Die CDU wollte Berlin gestalten, doch stattdessen stolpert sie von einer Enttäuschung zur nächsten. Während große Stadtentwicklungsprojekte stagnieren, holen die politischen Mitbewerber auf. Kai Wegner bleibt nur wenig Zeit, um endlich eine tragfähige Vision für die Hauptstadt zu entwickeln, bevor es im kommenden Jahr erneut an die Wahlurnen geht. Ohne ein starkes Thema könnte die schwarz-rote Regierung schneller enden als gedacht.

Stillstand statt Digitalisierung: Die Berliner Verwaltungsreform ist das einzig echte Herzensprojekt des Regierenden Bürgermeisters, doch bislang ist das Projekt nicht über unreife Konzepte und Absichtserklärungen hinausgekommen. / © Foto: IMAGO / Berlinfoto

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Es dürfte ein böses Erwachen gewesen sein für die Berliner CDU, die sich mehr schlecht als recht durch die ersten zwei Jahre ihrer Regierungsverantwortung geschleppt hat. Der Wahlsonntag brachte für die Berliner Wahlkreise einen aus christdemokratischer Sicht vollkommen unerwarteten Wahlsieger hervor: Die Linke.

Katerstimmung bei der Berliner CDU: Die Linke ist Wahlsieger der Hauptstadt

Natürlich sollte man dieses Ergebnis nicht vollständig auf die Berliner Lokal- und Landespolitik übertragen, denn schließlich ging es um eine Bundestagswahl. Aber dennoch ist klar, dass die politische Grundstimmung in einem Bundesland immer auch die Wahlergebnisse maßgeblich beeinflusst.

So ist und bleibt Hamburg eine SPD-orientierte Stadt, in Bayern bleibt die CSU unumstößlich an der Spitze, in den ostdeutschen Flächenländern dominiert die AfD. Und in Berlin? Da scheinen sich die Kräfteverhältnisse gerade wieder einmal zu verschieben.

Kai Wegner in der Zwickmühle: Die CDU hat gleich mehrere Kombattanten

Bürgermeister Kai Wegner dürfte beim Blick auf die Wahlergebnisse durchaus nervös werden, da sich Linke, CDU, SPD, Grüne – und leider auch die AfD – auf einem sehr ähnlichen Level bewegen, was die Wählerstimmen angeht. Schon im kommenden Jahr stehen in Berlin die nächsten Abgeordnetenhauswahlen an, und nach derzeitigem Stand wäre dabei durchaus eine Neuauflage eines rot-rot-grünen Bündnisses denkbar – vielleicht sogar unter Führung der Linken oder der Grünen.

Kai Wegner ist derzeit sehr bemüht, für das maue Wahlergebnis der Berliner CDU die migrationsorientierte Politik seines Parteikollegen Friedrich Merz verantwortlich zu machen, wie er mehreren Medien zügig mitgeteilt hat. Dabei sollte Wegner vielmehr vor der eigenen Haustür kehren, denn die Politik der schwarzroten Regierungskoalition ist seit seinem Amtsantritt von einer geradezu absurden Visions- und Ambitionslosigkeit geprägt, die vor allem jene enttäuscht, die Wegner ins Amt des Bürgermeisters gewählt haben, und in ihm durchaus einen Hoffnungsträger sahen.

Wo sind die großen CDU-Projekte? Stillstand in Berlins Stadtentwicklung

Doch noch immer bleibt Wegner die Frage schuldig, wofür die Politik seiner Regierung eigentlich konkret steht – außer dafür, wichtige Projekte der Vorgängerregierungen einzukassieren oder auszubremsen. Die Berlinerinnen und Berliner wissen in jedem Fall, wofür sie nicht steht, etwa den Ausbau des ÖPNV sowie des Radwegenetzes.

Anstelle dessen werden trotz gravierender Einsparungsmaßnahmen Straßenbauprojekte wie die „TVO“ im Südosten Berlins vorangetrieben, die Berlin aufgrund fehlender Subventionierung durch den Bund allein schultern muss – mit voraussichtlich rund 400 Millionen Euro, vielleicht auch mehr. Dabei könnte Wegner an anderer Stelle eigentlich glänzen.

Die CDU möchte mehr Hochhäuser in Berlin – treibt das Thema aber kaum voran

Jahrelang hatte seine CDU – noch in der Opposition sitzend – den verstärkten Bau neuer Hochhäuser im gesamten Stadtgebiet gefordert, um neuen Platz für den dringend benötigten Wohnraum und attraktive Gewerbeflächen zu schaffen. Doch während ambitionierte Hochhausprojekte wie das Projekt „Central Tower“ an der Jannowitzbrücke oder das Bauvorhaben „Urbane Mitte“ am Gleisdreieck im Klüngel der undurchsichtigen Bezirkspolitik feststecken, scheint man in der Senatsverwaltung nicht oder nur sehr langsam auf die Idee zu kommen, diese Projekte durch die Intervention des Senats zu beschleunigen oder in die Zuständigkeit der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung zu ziehen.

Keine Magnetbahn, keine Tram: Verkehrspolitik ohne Vision

Anfangs war die CDU eigentlich mit großem Eifer in ihre erste Regierungsverantwortung seit Jahrzehnten gestartet, doch erste Leuchtturmprojekte wie der Bau einer Magnetbahn in der Berliner Innenstadt verschwanden beim ersten leisen Gegenwind sofort wieder in der Schublade.

