Die Breite Straße in Berlin-Mitte soll verändert werden. Ein neues Wohn- und Geschäftsquartier soll in unmittelbarer Nähe zum Humboldt Forum entstehen, die WBM plant die Realisierung von geförderten Mietwohnungen, der Architekturwettbewerb ist abgeschlossen. Eine Allianz von Berliner Bürgervereinen jedoch stößt sich an den ausgewählten Entwürfen.

An der Breiten Straße in Berlin-Mitte möchte das Land Berlin ein neues Wohn- und Gewerbequartier entwickeln. Eine Allianz mehrerer Bürgervereine kritisiert jedoch die gewählte Architektursprache für das neue Quartier. / © Foto: ENTWICKLUNGSSTADT BERLIN

© Visualisierung Titelbild: Los 1: AFF Architekten, Berlin; Los 2: Bruno Fioretti Marquez Architekten, Berlin; Los 3: Springer Architekten, Berlin; Los 4: Bruno Fioretti Marquez Architekten, Berlin; Los 5: Springer Architekten, Berlin / Eigene Komposition Allianz Berliner Bürgervereine
Text: Björn Leffler

 

In den kommenden Jahren soll nach Plänen der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen in der Breiten Straße in Berlin-Mitte ein anspruchsvolles Ensemble aus Wohnungen, Gewerbeflächen und Künstlerateliers entstehen, um den Stadtraum nachhaltig zu verändern und vor allem zu beleben.

Rund 70 Wohnungen sollen Teil des Ensembles werden. Das Quartier wird in unmittelbarer Nähe zum Humboldt Forum entstehen. Besonders prachtvoll ist die Breite Straße heute allerdings nicht. Die Straße wird vor allem geprägt durch eine große, brachliegende Fläche, die sich gegenüber der heutigen Zentral- und Landesbibliothek befindet. Ein Umstand, der eine Entwicklung und Neuausrichtung des Standortes umso erforderlicher macht.

Quartier Breite Straße: Entwicklung läuft seit über drei Jahren

Diese Entwicklung hatte vor nunmehr über drei Jahren begonnen. Mehrere Planungsteams hatten in zwei Bearbeitungsphasen Ideen und Lösungen für das zukünftige Quartier erarbeitet, zudem wurde eine Online-Beteiligung für Bürgerinnen und Bürger durchgeführt.

Mittlerweile ist der Prozess weiter vorangekommen.
Im Dezember 2023 wurde ein nichtoffener Realisierungswettbewerb für die Bebauung zwischen Scharrenstraße und Neumannsgasse in angekündigt. Anfang Juli 2024 wurde nun der Gestaltungswettbewerb für insgesamt fünf Häuser entschieden, die auf dem Areal errichtet werden sollen.

Mehrere Architekturbüros erhielten den Zuschlag für die Gestaltung der Gebäude

Siegreich waren nach Auskunft der Senatsverwaltung die Büros AFF Architekten, Bruno Fioretti Marquez Architekten und Springer Architekten, allesamt sesshaft in Berlin. Die Büros Springer Architekten und Bruno Fioretti Marquez Architekten dürfen jeweils zwei Gebäude gestalten, ein weiteres wird nach Plänen des Büros AFF Architekten realisiert.

Um die Gestaltung der landeseigenen Mietwohnungen im direkten Umfeld des Humboldt Forums hatte es im Vorfeld intensive Diskussionen gegeben. Eine Allianz Berliner Bürgervereine hatte sich im März 2024 an die Öffentlichkeit gewandt, um eine hochwertige Gestaltung des Quartiers an diesem historisch so bedeutenden Ort einzufordern.

Bürgervereine fordern hochwertige Fassadengestaltung in der Breiten Straße

Nach dem nun abgeschlossenen Wettbewerb und den feststehenden Entwürfen ist die Kritik am Bauvorhaben nicht weniger geworden. So äußert sich die Allianz zu den Entwürfen in einem offiziellen Statement wie folgt: “Trotz Fortschritten gegenüber anderen innerstädtischen Neubauprojekten sind die ausgewählten Entwürfe auf Grund ungenügender Vorgaben und der begradigenden Überbauung historischer Grundrisse eine weitere vertane Chance, ein Stück der zerstörten und fragmentierten historischen Mitte Berlins wiederzugewinnen.

