Am nördlichen Ende der “Europacity”, in Berlin-Moabit, ist in den vergangenen vier Jahren der historische Kornversuchsspeicher in ein modernes Event-, Gastronomie- und Bürogebäude umgebaut worden. Der 1898 errichtete Speicher wurde ab Ende des 19. Jahrhunderts genutzt, um neue Lagerungsmethoden zu erforschen und die Versorgung der wachsenden Bevölkerung sicherzustellen.
Text und Fotos: Björn Leffler
Die in Berlin-Moabit entstehende “Europacity” wird nur selten genannt, wenn von gelungener, moderner Architektur im heutigen Berlin gesprochen wird. Das Image des neu entstehenden Quartiers zwischen dem Berliner Hauptbahnhof im Süden und dem Nordhafen am nördlichen Ende des Baufelds ist – in rein architektonischer Hinsicht – nicht das beste.
Zu einfallslos, zu wenig kreativ, zu nüchtern – dies sind die Beschreibungen, die man häufig hört, wenn über die “Europacity” im Zentrum der Hauptstadt gesprochen wird. Lange galt das Projekt als eines der größten, laufenden Bauvorhaben Berlins, langsam aber sicher werden große Teile des Quartiers fertiggestellt oder sind längst fertig.
Kornversuchsspeicher: Eines der wenigen historischen Gebäude der “Europacity”
Eines der wenigen, historischen Gebäude, die in diesem Stadtraum den Zweiten Weltkrieg überstanden haben, ist der ehemalige Kornversuchsspeicher, der sich am nördlichen Ende der “Europacity” befindet, direkt am Berlin-Spandauer-Schifffahrtskanal, zwischen Kieler Brücke und Golda-Meir-Steg.
Der 1897 bis 1898 von der Baufirma Hermann Streubel errichtete Kornversuchsspeicher verfügte über fünf Schüttböden und vier Silos mit einem Gesamtfassungsvermögen von 1.130 Tonnen Getreide. Bauherr war die Landwirtschaftliche Hauptgenossenschaft.
Versorgung der wachsenden Bevölkerung Berlins musste sichergestellt werden
Bedingt durch das rasante Wachstum Berlins Ende des 19. Jahrhunderts galt es, in diesem Gebäude neue Lagerungsmethoden zu erforschen und zu testen, um die Lebensmittelversorgung der Bevölkerung langfristig sicherzustellen.
Im Jahr 1915 erfolgten dann ein Umbau und die Erweiterung des Speichergebäudes. Dieser Erweiterungsbau wird bis heute von einem Eisenbetonskelett getragen. Bis zur Modernisierung, die 2019 begann, wurde das Gebäude baulich nicht weiter verändert und steht mittlerweile unter Denkmalschutz.
Der ehemalige Kornversuchsspeicher am Nordhafen steht unter Denkmalschutz
Der Denkmalschutz bezieht sich sowohl auf die Fassade als auch auf Teile im Inneren des Gebäudes, was beim nun abgeschlossenen Umbau berücksichtigt werden musste. Nach der Modernisierung des Gebäues verfügt der Kornversuchsspeicher über sieben oberirdische Etagen.
Durch jahrelangen Leerstand war die Substanz des Speichers stark geschädigt, entsprechend aufwändig war die Sanierung und Modernisierung des Gebäudes. Der Stahlbeton der Stützen und Decken musste größtenteils saniert werden, neue Stahlgalerien wurden realisiert. So konnten neue, nutzbare Geschosshöhen geschaffen werden.
Historische Klinkerfassaden wurden erhalten und teilweise ergänzt
Die historischen Klinkerfassaden wurden ergänzt, für die neuen Fenster konnten herausgenommene Steine wiederverwendet werden. Das Konzept des ausführenden Büros AFF Architekten beinhaltete, die historischen Elemente des Baus zu erhalten und sie in moderner Qualität zu ergänzen.
Eigentümer der Immobilie ist die Adler Group. Das Gebäude soll zukünftig als Gewerbestandort genutzt werden, mit Flächen für Büros und Veranstaltungen. Insgesamt ist eine Nutzfläche von rund 2.300 Quadratmetern entstanden.
Gastronomie, Events und Büronutzung sollen im neuen Gebäude Platz finden
Das Erdgeschoss wurde als Ausstellungs-, Event- und Gastronomie-Location mit großer Terrasse entwickelt. In den oberen Etagen sind offene Büroflächen entstanden, die sich für Co-Working oder Start-ups eignen. Im nördlichen Bauteil sind großformatige Fenster eingesetzt worden, vorgehängte Balkons bieten den zukünftigen Nutzerinnen und Nutzern einen Blick in Richtung Nordhafen.
“Der Kornversuchsspeicher ist das einzige historische Gebäude in der Europacity, das den Krieg überstanden hat und mit seiner imposanten Präsenz direkt am Kanal zweifellos ein echtes Wahrzeichen“, sagte Thoma Bergander, Gründer und Geschäftsführer von Taurecon gegenüber der Berliner Woche.
Wer sich heute auf dem Areal der neuen “Europacity” umsieht, kann sehr schnell erkennen, dass ein Gebäude wie der ehemalige Kornversuchsspeicher dem architektonischen Einheitsbrei guttut, um ein seltenes, optisches Highlight zu bilden – vor allem im nördlichen Teil des Baufeldes, welches bislang deutlich weniger kreativ gestaltet wurde als der südliche Bereich am Hauptbahnhof.
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Quellen: Wikipedia, Berliner Woche, Architektur Urbanistik Berlin, Immobilien Zeitung, AFF Architekten, Taurecon Real Estate Consulting
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2. November 2024