Im Rahmen einer mehrteiligen Reihe schauen wir auf die bewegte Geschichte der Berliner Friedrichstraße. Im zehnten Teil schauen wir auf die Zeit der Teilung Berlins. In der Friedrichstraße sind nach dem Bau der Mauer 1961 mit dem Checkpoint Charlie und dem “Tränenpalast” zwei weltberühmte Grenzübergänge entstanden, die die Geschichte Berlins fast drei Jahrzehnte prägen sollten – und bis heute nachwirken.
© Foto Titelbild: Wikimedia Commons
Text: Wolfgang Leffler
DIE GESCHICHTE DER FRIEDRICHSTRASSE
Teil 10 – Neuanfang und Teilung
Zu den ersten neun Teilen Der Reihe gelangt Ihr hier
Friedrichstrasse: Alternative Spielstätten nach Kriegsende
Da das Königliche Opernhaus Unter den Linden durch den Bombenhagel zerstört war, gastierte das Orchester der Deutschen Staatsoper am 23. August 1945 im notdürftig wieder hergestellten Admiralspalast und gab dort ein Eröffnungskonzert.
Diese ehemalige Eislaufbahn wurde 1922 zu einem großen Theatersaal umgebaut und diente vorerst als musikalisches Ausweichquartier.
Sowohl der Admiralspalast als auch das Theater Am Schiffbauerdamm und das Deutsche Theater wurden ab 1945 mehr oder weniger zur politischen Bühne für die Sozialdemokraten und Kommunisten.
April 1945: Vereinigung von SPD und KPD zur SED
Im Admiralspalast in der Friedrichstraße fand dann am 21. April 1945 der Vereinigungsparteitag von SPD und KPD zur SED statt und wurde somit zum zentralen politischen Veranstaltungsort im Ostteil der Stadt.
Ab 1946 war der Admiralspalast aber auch Spielstätte für die unterschiedlichsten kulturellen Veranstaltungen im Ostteil Berlins, so für die Uraufführung der Premiere des ersten DEFA-Spielfilms „Die Mörder sind unter uns“, in dem Wolfgang Staude Regie führte und Hildegard Knef als Hauptdarstellerin zum ersten deutschen Kinostar der Nachkriegszeit avancierte.
Danach blieb der Admiralspalast noch einige Zeit das Premierenkino der DEFA, ehe Anfang der fünfziger Jahre das ‚Babylon‘ am Rosa-Luxemburg-Platz zum offiziellen Premierenkino der DEFA wurde.
Sowjetisches Offizierscasino im Lichtspielhaus “Aladin”
In der Friedrichstraße 112a eröffnete kurz nach Kriegsende ein bereits vorher bekanntes kleineres Lichtspielhaus, das ‚Aladin‘; ein traditionsreiches Kinotheater, nahe am Oranienburger Tor gelegen und bekannt durch seine exotische Inneneinrichtung.
Erstaunlicherweise hatte das ‚Aladin‘ den Bombenhagel unversehrt überstanden und sein Besitzer, F.W. Foss, berichtete später, dass den Sowjets sowohl das Haus, in dem sich das Kino befand, als auch das Kino selbst gefielen, so dass sie daraus ein Offizierscasino machten.
Foss hatte für ‚sein Kino‘ insofern Glück als dass die sowjetischen Besatzer ihn zum Direktor des Kinos bestellten. Foss betrieb allerdings noch ein weiteres Kino, die ‚Camera‘ in der Alten Potsdamer Straße, direkt gegenüber dem bekannten ‚Weinhaus Hut‘. Aber diese zwei Spielstätten in zu unterschiedlichen Sektoren, in Ost und West, brachten politische Verwerfungen mit sich, so dass das Stammhaus ‚Aladin‘ in der Friedrichstraße später enteignet wurde.
Aufstand im Ostsektor: Demonstrationen am 17.Juni 1953
Die Friedrichstraße war auch am 17. Juni 1953 Schauplatz von Demonstrationen gegen die von der SED-Regierung beschlossenen, erhöhten ‚Technischen Arbeitsnormen‘. Letztendlich, um der prekären Lage Herr zu werden, forderten die DDR-Oberen bei den sowjetischen Besatzern Hilfe an, so dass an der Kreuzung Friedrichstraße / Schützenstraße am Nachmittag desselben Tages Panzer anrückten.
Dem Vormarsch der sowjetischen Panzer fielen mehr als ein Dutzend Menschen zum Opfer, 18 Aufständische wurden standrechtlich erschossen und vier Volkspolizisten wurden von Demonstranten gelyncht. Einundvierzig sowjetische Soldaten, die sich dem Befehl zur Niederschlagung des Aufstands verweigert hatten, wurden kurz nach den Tumulten erschossen.
Unzufriedenheit vieler Menschen in der sowjetischen Besatzungszone
Die Demonstrationen am 17. Juni 1953 kamen nicht von ungefähr und zeugten im Prinzip von der Unzufriedenheit vieler Menschen in der Sowjetzone und den dort herrschenden Verhältnissen. Beredter Ausdruck dafür war die Zahl der in den Westen Geflohenen, die ständig zunahm.
