Solaranlagen über der Berliner Stadtautobahn oder entlang der S-Bahntrassen: kluge Ideen für eine nachhaltige Nutzung bislang ungenutzter Flächen in Berlin gibt es eigentlich genug, und auch spannende Modellprojekte, die längst bewiesen haben, dass die Nutzung von Sonnenergie sinnvoll ist. Warum also tut sich der Berliner Senat so schwer damit, in großem Stil auf das Thema Solarenergie zu setzen?

Sinnvolle Idee? Die Überdachung der Berliner Stadtautobahn mit Solarpanelen wurde schon vor Jahren vorgeschlagen. / © Visualisierung: LABOR3 Architektur GmbH

© Foto Titelbild: Messe Berlin
Text: Björn Leffler

 

Am Freitag veröffentlichte die international renommierte New York Times einen Artikel mit dem Titel „A quiet green revolution“. Thema des Artikels war die Tatsache, dass in Deutschland Millionen von Bürgern eigenständig und ohne die Hilfe von Handwerkern oder Elektrikern kleine und große Solarpanels an Balkonen und auf Dächern befestigen.

Eine „stille grüne Revolution“ nennt die progressive amerikanische Tageszeitung das – und staunt über die nachhaltige Ausrichtung der deutschen Bevölkerung, die auch ohne lukrative Förderung von politischer Seite eine Energiewende auf kleinster Ebene vollziehen.

New York Times über Deutschland: „A quiet green revolution“

Dass sich die millionenfache Installation von kleinen und mittelgroßen Solaranlagen auf Wohn- und Reihenhäusern sowie an Miet- oder Eigentumswohnungen signifikant auf den Stromverbrauch des Landes auswirkt, liegt quasi auf der Hand. Automatisch wächst der Anteil erneuerbarer Energien in einem der größten Länder der Europäischen Union.

Aus amerikanischer Sicht löst die unaufgeregte Hinwendung der Deutschen zur Solarenergie durchaus Erstaunen aus – und findet große Anerkennung. Dass sich der europäische Weg mitunter fundamental von (US-) amerikanischen Ansätzen unterscheidet, stellte die New York Times bereits vor einigen Jahren fest, als in einem Leitartikel der Umgang europäischer Länder mit einer grassierenden Hitzewelle beschrieben wurde.

Europa und der andere Weg: Nachhaltige Klimakonzepte auf dem Vormarsch

So beobachteten die amerikanischen Redakteure, wie Franzosen, Italiener, Deutsche oder Spanier kreative und vor allem nachhaltige Wege zur Kühlung ihrer aufgeheizten Innenstädte suchten – und in Scharen öffentliche Badestellen aufsuchten, um sich abzukühlen.

In den USA, so die Autoren, seien Klimaanlagen ein absoluter Standard und weit verbreitet, ungeachtet ihrer klimaschädlichen Auswirkungen. In Europa hingegen seien Klimaanlagen geradezu verpönt und selbst in heißen Ländern bei weitem nicht so verbreitet wie in deutlich kälteren Regionen der USA – was sinnbildlich für viele klimaorientierte Projekte in Europa gesehen wurde.

In Deutschland werden erneuerbare Energien noch immer kritisch diskutiert

Während die Amerikaner also den klimaorientierten Ansatz vieler europäischer Länder bemerkenswert finden, wird hierzulande oft noch despektierlich über den steigenden Anteil erneuerbarer Energien und den vollzogenen Ausstieg aus der Atomenergie diskutiert.

Dabei könnte die Energiewende in Deutschland eigentlich viel schneller voran gehen und der Anteil erneuerbarer Energien schon heute deutlich höher sein. Vor allem in Ballungsräumen gibt es zahlreiche Potenziale, die bisher zwar andiskutiert wurden, aber weit entfernt von einer tatsächlichen Umsetzung sind.

Berlin: Überdachung der Stadtautobahn mit Solarmodulen?

Dafür gibt es auch in Berlin mehrere Beispiele. So wurde bereits vor Jahren von der – damals noch in der Opposition befindlichen CDU – der Vorschlag unterbreitet, die Berliner Stadtautobahn mit Solarmodulen zu überdachen, um auf diesem Wege nachhaltige Energie zu generieren und den Raum über den mehrspurigen Autobahnen effizient zu nutzen.

Berücksichtigt man den Flächenverbrauch der Berliner Stadtautobahn, wäre der potenzielle Energiegewinn enorm – und würde sich signifikant auf die Berliner Energiereserven auswirken und somit auch große Einsparpotenziale für den Berliner Senat ermöglichen.

Effiziente Nutzung von Verkehrsflächen, Senkung der Energiekosten

Die eigentlich naheliegende Idee verschwand jedoch genauso in der Schublade wie der Vorschlag, entlang der Berliner S-Bahntrassen Photovoltaikanlagen zu installieren, denn auch dort stehen noch große Flächen zur Verfügung, die bislang schlicht und ergreifend ungenutzt sind.

