Der Wiederaufbau der Synagoge am Fraenkelufer in Berlin-Kreuzberg nimmt Form an. Der nun entschiedene Architekturwettbewerb ebnet den Weg für das geplante Kultur- und Gemeindezentrum auf dem Grundstück der historischen Synagoge, die nach dem Zweiten Weltkrieg abgerissen wurde. Durchsetzen konnten sich die Büros Staab Architekten und Atelier Loidl Landschaftsarchitekten.

Ein neues Kapitel für die jüdische Gemeinde am Fraenkelufer: Der Architekturwettbewerb für den Wiederaufbau der einstigen Synagoge bringt frische Ideen, um den historischen Ort in ein lebendiges Kulturzentrum zu verwandeln. / © Visualisierung: Staab Architekten, Atelier Loidl Landschaftsarchitekten
© Visualisierungen: Staab Architekten, Atelier Loidl Landschaftsarchitekten
Bauvorhaben, bei denen historische Gotteshäuser restauriert, wiederaufgebaut oder in ihrer zukünftigen Nutzung vollkommen neu gedacht werden, gehören zu den spannendsten aber auch komplexesten Stadtentwicklungsprojekten in der Hauptstadtregion.
Hierbei können Beispiele wie die Rekonstruktion der Parochialkirche, das Projekt „House of One“ am Petriplatz oder der Umbau der St. Hedwigs Kathedrale genannt werden. Auch in Potsdam hat es kürzlich mit der Eröffnung der neuen Synagoge und dem umstrittenen Wiederaufbau der Garnisonkirche vergleichbare Projekte gegeben.
Lange Vorlaufzeit: Sanierung oder Wiederaufbau historischer Sakralgebäude
Allen Projekten gemein ist die lange Vorlaufzeit, die es benötigt, um solche Projekte, die häufig auf gesellschaftliche Initiativen zurückgehen, letztlich zu realisieren. Auch am Kreuzberger Fraenkelufer soll ein solches Vorhaben umgesetzt werden.
Die Jüdische Gemeinde Berlin plant, das historische Haupthaus der Synagoge neu errichten zu lassen. Wie viele andere Synagogen auch wurde das prachtvolle Gebäude während der Reichspogromnacht im November 1938 stark beschädigt und in weiten Teilen zerstört.
Fraenkelufer in Kreuzberg: Wiederaufbau der historischen Synagoge geplant
Seit Ende des Zweiten Weltkriegs nutzt die ansässige Gemeinde das schlauchförmige Nebengebäude der einstigen Synagoge als Gotteshaus und Treffpunkt, da dieses in der Pogromnacht nur teilweise beschädigt wurde.
Das Hauptgebäude hingegen war nach den Zerstörungen unbenutzbar geworden, wurde erstaunlicherweise aber erst Ende der 1950er Jahre komplett abgerissen. Seit dieser Zeit funktioniert das Nebengebäude als eigentliche Synagoge.
Synagoge in Kreuzberg soll in ihrer ursprünglichen Form errichtet werden
Wie auch beim geplanten Wiederaufbau der Synagoge im Hamburger Grindelviertel soll die einstige Synagoge am Landwehrkanal in ihrer ursprünglichen Ausdehnung wiederaufgebaut werden. Nur die Nutzung soll eine neue sein, denn in dem neuen Gebäude soll ein jüdisches Kulturzentrum entstehen.
Mit dieser Einrichtung möchte die Gemeinde ein Zeichen der Toleranz, des Miteinanders, der Weltoffenheit und des Zukunftsoptimismus senden. Einer der Initiatoren des Projektes ist Dr. Dekel Peretz. Er ist Vorsitzender des Vereins „Jüdisches Zentrum Synagoge Fraenkelufer“ und treibt das Vorhaben seit nunmehr rund acht Jahren voran.
Synagoge am Fraenkelufer: Architekturwettbewerb gestartet
Der nächste Meilenstein für das Projekt war im Sommer 2024 der Start des Architekturwettbewerbs für den geplanten Neubau. Im Rahmen eines europaweiten Wettbewerbs wurde in den vergangenen Monaten nach einer konkreten baulichen und gestalterischen Lösung für ein Projekt gesucht, das ein Gemeinde- und Kulturzentrum sowie eine Kindertagesstätte mit 45 Plätzen umfassen soll.
Der Wettbewerb lief bis Ende des Jahres 2024, und in der zweiten Januarhälfte 2025 sollte eine Jury den Siegerentwurf auswählen, was nun auch erfolgt ist. Der Trägerverein teilte am Freitag mit, dass sich im Rahmen eines Wettbewerbs das Team von Staab Architekten in Zusammenarbeit mit dem Atelier Loidl Landschaftsarchitekten durchsetzen konnte.
Staab Architekten und Atelier Loidl gewinnen Architekturwettbewerb für Wiederaufbau der Synagoge in Kreuzberg
Das prämierte Konzept dient nun als Grundlage für die weitere Bauplanung, die von der landeseigenen Immobiliengesellschaft Berlinovo geleitet wird. „Die detaillierte Ausarbeitung des Entwurfs soll nun gemeinsam mit Berlinovo zügig vorangetrieben werden, damit am 9. November nächsten Jahres am Fraenkelufer der Grundstein für das Jüdische Zentrum gelegt werden kann“, erklärte Engelbert Lütke Daldrup, der Baubeauftragte des Projekts.
