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Serie: Berlins Bauwerke der Moderne, Teil 2 – Der BND-Neubau

In unserer neuen Artikelreihe widmen wir uns den bedeutenden Berliner Bauwerken der Nachwendezeit, die das Stadtbild der deutschen Hauptstadt bis heute prägen. Im zweiten Teil der Serie behandeln wir den BND-Neubau in Berlin-Mitte, eines der größten Bauwerke im gesamten Bundesgebiet.

© Fotos: Celine Hellriegel
Text: Annett Jäger

Der BND-Neubau in Berlin-Mitte

Von einigen als “Koloss von Berlin” bezeichnet, erscheint der BND-Neubau in Berlin-Mitte vielen Berlinerinnen und Berlinern als abgeschirmte Festung, die den beliebten Stadtteil regelrecht durchschneidet. Das autarke Gebäude mit eigenem Logistikzentrum, Energiezentrale und Parkhaus wurde im Jahr 2019 nach einer Bauzeit von 13 Jahren offiziell eingeweiht. Der Bundesnachrichtendienst selbst bezeichnet seine neue Zentrale als „offen“ und „in der Mitte angekommen“.

Das Grundstück: Ein viel bespieltes Areal mit beeindruckenden Namen

Die neue BND-Zentrale in der Mitte Berlins ist tatsächlich eines der größten Bauwerke im gesamten Bundesgebiet. Vor seinem Umzug nach Berlin war der BND in Pullach angesiedelt – eingesperrt in alten Nazibauten und relativ gut versteckt in einem Wald nahe der Isar.

Für das neue Zuhause in Berlin entschloss man sich für ein Areal, auf dem zuvor erst die Polizei und Kasernen sowie das Stadion der Weltjugend ansässig waren. Der Umzug des BND nach Berlin wurde bereits 2004 unter den damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder beschlossen – mit dem Ziel, durch die kurzen Wege die Kommunikation zwischen BND und Bundesregierung zu vereinfachen.

Der BND-Neubau steht auf der ehemaligen „Zickenwiese“

Dafür schien das frühere Gelände des Stadions der Weltjugend mitten in Berlin wie geschaffen. Die zuvor in der DDR als Walter-Ulbricht-Stadion bekannte Sportstätte wurde seit 1927 als Polizeistadion genutzt. Nach ihrer Zerstörung im zweiten Weltkrieg entschloss man sich 1949 zum Ausbau des Areals, das mittlerweile den Namen „Stadion Mitte“ trug.

1950 wurde somit die vormals 60.000 und später 70.000 Mann starke Sportstätte – welche laut der Berliner Rundschau mit den „schönsten und größten Grünanlagen Berlins“ gesegnet war und zudem über weitere Fußball-, Tennis- und andere Sportplätze verfügte – als Walter-Ulbricht-Stadion eröffnet.

Der Westen Berlins nahm diese Namensgebung nicht zur Kenntnis und sprach weiterhin vom „Stadion Berlin Mitte“. Und unter den eingefleischten Berlinern wurde das Stadion als „Zickenwiese“ bezeichnet – angeblich abgeleitet vom Ziegenbärtchen des DDR-Staatsratsvorsitzenden.

Das auch gerne als „Wembley der DDR“ bezeichnete Stadion sorgte für viele sportliche Großveranstaltungen, die man immer auch als politisches Geschehen betrachtete. Dazu gehörten beispielsweise die Weltfestspiele der Jugend und Studenten von 1951, die Friedensfahrt der Radsportler von 1955, das erste Aussöhnungsspiel zwischen Ost- und West-Berlin 1953 sowie die Endspiele um den FDGB-Pokal (erstmals 1950, regelmäßig von 1975 bis zur Wiedervereinigung). Anlässlich der Weltjugendfestspiele 1973 kam es zu einer erneuten Umbenennung der Sportstätte in „Stadion der Weltjugend“.

Die Wende: Auch eine Wende für die Sportstätte

Mit der Wende begann der Verfall des Stadions, was 1992 letztendlich zu seinem kostspieligen Abriss führte – 32 Millionen DM wurden dafür aufgewendet. Weichen sollte es eigentlich der Olympia-Halle, die für die Olympischen Spiele 2000 geplant war, jedoch nie umgesetzt wurde.

Bevor 2006 der Bundesnachrichtendienst mit dem BND-Neubau in Berlin-Mitte begann, fühlten sich Golfer, Mountainbiker und Beachvolleyballer auf dem Gelände Zuhause. Diese wichen der gewaltigen und mitunter überdimensionalen Anlage, die Büroflächen für ca. 4.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bietet.

