Das Viertel rund um den Berliner Nordbahnhof hat aufgrund seiner ganz besonderen Lage – als ehemaliger Grenzbahnhof und mitten zwischen den Stadtteilen Wedding, Mitte und Prenzlauer Berg gelegen – eine spannende, städtebauliche Entwicklung erlebt. Wir haben uns dort einmal umgesehen.
Fotos von Celine Hellriegel und Björn Leffler
Wie für so viele andere Bahnhöfe in Berlin auch war der Zweite Weltkrieg für den einstmaligen Stettiner Bahnhof, der den Namen “Nordbahnhof” erst ab 1950 trug, ein Ereignis, welches er nicht dauerhaft überstehen sollte.
Aufgrund der zahlreichen Schäden durch Bombentreffer der Alliierten und seinen ungünstigen Streckenverlauf – durch die sich nach 1945 sukzessive abgrenzenden Ost- und West-Sektoren Berlins – wurde er Mitte der 50er Jahre geschlossen und bis 1962 abgerissen.
Die wechselhafte Geschichte eines Grenzbahnhofs
Der heutige Nordbahnhof ist eigentlich Teil des einstigen “Stettiner Vorortbahnhofs”, der selbst aber nur bis 1936 betrieben wurde. Aus dieser Zeit jedoch stammt der unterirdische S-Bahnhof, der heute von der Berliner S-Bahn genutzt wird. Der Tunnelbahnhof war während des Bestehens der Berliner Mauer jedoch für den Personenverkehr gesperrt und wurde zu einem sogenannten „Geisterbahnhof“, den die Züge ohne Halt durchfuhren.
Das zugehörige, historische Empfangsgebäude, 1924 errichtet, ist heute Teil des direkt neben dem Gebäude entstandenen Gewerbe- und Büroprojekts “Stettiner Carré”, benannt nach dem einstigen Bahnhof. Das Gebäude wurde 2011 denkmalgerecht saniert und wird heute als Gewerbefläche genutzt, nicht mehr als Empfangsgebäude.
Ein Ort, an dem Geschichte erlebbar gemacht wird
Historische und moderne Architektur prallen hier am Nordbahnhof genauso aufeinander wie die Grenzen der drei Stadtteile Wedding, Mitte und Prenzlauer Berg. Der Nordbahnhof ist Ausgangs- oder Endpunkt (je nachdem) einer der populärsten Mauergedenkstätten Berlins, der Bernauer Straße.
Neben den historischen Bahnhofsgebäuden wird auch die deutsch-deutsche Teilungsgeschichte im Umfeld des Nordbahnhofs anschaulich erlebbar gemacht. Ein Ort, der von vielen Gästen der Stadt, aber auch von den Anwohner*innen intensiv besucht und genutzt wird und sich großer Beliebtheit erfreut.
Der größte Bürostandort der Deutschen Bahn deutschlandweit
So wie der Standort insgesamt. Immerhin sind hier nach der Wiedervereinigung zwei große Bürostandorte verwirklich worden, die heute von der Deutschen Bahn genutzt werden. Das “Stettiner Carré” (Fertigstellung 2005) und das “Nordbahnhof Carré” (2011) bieten gemeinsam Platz für 3.600 Mitarbeiter*innen des Bahn-Konzerns. Damit befindet sich am Nordbahnhof der bundesweit größte Bürostandort der Deutschen Bahn.
Neben den siebenstöckigen Bürobauten ist auch eine Grünfläche entstanden, der “Park auf dem Nordbahnhof”. Im Zusammenhang mit der Neuanlage einer Straßenbahnhaltestelle ließ die Berliner Senatsverwaltung bis zum Jahr 2006 den Bahnhofsvorplatz neu gestalten.
Die Tram-Anbindung erfolgte 2006
Zwischen alten Bahngleisen, die in das neue Pflaster flächenbündig eingelassen wurden, sind einige Namen der ehemals durch die Stettiner Bahn erreichbaren Städte in Pommern und an der Ostsee – in ihrer deutschen und gegebenenfalls auch ihrer polnischen Form – in die Platzfläche eingeschrieben.
Rund um den Nordbahnhof finden sich also bauliche Zeugnisse aus vielen unterschiedlichen Epochen und politischen Systemen, was man dem Ort anmerkt, was ihm aber nicht schadet. Es ist eine spannende Mischung unterschiedlicher Gestaltungs- und Nutzungskonzepte, die glücklicherweise auch geräumige Flächen für Kultur- und Freizeitangebote beinhaltet.
Wohnhaus für 185 Wohnungen auf dem ehemaligen Mauerstreifen
Das letzte Projekt, was am Platz fertiggestellt worden ist, ist ein sechsstöckiges Wohnhaus, welches vom Unternehmen ARB Investment errichtet worden ist. In dem Neubau sind insgesamt 85 Mietwohnungen, Büros, Restaurants, kleinere Läden sowie ein großer Bio-Supermarkt entstanden.
Aufgrund der sensiblen Lage des Baufeldes wurde das Projekt nach Angaben des Projektinvestors in vier Jahren Planungs- und Vorbereitungszeit intensiv mit den Denkmalschützern und der Mauergedenkstätte abgestimmt. Und das Ergebnis kann architektonisch überzeugen. Ein Vorgehen, welches man sich auch für einige andere Baufelder der Hauptstadt wünschen würde.
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