäudes. Die sieben Geschosse des Paul-Löbe-Hauses bieten ausreichend Platz für die Abgeordnetenbüros und die Ausschuss-Sitzungssäle des Deutschen Bundestages.

Marie-Elisabeth-Lüders-Haus

Das Marie-Elisabeth-Lüders-Haus ist das dritte Parlamentsgebäude an der Spree in Berlin. Heute wird das Haus, welches seinen Namen der Sozialpolitikerin und Frauenrechtlerin Marie Elisabeth Lüders verdankt, als ewige Baustelle oder „BER 2.0“ betitelt.

Der 2010 begonnene Erweiterungsbau, mit Namen Marie-Elisabeth-Lüders Haus II, konnte bis heute nicht abgeschlossen werden. Geplant als östlicher Abschluss des Band des Bundes entpuppte sich dieses Gebäude – mit Rissen in der Bodenplatte, durch die Wasser eingedrungen ist – als dauerhafter Sanierungsfall im Regierungsviertel.

Entsprechend seiner angedachten Funktion eines zugänglichen, öffentlichen Mahnmals zur Erinnerung an die Teilung Deutschlands und der Berliner Mauer – denn genau an deren Stelle steht das Parlamentsgebäude – wurde eine Installation aus Segmenten der einstigen Mauer im  Inneren des Gebäudes errichtet. Während das Äußere des Hauses mit seiner leicht geschwungenen, lang zur Spree auslaufenden Treppe, der gläsernen Bibliothek und der Öffnung zum Sitzungssaal in der Betonfassade Weite vermittelt, wird das Innere des Parlamentsgebäudes von Licht geprägt.

Mit dem Erweiterungsbau, welcher einen 36 Meter hohen Turm inkludiert, sowie dem öffentlich zugänglich gemachten Bistro inklusive 50 Innenplätzen und 150 Außenplätzen auf der Spreeseite des Hauses soll der einladende Charakter des Parlamentsgebäudes zusätzlich unterstrichen werden. Bis 2024 soll der Bau nun tatsächlich abgeschlossen werden.

viel Beton und wenig grün im Berliner Regierungsviertel

„Kieziger“ würden sich die Berliner das Regierungsviertel wünschen, welches sich ihrer Meinung nach durch zu viel Beton, zu wenig Grün und fehlender Gastronomie auszeichnet. Das Gelände hat außer mit Bauschäden ab und an  auch mit Flüchtlingen und Obdachlosen sowie seinem seltsam undefinierten Image zu kämpfen.

Von einigen als Parallelwelt für Politiker und Lobbyisten bezeichnet, werden von anderen die architektonischen Leistungen der Neubauten bestaunt. Der Spreebogenpark lädt zum Spazierengehen und Verweilen ein und ist sowohl bei Einheimischen als auch bei den Touristen äußerst beliebt. Diese werden außerdem von interessanten Stadtführungen und den vielen Kultureinrichtungen angezogen, welche teilweise in die Regierungsgebäude integriert wurden oder das Regierungsviertel einrahmen. 

 

Weitere Teile der Reihe könnt Ihr hier mit ENTWICKLUNGSSTADT PLUS lesen:

Serie: Berlins Bauwerke der Moderne, Teil 4 – Das Jüdische Museum

Serie: Berlins Bauwerke der Moderne, Teil 6 – Der Berliner Hauptbahnhof

Berlins Bauwerke der Moderne, Teil 7 – Sanierung der Staatsbibliothek

Berlins Bauwerke der Moderne, Teil 8 – Zoofenster & Upper West

Weitere Artikelreihen findet Ihr hier

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