Was lange währt, wird nicht immer gut

Stolz ist der BND nicht nur auf die kolossalen Dimensionen des Neubaus, sondern auch auf die Komplexität der technischen Ausstattung und Sicherheitstechnik.

Fakt ist: Der BND-Neubau in Mitte ist eines der teuersten Projekte aller Bundesregierungen. Grund für die hohen Kosten, die anfangs mit ca. 720 Millionen Euro kalkuliert waren, scheinen unter anderem die nachträgliche Erweiterung des Projekts um eine eigene Schule, ein Internat und mehr Schulungsräume, sowie einige Baupannen gewesen zu sein.

2010 wurden vom Bund weitere Gelder in Höhe von 25 Millionen Euro zugesagt, aufgrund von Sicherheitsbedenken. Zu viele ausländische Bauarbeiter waren auf dem Gelände anwesend – das musste besser überwacht und kontrolliert werden.

Hinzu kam die Entwicklung des Baupreis-Indexes über die lange Bauzeit. Somit waren die 2005 veranschlagten Kosten für die Bauleistungen 2010 längst überholt und es bedurfte einer Anpassung. Das Ergebnis waren Mehrkosten von 56 Millionen Euro.

2012 sorgten falsch installierte Lüftungsrohre für Mehrkosten von sage und schreibe 100 Millionen Euro und einer Bauverzögerung von anderthalb Jahren.

Pfusch, Wasserschaden und verschwundene Baupläne

Während der Bauzeit kam es zu Pfusch, verschwundenen Bauplänen und Ärger mit der Lüftungsanlage. Obendrein verursachten Unbekannte einen Millionenschaden, indem sie einen Teil des kolossalen Bauwerks unter Wasser setzten.

Kein Wunder also, dass der für 2013 geplante Umzug aufgeschoben werden musste. Schließlich, nach einem Jahr Bauabnahme und umfangreichen Sicherheits-Checks startete der Umzug 2017, der sich bis zu seiner Vollendung mit der feierlichen Einweihung durch Kanzlerin Merkel im Jahr 2019 auf zwei Jahre erstreckte.

Umzug des BND ein Schildbürgerstreich?

Ob die kurzen Wege vom BND-Neubau in Mitte hin zur Bundesregierung die hohen Kosten rechtfertigen bleibt fraglich. So äußerte sich Umzugs-Kritiker Wolfgang Bosbach (CDU) im Jahr 2014 gegenüber der Bild-Zeitung: „Da die Regierung den Umzug unbedingt wollte, durfte es an den Kosten nicht scheitern. Deshalb wurden sie kleingerechnet. Jeder, der Zweifel äußerte, hatte angeblich keine Ahnung.

Auch der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag, André Hahn, reihte sich 2019 in die Reihe der Kritiker ein und monierte die hohen Baukosten.

Last but not least führten neben den hohen Kosten die für ein Jahr verschwunden Baupläne zu Aufregung unter Politikern und Medien und bedeuteten für den BND einen weiteren Imageschaden.

Ist der BND Neubau in Berlin Mitte angekommen?

Mit dem Projekt des BND-Neubaus in Berlin wurden nicht nur riesige Büroflächen errichtet. Der Architekt Jan Kleihues hat es auch verstanden, eine kolossale und dennoch filigrane Fassade zu erschaffen, die trotz aller offensichtlicher Unzugänglichkeit auch einen Hauch von Luftigkeit vermittelt.

Und so sorgt der selbstbewusste und zugleich zurückhaltend wirkende Bau auf dem 25.000 Quadratmeter großen Areal für geteilte Meinungen bei den Berlinern und den Besuchern der Stadt.

Von einigen wird das Gebäude beispielsweise als unangenehm und abweisend wahrgenommen. So bezeichnete es der Architekturkritiker Gerhard Matzig gegenüber der Süddeutschen Zeitung als „eine Machtdemonstration der Bürokratie“.

Manchen erscheint das Gebäude wie ein Monster aus Symmetrie und Strenge. Hohe Zäune und überall Kameras – das erinnert ihrer Meinung nach schon irgendwie an eine Festung oder an den ehemaligen Todesstreifen, der noch vor nicht allzu langer Zeit die Stadt in Ost und West teilte – und das nicht weit entfernt vom heutigen Sitz des BND.

Doch es gibt auch andere Stimmen. Diese freuen sich, dass mit dem BND-Neubau auf dem ehemaligen „Unort“ in Berlin-Mitte das nahe Umfeld einen regelrechten Bauboom erlebte, sodass viele neue Wohnkomplexe, Gaststätten und Cafés entstanden sind.

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