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Berlins Bauwerke der Moderne, Teil 7 – Sanierung der Staatsbibliothek

In unserer Artikelreihe widmen wir uns den bedeutenden Berliner Bauwerken der Nachwendezeit, die das Stadtbild der deutschen Hauptstadt bis heute prägen. Im siebten Teil der Serie behandeln wir eines der komplexesten Sanierungsprojekte Berlins überhaupt: die Modernisierung und Erweiterung der Staatsbibliothek Unter den Linden.

Ein spektakuläres Gebäude, für dessen Errichtung (11 Jahre) weniger Zeit aufgewandt werden musste als für seine Sanierung (15 Jahre): Die Staatsbibliothek Unter den Linden in Berlin-Mitte.

© Bilder: Staatsbibliothek Berlin
Text: Annett Jäger

Sanierung und Erweiterung der Staatsbibliothek Berlin

Die Berliner Staatsbibliothek – ein Prachtbau in der Mitte Berlins – ist als „Haus Unter den Linden“ bekannt und gehört zu den bedeutendsten Bibliotheksbauten der Welt. Als Stammhaus der größten wissenschaftlichen Bibliothek wurde das heutige Baudenkmal in den Jahren zwischen 1903 und 1914 errichtet. Seine Sanierung, aufwendige Modernisierung und Erweiterung erfolgte von 2005 bis 2019, sodass heute Teile der Staatsbibliothek zu Berlin und der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften in ihr Platz finden. 

Wechselhafte Geschichte eines der größten Gebäude der Stadt

Entworfen wurde der Komplex vom kaiserlichen Hofbaumeister Ernst von Ihne – genau wie das Bode-Museum, dessen geistiger Vater ebenfalls der Hofbaumeister ist.

Eine der Besonderheiten der Staatsbibliothek Unter den Linden ist, dass sie bereits während der Bauphase zwischen 1903 und 1914 umgebaut und erweitert wurde. So entstanden beispielsweise abweichend vom ursprünglichen Entwurf über dem Tonnengewölbe des Treppenhauses vier Geschosse mit zusätzlichen Magazinen.  

Schon damals war der Lesesaal als Höhepunkt der sich in ihrer repräsentativen Wirkung steigernden Räume des Komplexes einer der größten Kuppelbauten Berlins. Das gesamte Ensemble galt nach seiner Entstehung als der größte Bibliotheksbau der Welt. 

Die Zerstörung der Staatsbibliothek und die Beseitigung der Kriegsschäden

Der gesamte Komplex wurde, wie auch viele andere Gebäude Berlins, durch die Bomben des Zweiten Weltkrieges stark zerstört. In der DDR entschied man sich – wahrscheinlich aus Mangel an Alternativen – dazu, die Kuppel des Lesesaals 1975 zu sprengen und diesen letztendlich 1977 komplett abzureißen.

Stattdessen baute man in den gigantischen neobarocken Büchertempel vier neue Bürotürme für die Magazine. Mit der Wiedervereinigung Deutschlands fand auch die Zusammenführung der Staatsbibliothek Unter den Linden mit dem von dem deutschen Architekten Bernhard Hans Henry Scharoun erbauten Haus auf der Potsdamer Straße am West-Berliner Kulturforum statt. 

Mit dem dringend notwendigen Beschluss zur Grundinstandsetzung der historischen Bibliothek Unter den Linden wurde die Erweiterung der Staatsbibliothek in Berlin durch ein Ergänzungsbauwerk für einen Lesesaal und weitere Nutzungsmöglichkeiten festgelegt. 

Den dafür ausgeschriebenen Architekturwettbewerb konnte das Architekturbüro HG Merz für sich entscheiden. Ein Grund für den Zuspruch könnte die weitgehende Orientierung der Architekten an der originalen Charakteristik des Bestandsgebäudes gewesen zu sein. 

Die Sanierung und Erweiterung der Staatsbibliothek Berlin wurde in zwei Bauabschnitte unterteilt, um während der gesamten Bauzeit den Betrieb des Hauses zu gewährleisten. Ein Umstand, in dem die langen Baustellenphasen begründet sind.

Zweimal sieben Jahre dauerte und 470 Millionen Euro kostete das gesamte Unterfangen, welches zudem unter erschwerten Bedingungen umgesetzt werden musste. Durch die zum Teil äußerst beengten Baustellenverhältnisse waren beispielsweise verschiedene Baumaßnahmen zeitgleich nur eingeschränkt möglich. 

Sanierung und Modernisierung der Staatsbibliothek bis 2022

Die Vereinigung der beiden Bibliotheken von der Potsdamer Straße und dem Komplex Unter den Linden im Jahr 1992 ließ die Staatsbibliothek Berlin unter dem Namen Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz zu einer Bibliothek mit zwei Standorten werden. 

Im Haus Unter den Linden findet die historische Forschungsbibliothek ihren Platz. An der Potsdamer Straße dagegen ist die Forschungsbibliothek der Moderne zu Hause. Mit der Sanierung und Erweiterung der Staatsbibliothek Unter den Linden in Berlin fand endlich die denkmalgerechte Modernisierung der alten Gebäude und deren Ausstattung mit modernen Anlagen für IT und Digitalisierung statt. 

Dabei wurden während der fast 15 Jahre andauernden Bauarbeiten unter anderem 2.700 morsche Holzpfeiler durch Stahlbetonstreben ersetzt. Die Magazintürme aus DDR-Zeiten verschwanden und der neue, große Lesesaal trat an die Stelle des alten. 

