Der Planungswettbewerb zur Neugestaltung des Molkenmarkts ist entschieden – und wiederum nicht. Das Preisgericht entschied gestern, den ersten Preis an zwei Büros zu vergeben. Nun sollen diese Entwürfe noch einmal überarbeitet werden.

Nachhaltiges Konzept: Der Entwurf von OS arkitekter zur Neugestaltung des Molkenmarkts / ©:OS arkitekter

© Visualisierungen: Albers  Gesellschaft von Architekten / OS arkitekter

 

Es ist keine gänzlich unerwartete Entscheidung, dass das Preisgericht, welches am 29. und 30. November über die eingereichten Wettbewerbsbeiträge diskutierte, den ersten Preis zur Neugestaltung des Molkenmarkts in Berlin-Mitte zweimal vergab.

Dieses Mittel wird mitunter genutzt, um zwei ähnlich stark bewertete Entwürfe nach einer weiteren Überarbeitung noch einmal gegeneinander antreten zu lassen – und dann schlussendlich einen Sieger zu küren. Und es ist häufig ein Zeichen dafür, dass sich die Jury in ihrer Entscheidungsfindung nicht ganz einig ist.

Zwei sehr unterschiedliche Entwürfe erhalten den ersten Preis

Schon während der digitalen Vorschau auf die insgesamt zehn Wettbewerbsbeiträge am 24. November waren die nun prämierten Entwürfe herausgestochen. Sowohl das in Berlin ansässige Büro Bernd Albers  Gesellschaft von Architekten (gemeinsam mit Vogt Landschaftsarchitekten aus Zürich) als auch das in Kopenhagen beheimatete Büro OS arkitekter (mit cka czyborra klingbeil architekturwerkstatt) wurden als Sieger des Wettbewerbs verkündet.

Die Wahl dieser zwei Entwürfe lässt durchaus darauf schließen, dass es in der Jury bislang keine Einigkeit darüber gibt, wie die zukünftige, architektonische Gestaltung des Molkenmarkts tatsächlich aussehen soll. Denn unterschiedlicher könnten die Entwürfe kaum sein.

Nachhaltigkeit gegen Traditionalität

Das dänische Büro OS arkitekter wählt einen radikal modernen Ansatz, um das zukünftige Molkenmarkt-Quartier zu gestalten. Vor der ästhetischen Gestaltung der Gebäude steht erst einmal der Grundgedanke, ein klimaneutrales und innovatives Viertel zu entwickeln, welches auf alternative Baustoffe und ein nachhaltiges Gebäudekonzept setzt.

Deutlich traditioneller kommt der Entwurf des Büros Bernd Albers daher, der sich stark an der historischen, geschlossen konzipierten Blockrandbebauung des einstigen Molkenmarktviertels orientiert. Das in Berlin ansässige Büro hat in Berlin bereits mehrere Projekte umgesetzt, wie etwa das Stresemann-Quartier am Potsdamer Platz oder die Townhouses am Hausvogteiplatz. Auch am Wiederaufbau des historischen Altstadtviertels in Frankfurt am Main war das Büro beteiligt.

Entscheidung über das siegreiche Konzept fällt bis Mitte 2022

Ob sich im Wettbewerb um die Neugestaltung des Molkenmarkts der innovative Ansatz des dänischen Büros oder der klassische Entwurf des Albers-Büros durchsetzt, wird sich im kommenden Jahr entscheiden.

Professor Reicher, Vorsitzender der Jury, äußerte sich zum Entwurf wie folgt: “Die beiden prämierten Konzepte für den Molkenmarkt sind eine hervorragende Grundlage für die Wiederbelebung der historischen Mitte Berlins. Sie stehen gleichermaßen – wenn auch mit unterschiedlichen Haltungen – für eine gute Lesbarkeit des Ortes und für ein vielfältiges Zukunftsquartier. Nun gilt es, dieses einstimmige Votum der Jury im Dialog mit allen Beteiligten zu profilieren.”

Bürgerbeteiligung startet im Februar 2022

Zunächst werden beide Teams ihre Entwürfe in den kommenden Monaten entsprechend den Empfehlungen des Preisgerichts weiterentwickeln. Im kommenden Jahr sollen dann die Berliner*innen in den Entscheidungsprozess einbezogen werden.