Stattdessen verstrickte sich die mittlerweile zurückgetretene Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) mit Auseinandersetzungen in ihrem eigenen Haus – und sorgte stadtweit für großes Stirnrunzeln, als sie Radwegprojekte stoppte oder stark verzögerte, die seit vielen Jahren vorbereitet und geplant worden waren.

Die Berliner CDU und die innere Sicherheit: Versprechen ohne Ergebnisse

Selbst bei CDU-Kernthemen wie der inneren Sicherheit kann die Partei nicht punkten, dabei war Wegner auch durch die Geschehnisse der verheerenden Silvesternacht von vor zwei Jahren ins Amt gekommen, als er medienwirksam nach den Vornamen der Täter fragte. Doch die „harte Hand“, die sich viele Berlinerinnen und Berliner von Wegner versprochen hatten, die ist nicht zu spüren.

Die Budgets von Polizei und Feuerwehr sind genauso angespannt wie in den Jahren zuvor, und auch in der vergangenen Silvesternacht konnte nach Lust und Laune geböllert, gesprengt und eskaliert werden – politische Intervention und die massive Ausweitung von Böller-Verbotszonen blieben erstaunlicherweise aus. Und so stellt sich der Berliner CDU so langsam die Frage, wo sie in den verbleibenden anderthalb Jahren noch punkten will.

Eine „harte Hand“ zeigt Kai Wegner lediglich beim Streichen des Kulturetats

Auffällig ist, dass die CDU bei den leider notwendigen Etat-Kürzungen die Berliner Kulturszene unverhältnismäßig schwer belastet. Hier zeigt Wegner dann die „harte Hand“, für die er wohl gern auch in anderen Themenbereichen stehen würde, doch durch die radikalen Streichungen in zahlreichen Kulturprojekten steht seine schwarzrote Koalition vor allem eines – in der Kritik.

Und sonst? Sonst scheint nicht viel auf der politischen Agenda der CDU zu stehen, während die SPD mit Themen wie dem Schneller-Bauen-Gesetz (Stadtentwicklungssenator Gaebler) oder dem Konzeptverfahren zur Revitalisierung des ICC (Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey) punkten kann – immerhin.

Wegners einziges Herzensprojekt ist die Verwaltungsreform, doch auch diese kommt kaum voran

Das einzige wirklich relevante Projekt, das Kai Wegner noch während seiner Legislaturperiode anstoßen will, ist die dringend nötige Verwaltungsreform. Sie ist das Herzensprojekt des Regierenden Bürgermeisters, doch bislang ist das Projekt nicht über unreife Konzepte und Absichtserklärungen hinausgekommen.

Bereits im Oktober 2023 hatte Wegner das Projekt Verwaltungsreform zu einem zentralen Baustein seiner Politik erklärt und wollte das Thema innerhalb der aktuellen Legislaturperiode entscheidend voranbringen. Eine Neuordnung der Beziehungen zwischen dem Land Berlin und den Bezirken ist das Ziel einer solchen Reform. Wirklich Zählbares kann Wegners Administration bei diesem Vorhaben bislang nicht vorweisen, auch die Digitalisierung der Berliner Behörden, die damit einher gehen sollte, ist bislang keinen Schritt vorangekommen.

Kai Wegners CDU ist auf der Suche nach dem großen Wurf, ist dabei jedoch erstaunlich ideenlos

So wird die Zeit knapp, um bis zur nächsten Abgeordnetenhauswahl noch ein großes Thema auszumachen, mit dem die CDU bei den Berlinerinnen und Berlinern punkten kann. Der Weiterbau der A100 durch dicht besiedelte Wohngebiete in Friedrichshain hat wohl kaum das Potenzial dazu, die Herzen der Stadt zu gewinnen.

Doch auch hier zeigt sich die CDU unbeirrt und unterstützt den fragwürdigen Kurs der Bundesregierung, ungeachtet der Tatsache, dass für den Weiterbau der Autobahn eine teure Brückenkonstruktion über die Spree errichtet werden muss – oder eine noch teurere Untertunnelung. Immerhin, diese Kosten müsste wohl der Bund tragen, und nicht das Land Berlin.

Insgesamt drängt sich für viele Beobachter langsam aber sicher der Eindruck auf, dass die CDU in Berlin vor allem durch biedere, rückwärtsgewandte Stadtentwicklungspolitik und fehlende Visionen auffällt – und das in einer Stadt, die dringend klare Konzepte und entschlossene Führung braucht.

Konzeptlosigkeit der Regierungskoalition: Wo sind die wichtigen und mutigen Reformen für Berlin?

Statt mutige Reformen anzustoßen oder drängende Probleme wie die Wohnungsnot, die Verkehrsplanung oder die Digitalisierung der Verwaltung anzugehen, verliert sich die schwarz-rote Koalition in kleinteiligen Maßnahmen und Symbolpolitik.

Sollte die CDU in diesem merkwürdigen, selbstverschuldeten politischen Stillstand verharren, könnte sie bei den kommenden Wahlen eine bittere Quittung erhalten – und sich schneller als gedacht wieder von ihrer lang ersehnten Führungsrolle in der Hauptstadt verabschieden. Die Bank der Opposition ist ganz sicher nicht da, was Kai Wegner politisch anstrebt, doch im Moment tut er nicht sonderlich viel, um dies zu verhindern.

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One Comment

  1. Max 26. Februar 2025 at 10:39 - Reply

    Berechtigte Kritik, allerdings ist auch bei den anderen Parteien kein Messias zu finden. Berlin lebt weiter unter seinen Möglichkeiten.

    Vielleicht schafft Wegner es wenigstens noch dass man nicht über einen Monat auf einen Bürgeramts-Termin warten muss.

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