In unserer neuen Artikelreihe widmen wir uns den bedeutenden Berliner Bauwerken der Nachwendezeit, die das Stadtbild der deutschen Hauptstadt bis heute prägen. Im vierten Teil der Serie behandeln wir den Neubau des Jüdischen Museums in Kreuzberg.

 

© Fotos: Celine Hellriegel
Text: Annett Jäger

Das jüdische museum berlin

Das Jüdische Museum Berlin – zu finden im Berliner Stadtteil Kreuzberg – beeindruckt mit seiner räumlichen Gestaltung jüdischer Geschichte. Durch die Erweiterung bzw. den Neubau des Architekten Daniel Libeskind wird dem Gebäudekomplex eine spektakuläre Ausstrahlung mit starker Symbolkraft verliehen, welche sowohl die Besucher Berlins als auch die Einwohner der Stadt immer wieder aufs Neue in seinen Bann zieht.

Das Jüdische Museum Berlin wurde 2001 eröffnet und gilt als eines der herausragendsten Gebäude unter den europäischen Museen. Innerhalb Europas ist es das größte jüdische Museum.

Für den Neubau des Jüdischen Museums in Berlin, wie man es heute kennt, wurde mit dem barocken Altbau des vormaligen Berliner Museums ein bereits vorhandenes Gebäude genutzt, sodass das Museum aus einem Gebäudeensemble aus dem ehemaligen Kollegienhaus in der Berliner Lindenstraße, der gegenüber liegenden, einstigen Blumengroßmarkthalle und dem sogenannten Erweiterungsbau von Daniel Libeskind – einem amerikanischen Architekten mit polnisch-jüdischen Wurzeln – besteht.

Bereits 1971 wurde – im Zuge der Feierlichkeiten zum 300-jährigen Bestehen der Jüdischen Gemeinde zu Berlin – die Umgestaltung des stadtgeschichtlichen Berlin-Museums im amerikanischen Sektor der Stadt zu einem Jüdischen Museum beschlossen.

18 Jahre nach diesem Beschluss erhielt der Architekt Daniel Libeskind in einem ausgerufenen Architekturwettbewerb den Zuschlag für den Neubau des Jüdischen Museum Berlins. Im Jahr 1992 konnte der erste Grundstein für das Projekt gelegt werden. Begleitet durch heftige Diskussionen und kontroverse Debatten wurde das Museum 1999 fertiggestellt und zwei Tage nach den Anschlägen des 11. Septembers 2001 für das Publikum eröffnet werden.

Diskussionen um Neubau des Jüdischen Museums Berlin

Während der Bau des Jüdischen Museums nach den Vorlagen von Liebeskind voranschritt, kam es immer wieder zu teils heftigen Debatten, welche sich um Themen wie die inhaltliche Ausrichtung des Museums und dessen finanzielle als auch administrative Eigenständigkeit drehten. Die Lösung sollte damals die Ernennung des ehemaligen US-amerikanischen Finanzministers W. Michael Blumenthal zum Direktor des Museums bringen.

Dieser schaffte es letztendlich, die Eigenständigkeit des Hauses durchzusetzen. 1999 wurde das Jüdische Museum Berlin in eine Stiftung überführt, welche zunächst unter der Schirmherrschaft des Berliner Senats stand.

Im Jahr 2001 wurde die Stiftung an den Bund übergeben. Damit erhielt das Museum den Status einer bundesunmittelbaren Stiftung sowie einer eigenständigen juristischen Person des öffentlichen Rechts und wurde zudem Bestandteil der mittelbaren Staatsverwaltung des Bundes.

Barocke und moderne Architektur vereint

Das heutige Jüdische Museum Berlin umfasst das barocke Kollegienhaus in der Lindenstraße und das als zerbrochenen Davidstern dargestellte, zackenförmige, neu entstandene Gebäude des Architekten Daniel Libeskind.

Die auf der gegenüberliegenden Seite der Lindenstraße ansässige „W. Michael Blumenthal Akademie“ – einst als Blumengroßmarkthalle genutzt und ebenfalls nach einem Entwurf von Libeskind errichtet – beherbergt neben dem Archiv und der Museumspädagogik die Ausstellungsfläche “ANOHA”. Die “ANOHA” ist die sogenannte „Kinderwelt“ des Jüdischen Museums Berlin und wurde im Jahr 2021 eröffnet.