Der Trägerverein kommentierte das Ergebnis in einem offiziellen Statement wie folgt: „Nach intensiver Auseinandersetzung mit den 18 eingereichten Wettbewerbsbeiträgen in einer ganztägigen Preisgerichtssitzung am 15. Januar 2025 haben die neun Fach- und Sachpreisrichter:innen die Gewinnerentwürfe ausgewählt.“
Den zweiten und dritten Preis erhielten zwei Büros aus Hamburg (DFZ Architekten und hope Architekten). Vorsitzende des Preisgerichts war die renommierte Berliner Architektin Prof. Ulrike Lauber, auch Engelbert Lütke Daldrup saß im Gremium, welches letztlich die Entscheidung für das siegreiche Team von Staab Architekten / Atelier Loidl traf.
Bezirksbürgermeisterin Clare Herrmann: „Ein besonderer Tag für unseren Bezirk und Berlin“
Raed Saleh, Vorsitzender des Kuratoriums zum Wiederaufbau der Synagoge Fraenkelufer, äußerte sich nach dem Wettbewerb wie folgt: „Das vom Kuratorium für den Wiederaufbau der Synagoge Fraenkelufer angestoßene Projekt ist bundesweit einmalig. Ich bin stolz darauf, dass wir 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der Herrschaft der Nationalsozialisten mitten im Herzen Berlins eine zerstörte Synagoge wieder aufbauen werden. Ich bin dankbar für die Botschaft der Hoffnung, die wir damit in die Welt senden, dass jüdisches Leben hier in Berlin zuhause ist und ein integraler Bestandteil der Berliner Stadtgesellschaft bleibt.“
Auch Bezirksbürgermeisterin Clara Herrmann zeigte sich erfreut: „Heute ist ein besonderer Tag für unseren Bezirk und für Berlin. Wir sind sehr dankbar, eine so aktive jüdische Gemeinde bei uns in Kreuzberg zu haben. Mit dem Bau des jüdischen Zentrums am Fraenkelufer geben wir jüdischem Leben in unserem Bezirk ein Zuhause. Der Wiederaufbau des jüdischen Gemeinde-, Bildungs- und Kulturzentrums an der Stelle der ehemaligen Hauptsynagoge ist unsere historische Verantwortung. Das neue jüdische Zentrum wird ein Ort des Miteinanders, der Begegnung und des Dialoges. Damit stärken wir den Zusammenhalt.“
Wiederaufbau der Synagoge soll bis zu 25 Millionen Euro kosten, Grundstein könnte 2026 gelegt werden
Die Initiatoren schätzten die Kosten für den Wiederaufbau von Beginn an auf etwa 20 bis 25 Millionen Euro. Nach Aussage von Lütke Daldrup habe sich an diesem finanziellen Rahmen bislang auch nichts geändert. In verschiedenen Investitionstöpfen des Landes Berlin seien demnach bis zu 24 Millionen Euro für das Vorhaben reserviert, zusätzlich zu eingehenden Spenden.
Lütke Daldrup äußerte die Hoffnung, dass nach Abschluss des Architektenwettbewerbs und weiterer Planungsverfahren die Baugenehmigung im Jahr 2026 erteilt werden könne. Wenn alles optimal verlaufe, könnte gegen Ende 2026 der Grundstein gelegt werden.
Synagoge am Fraenkelufer entstand von 1913 bis 1916, mitten im Ersten Weltkrieg
Die historische Synagoge entstand von 1913 bis 1916 im klassizistischen Stil nach Plänen von Alexander Beer, dem Baumeister der jüdischen Gemeinde. Sie bot damals Platz für 2.000 Personen und war damit eine der größten Synagogen der Stadt.
Beer ist auch verantwortlich für die jüdische Mädchenschule in der Auguststraße und eine weitere Synagoge in Wilmersdorf, die ebenfalls 1938 beschädigt wurde und komplett niederbrannte. Im Gebäude am Fraenkelufer (damals Kottbusser Ufer), welches mittelalterliche und barocke Stilelemente vereinte, waren ein Saal für Jugendgottesdienste, die Wochentagssynagoge und Dienstwohnungen untergebracht.
Stetiges Wachstum: Neue Dynamik für jüdisches Leben in Kreuzberg
Die heutige jüdische Gemeinde in Kreuzberg verzeichnet seit rund 15 Jahren ein signifikantes Wachstum. Das liegt vor allem an den vielen Juden, die aus dem Ausland hergezogen sind. Sie kamen aus Ländern wie den USA, Ungarn oder Israel, einige auch aus Lateinamerika.
Das jüdische Leben in Kreuzberg, welches auch während des Zweiten Weltkrieges und der anschließenden Jahrzehnte nie aufgehört hatte, hat vor allem seit der Wiedervereinigung eine ganz neue Dynamik gewonnen. Der erneut aufkeimende Antisemitismus der vergangenen Jahre wird auch hier mit großer Sorge beobachtet. Umso relevanter wird in der Gemeinde das Wiederaufbau-Projekt am Fraenkelufer bewertet.

Die historische Synagoge lag direkt am einstigen Kottbusser Ufer, heute Fraenkelufer. Diese Aufnahme wurde kurz vor Ende des 2. Weltkrieges gemacht, als das Gebäude bereits beschädigt war. / © Foto: Leo Baeck Institue New York / Berlin

So sah das Gebäude in Berlin-Kreuzberg in der kurzen Dauer seines Bestehens bis zum November 1938 aus. / © Foto: Leo Baeck Institue New York / Berlin
Quellen: Staab Architekten, Atelier Loidl, Jüdisches Zentrum Synagoge Fraenkelufer e. V., Leo Baeck Institue New York / Berlin, Deutsche Presse-Agentur, Berlinovo