Die Allianz kritisiert vor allem die Überbauung historischer Strukturen: “Die im Mittelalter angelegte Breite Straße hatte im Neubaubereich, zwischen Scharrenstraße und Neumannsgasse, ursprünglich 9 statt der nun festgelegten 5 Parzellen. (…) Durch die Begradigung des Straßenverlaufs und die Festlegung von 5 gleich breiten Parzellen wird der abwechslungsreiche und lebendige Charakter nicht wiederhergestellt, den dieser Straßenabschnitt einst hatte.

Der Blick geht bereits voraus – auf den Wiederaufbau des Molkenmarkts

Der Blick der Bürgerallianz richtet sich aber bereits auf das nächste, deutlich prominentere Bauvorhaben, welches unweit der Breiten Straße realisiert werden soll: der lange geplante Wiederaufbau des historischen Molkenmarkts.

Hier fordert die Allianz einen deutlichen sensibleren Umgang mit der Geschichte des Ortes: “Die Qualität der Architektur am Molkenmarkt wird entscheidend für die Ausstrahlung und den Erfolg des zukünftigen Quartiers sein. Hierzu gehört eine kleinteilige, variierende Parzellierung und die sorgfältige Berücksichtigung des historischen Stadtgrundrisses.

Detaillierte Gestaltungsvorgaben, Rekonstruktion von Leitbauten

Die Gestaltungsvorgaben sollten nach Ansicht der Gruppe ausreichend detailliert sein und die Rekonstruktion von Leitbauten einschließen. Für die Fassaden und Dächer sollten demnach traditionell verwendete Baumaterialien und Maße zur Anwendung kommen.

In diese Richtung will offensichtlich auch der verantwortliche Berliner Senat gehen. Für die verantwortlichen Projektplaner will die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung enge Vorgaben für die Gestaltung des zukünftigen Quartiers machen.

Neues Quartier Breite Straße: Baubeginn soll ab 2027 sein

Bevor am Molkenmarkt gebaut wird, wird das neue Quartier an der Breiten Straße schon etwas weiter sein. Baubeginn für das Projekt soll allerdings erst im zweiten Quartal 2027 sein.

Um die Fassaden abwechslungsreich zu gestalten, werden unter anderem auch runde Fenster und Torbögen eingesetzt. Zudem werden im Innern des Quartiers die archäologischen Funde in repräsentativer Form zur Schau gestellt – man wird sehen, wie gut die gewählte Formsprache letztlich funktionieren wird, vor allem an einem historisch so bedeutsamen Ort.

Gemäß den Richtlinien des Landes Berlin ist die WBM verpflichtet, 50 Prozent der neu errichteten Wohnungen zu Sozialmieten von 6,50 Euro pro Quadratmeter und Monat anzubieten, während die restlichen Wohnungen für weniger als zehn Euro pro Quadratmeter und Monat vermietet werden sollen.

 

Weitere Bilder zum Projekt findet Ihr hier: 

In einer kombinierten Darstellung sehen die gewählten Fassaden der künftigen Gebäude so aus. / © Visualisierung: Los 1: AFF Architekten, Berlin; Los 2: Bruno Fioretti Marquez Architekten, Berlin; Los 3: Springer Architekten, Berlin; Los 4: Bruno Fioretti Marquez Architekten, Berlin; Los 5: Springer Architekten, Berlin / Eigene Komposition Allianz Berliner Bürgervereine

 

© Open Street Map

Quellen: Allianz Berliner Bürgervereine, Berliner Morgenpost, Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, Architektur Urbanistik Berlin, Immobilien Zeitung, Berliner Historische Mitte e.V., Errichtungsstiftung Bauakademie, Forum Stadtbild Berlin, Gesellschaft Historisches Berlin, Planungsgruppe Stadtkern im Bürgerforum Berlin

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6 Comments

  1. Marcel S. 23. August 2024 at 08:54 - Reply

    Berlin ist und bleibt Provinz. Die vorgeschlagenen Entwürfe sind ein Witz. Auch die Rekonstruktionsansprüche der Bürgerallianz sind absurd. Beides ist Ausdruck von spießbürgerlicher Beschränktheit.