Auch dort könnten mehrere hundert Kilometer mit nachhaltigen Solaranlagen versehen werden, auch wenn Reparaturkosten durch Vandalismus und Instandhaltungskosten für die Anlagen natürlich einkalkuliert werden müssten.

Solarenergie: Berlin bietet noch viele Potenzialflächen

Berlin ist, entgegen dem Empfinden vieler Einheimischer, im Vergleich mit anderen europäischen Metropolen keine sehr dicht besiedelte Stadt und bietet noch viele weitere Potenzialflächen, auf denen solche Photovoltaik-Parks installiert werden könnten.

Und dafür braucht es nicht einmal viel kreative Energie. In der deutschen Hauptstadt gibt es noch große Parkplatzflächen, die unkompliziert mit Solarpanelen überbaut werden könnten, etwa am Messegelände, rund um das Olympiastadion oder an zahlreichen Lebensmittel- oder Möbelmärkten.

Friedrichshain-Kreuzberg stattet öffentliche Gebäude mit Solarmodulen aus

Fairerweise sei hier aber erwähnt, dass auf dem Dach des Olympiastadions bereits seit mehreren Jahren Solarmodule liegen. Genauso ist die Messer Berlin dabei, die Dächer der historischen Messehallen mit Photovoltaik-Technologie auszustatten.

Ähnliche Wege geht der traditionell grün regierte Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg, der bereits seit Jahren öffentliche Gebäude, Behörden und Schulkomplexe mit Anlagen zur Gewinnung von Sonnenergie ausstatten lässt. Im berlinweiten Vergleich ist der Bezirk in dieser Disziplin weit vorn, viele ernstzunehmende Nachahmer hat es bislang – erstaunlicherweise, bedauerlicherweise – nicht gegeben.

Hauptbahnhof, Alexanderplatz, Südkreuz: Dachflächen für Solarmodule

Auch die Deutsche Bahn könnte ihre vorhandenen Flächen noch deutlich optimaler nutzen, nicht nur entlang der S-Bahngleise. Auf den Dächern der großen Berliner Bahnhöfe – Zoologischer Garten, Alexanderplatz, Friedrichstraße, Ostbahnhof, Südkreuz, Spandau oder Hauptbahnhof – könnten großflächige Solarparks installiert werden. Genauso könnten die Dächer bestehender, kleinerer Bahnhöfe umgerüstet werden – in Summe würde eine erstaunlich große Nutzfläche herauskommen.

Neuere Wohnungs- oder Gewerbeprojekte integrieren Solarenergie mittlerweile wie selbstverständlich in das Gesamtkonzept, vor allem die landeseigenen Wohnungsbauvorhaben setzen langfristig auf den Einsatz erneuerbarer Energien.

Viele Wohnungs- und  Gewerbeprojekte setzen längst auf Sonnenenergie

Auch bei ambitionierten und nachhaltig orientierten Gewerbeprojekten wie etwa dem „BE-U“ in Oberschöneweide oder dem „Zille-Campus“ in Charlottenburg wird auf Solarenergie als Energielieferant gesetzt. Die Solarenergie ist in Berlin also durchaus auf dem Vormarsch, wird aber vor allem von öffentlicher Seite noch viel zu zaghaft forciert.

Dabei gibt es im gesamten Stadtgebiet noch große Potenzialflächen, die zumindest auch temporär genutzt werden könnten, wie etwa das Dach oder das Vorfeld des Flughafens Tempelhof, die riesigen Flächen des ehemaligen Flughafens Tegel, die bestehenden Freiflächen entlang des Adlergestells oder das ehemalige Terminal 5 des Flughafens BER, den alten Flughafen Schönefeld.

Die Politik ist gefordert: Es ist längst Zeit, zu handeln

Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass in der Hauptstadtregion die Sommer trocken und sonnenreich sind, viel wärmer und viel niederschlagsärmer als in den vergangenen Jahrzehnten. Dieser Trend wird sich auch in den kommenden Jahrzehnten fortsetzen – und sich aller Voraussicht nach verstärken.

Was für den Wassermanagement der Region eine große Herausforderung darstellt, kann für das Thema Solarenergie jedoch gewinnbringend genutzt werden. Allein, der politische Wille dazu muss vorhanden sein, denn kluge Ideen warten nur auf ihre Umsetzung. Es ist längst an der Zeit, zu handeln.

 

Quellen: New York Times, Messe Berlin, Olympiastadion Berlin GmbH, Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg, CDU Berlin, S-Bahn Berlin GmbH, Der Tagesspiegel, Berliner Morgenpost, Berliner Zeitung, Deutsche Bahn, LABOR3 Architektur GmbH

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