Eines der meistdiskutierten Bauvorhaben in Berlin wird im kommenden Jahr beginnen: der Wiederaufbau des historischen Karstadt-Gebäudes am Hermannplatz, an der Grenze zwischen Neukölln und Kreuzberg. Die Signa-Gruppe, Eigentümer des Grundstücks, kündigte den Baustart nun für das kommende Jahr an.
© Visualisierungen: Signa / Lendager Group
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Text: Björn Leffler
Es gibt derzeit wohl nur wenige Bauprojekte in Berlin, die so intensiv und kontrovers diskutiert werden wie der geplante Wiederaufbau des historischen Karstadt-Gebäudes am Hermannplatz, an der Grenze zwischen Neukölln und Kreuzberg. Trotz vieler Bedenken und Widerstände der Anwohnerinnen und Anwohner in den umliegenden Quartieren soll das Projekt nun umgesetzt werden.
Bereits im November 2021 hatten wird darüber berichtet, dass die neu gewählte Berliner Landesregierung das Signa-Bauvorhaben am Hermannplatz unterstützen wird. Dies wurde bereits während der noch laufenden Koalitionsverhandlungen an die Medien kommuniziert.
Andreas Geisel leitete im März das Bebauungsplanverfahren ein
Der alte und neue Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel ließ seinen Worten dann im März 2022 Tagen folgen und leitete die Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans ein. Nun teilte das Unternehmen Signa mit, dass Ende kommenden Jahres der Baustart für das ambitionierte Projekt erfolgen wird, mit dem Segen der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, die die Planungshoheit über das Projekt vor zwei Jahren an sich gezogen hatte.
Beide 60 Meter hohen Türme der historischen Konstruktion sollen nach Plänen von Architekt David Chipperfield neu entstehen, die Aufstockung soll in Holzbauweise erfolgen. Laut Unternehmen spare man beim Verzicht auf einen kompletten Abriss und Neukonstruktion etwa als Stahlbeton-Gebäude während des Baufortschritts bis zu 70 Prozent an Treibhausgasen ein.
Einzelhandel, Büros, Wohnungen und gemeinwohlorientierte Nutzung
Nach aktuellem Planungsstand soll die Verkaufsfläche auch zukünftig rund 23.400 Quadratmeter betragen. Hinzu kommen im neuen Haus 45.000 Quadratmeter für Büros, 4.500 Quadratmeter für eine gemeinwohlorientierte Nutzung und 4.100 Quadratmeter bezahlbarer Wohnraum.
Die 3.200-Quadratmeter-Dachterrasse soll öffentlich zugänglich und vielfältig nutzbar sein. Signa erwartet durch das überarbeitete Warenhaus-Konzept zudem 2.000 zusätzliche Arbeitsplätze, die am Hermannplatz entstehen könnten. Die mögliche Eröffnung soll laut Signa im Jahr 2027 erfolgen. Das wären fast genau 100 Jahre, nachdem das Gebäude erstmals fertiggestellt worden war.
Der Ursprungsbau entstand zwischen 1927 und 1929
In den Jahren 1927 bis 1929 wurde am Hermannplatz 10, an der Grenze zwischen den einstigen Berliner Bezirken Kreuzberg und Neukölln, der größte Warenhausbau der Weimarer Republik errichtet. Der sechsgeschossige Stahlbetonbau wurde seitlich durch zwei markante Türme begrenzt, auf deren Dächern jeweils eine hohe Lichtsäule stand und zwischen denen ein 4.000 Quadratmeter großes Dachgartenrestaurant lag.
Im Zweiten Weltkrieg wurde das Haus am Hermannplatz weitgehend zerstört. Die SS legte am 25. April 1945 Sprengsätze, weil die Vorräte im Keller nicht der Roten Armee in die Hände fallen sollten. An der Hasenheide blieb lediglich ein kleiner Teil des Altbaus erhalten, der bis heute Teil des in den folgenden Jahrzehnten mehrfach umgebauten Verkaufshauses geblieben ist.