So können interessierte Bürger*innen im Rahmen von zwei Werkstattveranstaltungen (Februar und April 2022) aktiv am Planungsprozess teilnehmen und mit den Planer*innen deren Ideen diskutieren. Am Ende dieser Planungsphase stellen die Planungsteams ihre Arbeiten öffentlich der Jury vor, die anschließend eine Empfehlung zur Umsetzung geben wird.

Die hier gezeigten Abbildungen wurden mit freundlicher Genehmigung der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung sowie der siegreichen Büros Bernd Albers  Gesellschaft von Architekten sowie OS arkitekter zur Verfügung gestellt.

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Traditioneller Ansatz: Der Entwurf des Büros Albers  Gesellschaft von Architekten / © Albers  Gesellschaft von Architekten

Das rot umrandete Gelände markiert den Bereich, der im Rahmen des Wiederaufbaus neu entwickelt wird.

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5 Comments

  1. Tsss 2. Dezember 2021 at 09:07 - Reply

    Ich kann den Reiz am “traditionellen” Entwurf nicht nachvollziehen. Wird hier eine wertvolle Substanz, die zerstört ist, wieder aufgebaut? Oder heißt traditionell einfach eher “so wie immer”? Das fände ich eine große vertane Chance.
    Der Fokus auf eine konsequent zukunftsorientierte Architektur erscheint mir sehr viel angemessener und konzeptuell stärker.

    • Philipp 24. Dezember 2021 at 14:36 - Reply

      “Zukunftsorientierte” Architektur entsteht nur leider überall in Form aneinander gereihter Schachteln – muss das wirklich im Herzen Berlins auch noch passieren? Die Zerstörung der ursprünglichen Mitte Berlins war etwas unnatürliches, gewalttätiges. Dies heilen zu wollen ein normales Bedürfnis.

      Wer sich “zukunftsorientierte” Architektur ansehen will, kann ja mal nach Adlershof fahren. Dort zeigen zeitgenössische Architekten und Bauherren ihr “können”…

  2. Samuel 5. Dezember 2021 at 01:13 - Reply

    Ich hoffe, dass man sich für einen historischen Wiederaufbau entscheidet. Für solche Projekte gibt es sehr viele positive Beispiele, etwa aus Dresden, Potsdam oder Frankfurt am Main. Auch in Berlin gibt es mit dem (Teil-)Wiederaufbau des Berliner Schloßes ein gutes Beispiel, was für ein Gewinn eine Rekonstruktion sein kann, ebenfalls würden sich die geplanten Rekonstruktionen des Karstadt am Hermannsplatz oder der Berliner Bauakademie gut machen. Gerade durch die Nähe zum benachbarten Nikolaiviertel ließe sich so eine schöne Altstadt in der Mitte Berlins schaffen. 0815-Bauprojekte gibt es schon genügend, ich verstehe nicht warum man diesen Ort, wie so viele andere Orte, mit langweiligen grauen oder gläsernen eckigen Bauten ohne Charakter zuklotzen sollte und hoffe, dass eine gute Entscheidung getroffen wird.

    • Benjamin Ruh 31. Januar 2022 at 15:16 - Reply

      👍🏼

    • Esther Graaf 21. September 2022 at 20:53 - Reply

      Es wäre höchstens am Jüdenhof ein historischer Wiederaufbau. Alles andere ist “so tun als ob” und wird nicht im Geringsten etwas mit der Historie zu tun haben außer, dass die Blockränder ähnlich sind (wie im B-Plan gefordert). Dazu kann man sich ja mal Fotos des Molkenmarktes ansehen, die vor der NS-Zeit entstanden sind und dann bewerten in wie fern das Ähnlichkeit mit der “historischen Variante” hat. Bei näherer Betrachtung der weniger historischen Variante wird auch klar, dass es sich hier keineswegs um langweilige, graue, gläsern eckige Bauten handelt sondern um modularen Skelettholzbau, der in Punkten Nachhaltigkeit, sozialem Zusammenleben im Quartier und kostengünstigem Wohnen mit flexiblen Umnutzungsmöglichkeiten, wie wir es heute und in Zukunft brauchen werden, den (nicht) “historischen” Entwurf um Längen schlägt. An einigen Stellen (Stichwort Jüdenhof) tatsächlich historisch zu Bauen wäre ja trotzdem möglich.

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