So waren es 1959 bereits 144.000 und 1960 immerhin schon 200.000 DDR-Bürger. Für das Folgejahr 1961 ging man von einer geschätzten weiteren Zunahme der Flüchtlingszahlen aus.
Im August 1961 wurde Berlin durch den Bau der Mauer geteilt
Und so passierte das, was für das Überleben der DDR zum damaligen Zeitpunkt wohl alternativlos war: der Mauerbau und somit die sprichwörtliche Zementierung der Teilung Berlins für einen nicht überschaubaren langen Zeitraum.
Am 13. August 1961 begann der Bau der Berliner Mauer und die Friedrichstraße wurde auf Höhe der Zimmerstraße abgeriegelt und auch der U- Bahn- und S-Bahnverkehr vom Bahnhof Friedrichstraße in Richtung West-Berlin wurde abrupt gestoppt.
Ab 1961 war die Friedrichstraße entzweit- so wie die gesamte Stadt
Damit begann die Teilung einer Straße und der Stadt Berlin. Anfangs nur mit Steinen, aber später wurde die Mauer final perfektioniert mit in Beton gegossenen Mauerelementen, Stacheldraht, Todesstreifen und Wachtürmen.
Die Friedrichstraße mit einer Gesamtlänge von 3,3 Kilometern hatte zwei Grenzübergangsstellen, zum einen den Bahnhof Friedrichstraße und zum anderen den weiter südlich gelegenen Checkpoint Charlie, der den amerikanischen und den sowjetischen Sektor trennte und später zum wohl berühmtesten Grenzübergang des geteilten Berlins werden sollte.
Friedrichstraße: Konfrontationslinie zweier Systeme
Immerhin bedeuteten die weißen Markierungsstriche auf dem grauen Straßenbelag der Friedrichstraße und den jeweiligen dahinter positionierten Absperrungen die Konfrontationslinie zweier gegensätzlicher politischer Systeme.
Permanente Streitigkeiten zwischen den sowjetischen und amerikanischen Besatzern zum unkontrollierten Grenzübertritt am Grenzübergang Friedrichstraße bzw. Checkpoint Charlie führten schließlich zur Machtfrage, denn die US-Militäradministration forderte, dass auch nicht uniformierte Vertreter der Alliierten den Checkpoint Charlie passieren durften.
Amerikanische und sowjetische Panzer am Checkpoint Charlie
Da am 25.Oktober 1961 einem britischen Militärangehörigen wiederum der Zutritt anfänglich verweigert wurde, empfanden die Amerikaner das als weitere Provokation und positionierten ihre Panzer am Checkpoint Charlie, daraufhin ließen die Russen auf der gegenüberliegenden Seite, am Grenzübergang Friedrichstraße, ihre Panzer auffahren.
Die Panzer standen sich ganze zwei Tage mit provozierenden Drohgebärden gegenüber, aber am Morgen des 28. Oktober traten die Sowjets auf Geheiß des russischen Staatschefs Chruschtschow plötzlich den Rückzug an. Ein Telefonat mit dem amerikanischen Präsidenten Kennedy war wohl ausschlaggebend für die beiderseitige Einsicht zur Beendigung dieses Konflikts. Kurze Zeit danach räumten auch die amerikanischen Panzer ihre Stellungen am Checkpoint Charlie.
Der Checkpoint Charlie ist heute eine Touristenattraktion
Diese Ereignisse in den Tagen des Oktober 1961 machten den Grenzübergang in der Friedrichstraße am Checkpoint Charlie zu einem politischen Bauwerk und so erlangte der Ort eine Berühmtheit, die heute noch jährlich rund vier Millionen Besucher anzieht.
Der Checkpoint Charlie in der Friedrichstraße wurde so auch zum Schauplatz spektakulärer Auftritte von hochrangigen Politikern, man denke dabei nur an den Besuch des damaligen amerikanischen Präsidenten J.F. Kennedy am 26. Juni 1963.
Der historische Checkpoint soll neu- und umgestaltet werden
Der Berliner Senat, speziell die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, hat im Jahr 2022 eine Planungswerkstatt initiiert, um ein Städtebauliches Dialogverfahren zum Bildungs- und Erinnerungsort Checkpoint Charlie in Gang zu setzen. Das vorrangige Ziel dieses Verfahrens ist es, den Checkpoint Charlie als Synonym für die Teilung Berlins neu zu gestalten und die Autarkie des Standortes herauszuarbeiten.
Man verspricht sich davon einen respektvolleren Umgang mit der Geschichte dieses Ortes und eine Anknüpfung an die Innovationskraft Schinkels. Nicht angemessen empfindet man dabei, dass sich im Verlaufe der letzten Jahrzehnte dieser unbebaute Ort zu einem Tourismus-Hotspot entwickelt hat und mit dem vorherrschenden ‚Klamauk‘ dem Ort damit die Geschichtsträchtigkeit abhanden gekommen sei. Es bleibt abzuwarten wann und mit welchen Lösungen die Realisierung dieses Vorhabens seitens des Berliner Senats gestartet wird.
