Auf dem geschichtsträchtigen Gelände der früheren Bockbrauerei in Berlin-Kreuzberg will die Bauwert AG nach fast acht Jahren Planung ein neues Quartier mit Gewerbeflächen und Wohnungen realisieren. Ursprünglich sollten auf dem Gelände 400 neue Wohnungen entstehen, was der Bezirk jedoch ablehnte. Nun sollen es immerhin noch 220 Wohnungen werden. Für das ambitionierte Projekt wurde vor kurzem der Grundstein gelegt.
© Visualisierungen: Bauwert AG
Text: Björn Leffler
Schon vor acht Jahren kaufte das in Berlin ansässige Unternehmen Bauwert AG das 13.000 Quadratmeter große Areal der ehemaligen, historischen Bockbrauerei in Berlin-Kreuzberg. Bereits im Juli 2022 hat das Unternehmen mit dem Umbau des Geländes begonnen, seit über einem Jahr laufen die Bauarbeiten auf dem Gelände.
Aufgrund des langen Genehmigungsprozesses und vieler Diskussionen mit dem zuständigen Baustadtrat Florian Schmidt (Die Grünen), der Bezirksverordnetenversammlung und Anwohnerinitiativen verzögerte sich der Start des ambitionierten Projekts zuvor um mehrere Jahre.
Bockbrauerei: Bauwert wollte ursprünglich 400 Wohnungen errichten
Der Plan der Bauwert AG war ursprünglich, auf dem Gelände zwischen Fidicin- und Schwiebusser Straße einen Neubau mit mehr als 400 Wohnungen zu errichten. Dafür sollten historische Gebäude abgerissen werden.
Nun werden nur noch 220 Wohnungen, dafür aber ausreichend Platz für Gewerbeflächen und auch kulturelle Nutzungen realisiert. Zudem sollen neue Büroflächen und eine Kita entstehen. Auf dem Areal soll also eine Mischnutzung umgesetzt werden, auch häufig “Kreuzberger Mischung” genannt.
Von der alten Brauerei sind nur noch wenige Gebäude erhalten
Heute sind von der alten Brauerei nur noch das alte Schankhaus im Burgenstil aus gelbem und rotem Backstein und mehrere Kellergewölbe erhalten. Letztere stehen mittlerweile dank der Initiative Denkmalschutz für die Bockbrauerei unter Denkmalschutz.
Ab Mitte des 19. Jahrhunderts brauten Georg Leonhard Hopf und bis 1920 Schultheiß nach bayerischem Vorbild das in Berlin bis dahin unbekannte obergärige Bier. Im angrenzenden Gartenlokal wurde es sogar direkt ausgeschenkt.
Im Zweiten Weltkrieg wurden die Kellergewölbe aus Bunker genutzt
Während des Zweiten Weltkrieges dienten einige der alten Kellergewölbe als Bunker. Das Unternehmen Telefunken wollte dort mit Zwangsarbeitern „kriegswichtige“ Industriegüter produzieren. Die unterirdische Fertigungsanlage wurde jedoch erst gegen Kriegsende fertiggestellt und kam somit kaum noch zum Einsatz.
Die Bauwert AG plante ebendiese Bunkeranlagen, die nach dem Krieg entstandenen Lagerhallen sowie diverse Flachbauten zugunsten der 400 Wohnungen abzureißen. Das Bezirksamt lehnte diese Pläne aber ab, denn in diesen Räumlichkeiten sollen zwischen Januar und Februar 1945 Zwangsarbeiter zur Arbeit gezwungen worden sein. Daran soll künftig ein Gedenkort erinnern.
Raum für Künstlerateliers, Filmproduktion, Tanzschule und Jugendangebote
Nun bleiben das Schankhaus sowie das Kellergewölbe erhalten und gehen an eine Genossenschaft, die die Flächen ansässigen Gewerbetreibenden, Kulturschaffenden und für Gastronomiebetriebe zur Verfügung stellen möchte. Rund 4.000 Quadratmeter Nutzfläche werden also künftig von Künstlerateliers, einer Filmproduktion, einer Tanzschule, dem Archiv der Jugendkulturen und dem Theater Thikwa genutzt.
11.500 Quadratmeter Fläche für Büros, Einzelhandel und ein Café werden in einem Gebäudekomplex aus rotem Ziegelstein untergebracht. Über den denkmalgeschützten Kellern wird ein schwebender, gläserner Brückenbau entstehen. Dieses von Tchoban Voss Architekten entworfene Gebäude strebt eine Zertifizierung für den nachhaltigen Gebäudebetrieb DGNB Gold an.
Bockbrauerei: Sechs Neubauten sollen auf dem Gelände entstehen
Insgesamt werden sechs Neubauten auf dem Areal entstehen. In drei von ihnen sollen 130 Eigentumswohnungen untergebracht werden. In einem weiteren Gebäude werden 24 frei finanzierte Mietwohnungen für einen privaten Vermieter errichtet.
Zusätzlich sind Tiefgaragen mit insgesamt 178 Pkw-Stellplätzen für Bewohner und Beschäftigte vorgesehen. Mehr als 500 Plätze für Fahrräder und Lademöglichkeiten für E-Mobilität sind ebenfalls geplant.
Wohnungsbau: 130 Eigentums- und 90 Mietwohnungen sind geplant
Die Bauwert AG will zudem auf rund 1.500 Quadratmetern des Geländes 25 geförderte Wohnungen, 40 Studentenapartments und eine Kita errichten. Die Wohngebäude wurden von der Bonanni Gesellschaft von Architekten mbH entworfen. Wer diese Wohnungen zukünftig betreiben wird, ist noch unklar. Derzeit laufen Gespräche mit der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft HOGOWE, die aber noch nicht abgeschlossen sind.
Während der vergangenen acht Jahre sind die ursprünglich veranschlagten Kosten enorm gestiegen. Laut Bauwert habe man ursprünglich mit einer Gesamtinvestition von rund 220 Millionen Euro gerechnet. Nun liegen die Baukosten jedoch bei mindestens 300 Millionen Euro.
Bis Ende 2026 soll das neue Bockbrauerei-Quartier fertig sein
Nach aktuellem Planungsstand soll das Projekt bis Ende 2026 abgeschlossen werden, sollte es nicht zu weiteren Verzögerungen kommen. Der Kiez rund um die Schwiebusser Straße wird durch das Neubauprojekt jedenfalls eine vollkommen neue Charakterisierung erhalten.
Stadtentwicklungssenator Christian Gaebler (SPD) sprach im Rahmen der feierliche Zeremonie von “einem Mehrwert” für die Stadt. Bei neuen Quartieren müssten Wohnen, Freizeit, Sport, Kultur und Arbeit heute immer mitgedacht werden. Auch Baustadtrat Florian Schmidt (Die Grünen) betonte dies.
Kompromisse der Projektteilnehmer ermöglichen spannendes Quartier
So werden seiner Ansicht nach im neuen Quartier “alle Bedürfnisse des Bezirks vereint“: Arbeiten, barrierefreies Wohnen, Kitaplätze und Wohnraum für Studenten. “Dies ist möglich, weil sich der Eigentümer entschieden hat, gemeinwohlorientierte Nutzungen im ehemaligen Schankhaus dauerhaft abzusichern,” so Schmidt weiter.
Nach vielen Diskussionen und zahlreichen Kompromissen könnte mit dem neuen Bockbrauerei-Quartier also ein spannendes, abwechslungsreiches Areal entstehen, auf dessen Realisierung man durchaus gespannt sein darf.
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Quellen: Bauwert AG, Berliner Woche, Architektur Urbanistik Berlin
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2. November 2024