Neben dem barocken Bau des ehemaligen Berlin Museums erzählt das moderne Gebäude Libeskinds einen Teil jüdischer Geschichte, der von Widerstand und Gebrochenheit berichtet. Seinen Entwurf für dieses außergewöhnliche Architekturkonzept nannte Libeskind “Between the lines“ – ein Name, der sich im zersplitterten Grundriss des Gebäudes eindrucksvoll widerspiegelt.

Die Gliederung des Hauses durch die drei sich kreuzenden Achsen im Untergeschoss symbolisiert die Geschichte jüdischen Lebens in Deutschland: Sie stehen für Kontinuität, für das Exil und den Holocaust.

Mit verschiedenen Elementen innerhalb des neuen Museumsgebäudes gelingt es dem Architekten außerdem Eindrücke von Leere, Einsamkeit, Beklemmung sowie der Vertreibung und Vernichtung des jüdischen Volkes zu vermitteln.

Der Neubau des jüdischen Museums in Berlin zeigt sich den Besuchern von außen hermetisch abgeschlossen und ist nur über das ehemalige Kollegienhaus zu erreichen. Von hier aus gelangt man durch eine unterirdische Verbindung in die Dauerausstellung.  

Verwandlung vom Sitz der Justizverwaltung in ein Museum

Auch das sogenannte Kollegienhaus – ein 1735 erbautes, von Philipp Gerlach entworfenes königliches Palais – hat über die Jahre mehrere bautechnische Eingriffe erfahren. Vormals Sitz der königlichen Justizverwaltung, wurde es 1879 vom Kammergericht der Kurmark Brandenburg übernommen.

Im 19. Jahrhundert erfuhr das Palais neben der Erweiterung durch mehrere Anbauten auch eine innere Umgestaltung. 1913 siedelte das Kammergericht in ein größeres Gebäude um, sodass das Kollegienhaus fortan das Evangelische Konsistorium Berlins beherbergte.

Nach der weitestgehenden Zerstörung des Gebäudes im Zweiten Weltkrieg und dem Wiederaufbau in den Jahren zwischen 1963 bis 1969 wurde es zum stadtgeschichtlichen Berlin Museum, bevor es dann im Jahr 1993 einen erneuten Wandel durch Libeskind erfuhr.

2007 wurde der von der zweigeschossigen Flügelanlage umschlossene quadratische Hof abermals vom Architekten des Jüdischen Museums bearbeitet und mit einer Glasüberdachung – dem sogenannten „Glashof“ –  versehen.

große Begeisterung für das Museum hält unvermindert an

Schon zwei Jahre nach der Eröffnung war das Jüdische Museum in Berlin das am zweithäufigsten besuchte Museum Deutschlands. Und auch heute hält die Begeisterung der Menschen für die Libeskind-Architektur und die darin enthaltene Ausstellung in Berlin Kreuzberg an.

Oftmals wird Libeskinds Neubau als ein über den Zeiten stehendes Symbol jüdischer Geschichte bezeichnet – weist doch die bauästhetische Perfektion des Gebäudes tatsächlich trotz der Millionen Besucher bis heute keine nennenswerten Abnutzungserscheinungen auf.

Einige sind vom zinkverkleideten Museumsbau fasziniert, andere scheinen eher irritiert von den schiefen Gängen und den Scharten und Schlitzen gleichenden Fenstern. Das Museumsgebäude beherbergt nicht nur eine Ausstellung, sondern ist selbst ein Ausstellungsstück – sozusagen ein begehbares Kunstwerk hochmoderner dissonanter Architektur.

Zuletzt  eröffnete 2020 die neue Dauerausstellung nach einem zweijährigen Umbau ihre Pforten. Mit ihr wird facettenreich und interaktiv jüdische Geschichte und Gegenwart dargestellt und der Besucher dazu eingeladen, mit allen Sinnen in die jüdische Welt einzutauchen.

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