Bahnhof Friedrichstraße – Symbol der Teilung Berlins
Der Bahnhof Friedrichstraße als Verkehrsknotenpunkt mit U- und S-Bahn, sowie dem Fernverkehr lag in seiner ganzen Ausdehnung auf Ost-Berliner Territorium. Bis zum Fall der Mauer im November 1989 war er der am meisten frequentierte Grenzübergang der Stadt.
Die Anreise mit der U-Bahn verlief auf West-Berliner Seite unterirdisch, dagegen erfolgte die Anreise mit der S-Bahn oberirdisch in die große alte Halle des Bahnhofs. Hier verlief die Mauer quasi zwischen den Bahnsteigen – eine Metallwand trennte ab den 1980er Jahren die von und nach West-Berlin auf Bahnsteig A pendelnden S-Bahnen vom Bahnsteig für den Fernverkehr und dem Ost-Bahnsteig C. Der Bahnhof Friedrichstraße war somit für die Ost- und West-Berliner der Endhaltepunkt.
Im Bahnhof Friedrichstraße verlief die Mauer zwischen den Bahngleisen
Im Jahr 1982 wurde die alte, drei Meter hohe Mauer zwischen den Bahnsteigen durch eine bis zum Dach der Bahnhofshalle ragenden Wand aus Blech ersetzt – die Trennung der Welten war hier optimal gelungen. Die vom Schwellenschotter bis zum Dach hochgezogene massive und graue Sichtblende aus Metall trennte damit die beiden Bahnhofshallen.
Ost- und West-Berlin waren somit hermetisch voneinander abgeschirmt, die Systeme abgekapselt – ein ganz spezieller ‚Eiserner Vorhang‘, der dem Ort noch eine ganz besondere Note der Tristesse bescherte.
Ort von Ankunft und Abschied: Der “Tränenpalast”
Für legale Ausreisen hatte man 1962 auf dem Bahnhofsvorplatz den im Volksmund sogenannten ‘Tränenpalast‘ errichtet, wo West-Berliner und Bürger West-Deutschlands (BRD), Transitreisende, Touristen, sowie Ein- und Ausreisende abgefertigt wurden.
Im Volksmund wurde dieses Grenzabfertigungsgebäude mitunter auch ‚Tränenbunker‘ genannt, ein im Inneren des Gebäudes mit grünen Kacheln und hohen schmalen Fenstern ausgestatteter hässlicher Bau – seinem Zweck entsprechend.
Nach dem Fall der Mauer verlor der “Tränenpalast” seine Funktion
Für diejenigen, die in Ost-Berlin ihren Ausreiseantrag gestellt hatten und die DDR für immer verlassen wollten, war dieser Ort ein Abschiedsort, wo die Tränen zahlreich flossen, Schmerz und Freude zugleich sich vermischten.
Nach dem Fall der Mauer 1989 hatte dieser gespenstische Bau ‚Tränenpalast‘ seine Funktion als Grenzübergangsstelle verloren, wie auch der Bahnhof Friedrichstraße.
1990 wurde der Grenzübergang Checkpoint Charlie demontiert
Heute sind die geschichtlichen Zeugnisse dieses Grenzübergangs nur noch bruchstückhaft nachzuvollziehen. Im Jahr 1990 wurde der Grenzübergang Checkpoint Charlie demontiert; geblieben ist ein ehemaliges ‚Wachhäuschen‘ der US-Besatzer aus Holz, dass sich mit den davor aufgestapelten Sandsäcken bei den Touristen größter Beliebtheit erfreut und als Hintergrund vieler Fotoschnappschüsse in aller Welt zu sehen ist.
Das ‚Haus am Checkpoint Charlie‘ in der Friedrichstraße 44 dient mittlerweile als Museum, wo die Erinnerungen an dieses monströse Bauwerk ‚Berliner Mauer‘ wachgehalten werden. Ob die zahlreichen Touristen nach der Umgestaltung des ehemaligen Grenzübergangs ‚Checkpoint Charlie‘ dann immer noch zu diesem Ort hin ‚strömen‘ bleibt abzuwarten.
Lesen Sie in Folge 11: Die Neugestaltung der Friedrichstraße nach dem Mauerfall: eine große städtebauliche Chance.
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https://entwicklungsstadt.de/serie-berlins-luftschloesser-teil-2-der-neubau-der-gedaechtniskirche/
https://entwicklungsstadt.de/vergessene-baukunst-die-geschichte-juedischer-architekten-in-berlin/
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2. November 2024
Und warum sollten die Touristen nicht hin zum Checkpoint Charlie hinströmen? Das ist eine der wenigen historischen Sehenswürdigkeiten Berlins, dass aller Welt kennt. Der Abtransport des Originalhäuschens nach Bonn zeugt allerdings von wenig Respekt für diesen Ort seitens der Bundesregierung und der Berliner Senat. Auch die Demontage der Grenzkontrollanlage auf der Sowjetische Seite war ein Fehler.