Das berühmte Lipmann-Regalsystem – eine im Jahr 1914 hochmoderne Regalkonstruktion, die sowohl die Millionen Bücher als auch die Fassaden und das Dach der Bibliothek trägt – wurde saniert und die Magazine mit einer Klimaanlage ausgestattet. Selbst die Kuppel über dem Eingang erlebte eine Renaissance.

Da in all den Jahren der Bauzeit der Bibliotheks-Betrieb aufrechterhalten blieb, sprach man in Berlin von einer offenen Operation am Herzen der „Stabi Ost“ – wie die Staatsbibliothek in Berlin auch genannt wird. Lediglich Umzüge und Neueinrichtungen, die den gesamten Betrieb stark beeinflussten, sorgten für kurzzeitige Schließungen.

Zum Abschluss des zweiten Bauabschnittes im November 2019 fand die Schlüsselübergabe statt. Nachdem der Umzug der zahlreichen Bestände und Büros abgeschlossen war, konnte der Betrieb der Staatsbibliothek Unter den Linden 2020 wieder aufgenommen werden. Die Vollendung aller Bereiche dauerte allerdings noch bis 2022 an.

Die Staatsbibliothek Unter den Linden im Berlin von Heute

Heute verbirgt sich hinter der monumentalen, neobarocken Fassade ein technisch hochwertiger Bau, gepaart mit historischen Elementen, die den einstigen Charme des Hauses bewahren konnten.

Besucher, die von Unter den Linden in den Brunnenhof gelangen, erblicken zuerst eine meterhohe Fontäne und die Skulptur des DDR-Bildhauers Werner Stötzer aus dem Jahr 1961, den „Lesenden Arbeiter”. In unmittelbarer Nähe dazu stößt man auf ein Relief Bertolt Brechts: “Fragen eines lesenden Arbeiters”. Für die DDR war die Staatsbibliothek nicht nur ein gigantischer Wissensspeicher, sondern auch eine nationale Institution: identitätsstiftend und systemrelevant. 

Der wilde Wein, der vor langer Zeit wie ein Wandteppich die Fassade der „Stabi“ bedeckte, hat jedoch ziemlich gelitten. Dafür wird dem Besucher nun einen freier Blick auf das Treppenhaus und seiner unter einem imposanten Tonnengewölbe ruhenden, palastwürdigen Freitreppe gewährt. Diese führt empor zum Vestibül mit Pilastern, Säulen, Galerien und einer Kuppel, die ein leuchtend bunter Majolika-Ring aus farbig glasierten Keramik-Blüten und -Früchten schmückt.

Der Majolika-Ring wurde während der Sanierung und Modernisierung der Staatsbibliothek Unter den Linden aufwendig in Handarbeit restauriert. Das Schmuckstück aus rot brennender, zinnglasierter Majolika-Keramik, die ihm seinen Namen verleiht, setzt sich aus 112 einzelnen Elementen zusammen. 92 davon mussten per Hand restauriert werden. Dazu wurden die inneren Ringe ausgebaut, während der äußere an der Kuppel verblieb, da er mit dieser fest verbunden ist.  

Nach zahlreichen Ergänzungen, Retuschen und dem Schließen größerer Fehlstellen erfolgte der komplexe Wiedereinbau der inneren Ringe, sodass sich dem Besucher heute dieser farbenfrohe Majolika-Ring in seiner Gänze präsentiert.

Während nur bis zu dieser Stelle des Gebäudes der Weg für jeden Besucher frei ist, dürfen Nutzer weiter vordringen – hinein in das Gebäude mit seiner der Raumfolge geschuldeten Sogwirkung, den Treppenfluchten, Höfen und Prospekten bis in den orange leuchtenden Kubus des Lesesaals von HG Merz, für dessen Fassade extra ein spezielles Glas entwickelt wurde. 

Wer die aufwendig restaurierte, einstige Uhr des Lesesaals entdeckt, wundert sich vielleicht, dass deren Zeiger auf 22.25 stehen. Es ist genau die Zeit, an der die Bomben im Zweiten Weltkrieg in das Gebäude einschlugen.  

Nicht zu sehen für die Besucher ist die moderne Buchtransportanlage, welche die Mitarbeiter ersetzt, die noch vor nicht allzu langer Zeit mit ihren Wägelchen die kostbaren Bücher der Staatsbibliothek über die Gänge schoben. Bei dieser Anlage handelt es sich um eine Kombination aus Rollbändern – ähnlich der Konstruktion einer Sicherheitsabfertigung auf Flughäfen – und einer blinkenden Steuerungstafel. 

Für die meisten Besucher ist die Staatsbibliothek Unter den Linden  vor allem eines – ein ganz besonders schöner Ort zum Lesen. Andere wiederum sehen in ihr einen extra großen, exklusiven Coworking-Space mitten in der Hauptstadt. Wie auch immer, die erweiterte Staatsbibliothek Unter den Linden gehört zweifelsohne zu den beeindruckendsten Bauwerken des modernen Berlin.

 

 

Weitere Teile der Reihe könnt Ihr hier mit ENTWICKLUNGSSTADT PLUS lesen:

Visualisierte Geschichte: Zeitreise zum historischen Anhalter Bahnhof

Serie: Berlins Bauwerke der Moderne, Teil 2 – Der BND-Neubau

Serie: Berlins Bauwerke der Moderne, Teil 4 – Das Jüdische Museum

Serie: Berlins Bauwerke der Moderne, Teil 6 – Der Berliner Hauptbahnhof

Weitere Artikelreihen findet Ihr hier

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