In den Bezirken wird das Projekt ambivalent betrachtet
In der lokalen Politik und unter Anwohnerinnen und Anwohnern ist das Projekt seit Bekanntwerden der Pläne umstritten. 6.000 Protestunterschriften wurden gesammelt, die “Initiative Hermannplatz” forderte sogar die Einstellung des Projekts. Baustadtrat Florian Schmidt (Die Grünen) lehnte 2019 die Aufstellung eines Bebauungsplans ab. Anschließend entzog der Senat dem Bezirk das Projekt.
Im Zuge des Projekts möchte der Bezirk das gesamte Areal um den Hermannplatz neu entwickeln und dafür mit der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung einen entsprechenden Masterplan aufstellen. Dieser scheint bislang aber noch nicht finalisiert worden zu sein, ungeachtet von Signas Ankündigung, mit dem Bau des Gebäudes starten zu wollen.
Bezirke und Senatsverwaltung müssen beim Projekt eng zusammenarbeiten
Die Bezirke Neukölln und Friedrichshain-Kreuzberg bemängeln die passive Haltung der Senatsverwaltung bei der gemeinsamen Ausarbeitung dieses Masterplans und fordern ein schnelleres Voranschreiten des Vorhabens. Kritiker befürchten außerdem große Auswirkungen der Baustelle auf den Platz und den Verkehrsfluss. Auch der Wochenmarkt könnte durch das Karstadt-Projekt zumindest temporär verdrängt werden.
Diese und weitere offene Fragen müssen die Bezirke Friedrichshain-Kreuzberg (auf dessen Gebiet das Gebäude liegt), Neukölln (dessen Gebiet das Gebäude zu großen Teilen umgibt) und die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung in den kommenden Monaten zügig angehen.
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Quellen: Signa, Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg, Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, Berliner Morgenpost, Wikipedia, ENTWICKLUNGSSTADT BERLIN, Architektur Urbanistik Berlin
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2. November 2024
Es sollte neben dem Hermannplatz auch am Kurfürstendamm 231 neu gebaut werden. Dazu sollte ein Masterplan erarbeitet werden. Wie ist dort der Stand? Auch 2023?
Und dann also erst mal gute 4 Jahre Baustelle; danach eine sogenannte Aufwertung der Gegend mit damit verbundenen hohen Mieten. Schönen Dank auch.
Und ein links-grüner-Senat, der gemeinsame Sache mit Signa und dem rechten Benko macht.
Demokratie geht anders.
Im gesamten Bezirk gibt es überwiegend Stimmen gegen das Projekt, Einzelhändler, darunter familiengeführte Betriebe, fürchten um ihre Existenz, Anwohner um eine fortgesetzte Mietenexplosion (nachdem wir es hier, je nach Lage, schon mit Verzwei- bis -dreifachung bei Neuvermietungen zu tun haben).
Wie kann es sein, dass sowas durchgedrückt wird?
Benko ist übrigens nicht einfach “rechts”, sondern scheint mitten drin in diversen österreichishen Korruptionsskandalen zu stecken, darunter der illegaler Parteienfinanzierung. Der einstige FPÖ-Vizekanzler Strache benannte Benko im auf der Insel Ibiza heimlich gefilmten Video als Spender, wenngleich von Benko bestritten. Seit November läuft gegen Benko der Chorherr-Prozess, hier sollen Geldzuwendungen an einen Wiener Politiker der dortigen Grünen geflossen sein, damit dieser Entscheidungen in Sachen Bauprojekte beschleunigt; die Staatsanwaltschaft ermittelt in weiteren Fällen wegen Bestechlichkeit gegen den Investor.
Natürlich gilt, was Berlin angeht, die Unschulsvermutung, aber hier summieren sich einfach die Anzeichen, dass es sich hier eher um keinen soliden Geschäftspartner handelt. Das Einstreichen hoher Coronahilfen, von 680 Millionen Euro für die Kaufhausgruppe ist die Rede, das Ganze wird flankiert durch Insolvenzen und teuere Prestigeprojekte.
Das verheißt alles nicht Gutes. Sein lassen!