  2. Philipp 23. August 2024 at 09:08 - Reply

    Die Bürgerallianz hat Recht: Kleinteilige Bebauung und Fassaden die historische Pracht berücksichtigen, sind die einzigen Vorgaben die letztlich ein architektonisches Chaos verhindern. Dieser Entwurf ist relativ beliebig. Das Viertel von Höhne an der Revaler Straße sieht besser und abwechslungsreicher aus. Die Breite Straße ist mitten im Zentrum – wieso kann man hier nicht wenigstens etwas näher an den historischen Fassaden bleiben, siehe Hotel Adlon. Ich bin mir sicher Patzschke hätte etwas passenderes gestalten können.

    • Marcel S. 23. August 2024 at 09:54 - Reply

      Das ist doch ein Widerspruch in sich selbst, Kleinteiligkeit ist architektonisches Chaos. Was ich persönlich aber überhaupt nicht schlimm finde. Was ich absurd finde, dass die Straße größtenteils schon längst eine völlig andere Art der Bebauung aufweist, eine Rekonstruktion wäre also nur in diesem kleinen Teilbereich möglich. Der Bereich der bebaut werden soll war, wenn man sich alte Fotos anschaut, nichtmal wirklich so kleinteilig. Theoretisch wäre also etwas völlig neues möglich. Vor allem unter dem Aspekt dass die Stadt angeblich zu wenig Wohnraum hat sollte man den Focus darauf legen wie man möglichst viel Wohnraum auf die wenigen Flächen unterbringt und zwar mit Qualität. 70 Wohnungen lächerlich. Ich kann auch diese reaktionären Versuche die Stadt historisch zu rekonstruieren nicht nachvollziehen. Glanz und Gloria der Kaiserzeit ist Geschichte, die kommt nicht zurück in dem man irgendwelche alten Straßenzüge neu aufbaut. Einfach mal in andere europäische Städte schauen.

      • Philipp 24. August 2024 at 20:48 - Reply

        Tja Marcel – da scheiden sich die Geister (und Geschmäcker). Chaos heißt für mich Stadtentwicklung ohne Hand und Fuß wie das z.B. an der Leipziger passiert ist. Nicht die Größe der Parzellen, sondern architektonische Qualität mit Mischnutzung schaffen Urbanität in einer Stadtmitte. Wie schön die Leipziger einst war, denn sie hatte genau das!
        PS: Meine Nostalgie wäre deutlich schwächer ausgeprägt, wenn es heutigen Architekten gelingen würde, harmonisch und ansprechend für’s Auge zu bauen. Der “dekorierte Schuppen” ist aber nun einmal bis heute die einfachste Lösung dafür. Das dies – wie von dir gefordert – auch mit mehr Wohneinheiten/Dichte geht, beweist NYC. Gebäude wie das Lincoln Building, das Bryant Park Hotel und sogar Wolkenkratzer wie das Empire State Building beweisen doch letztlich das Dekoration und Dichte durchaus nebeneinander machbar sind.

  3. Franz 23. August 2024 at 17:06 - Reply

    Nun, die zeitgenössische Architektur hat eine Ecke weiter, wo die Breite Str. Roßstr. heißt nebst der zeitgenössischen Städteplanung versagt. Die billige Ergänzung der Fischerinselhochhäuser ist einfach nur schlecht und die Umgebung ist dadurch weniger lebenswert geworden. Daraus entsteht das Misstrauen gehen die Entwürfe, die nun präsentiert wurden.

    • Philipp 24. August 2024 at 20:50 - Reply

      Das trifft den Nagel auf den Kopf! Ich wäre weitaus weniger skeptisch, wenn die Moderne in der Vergangenheit nicht so abgrundtief versagt hätte.

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