Als moderne Rekonstruktion des historischen Berliner Stadtschlosses polarisiert das Humboldt Forum mit seiner Geschichte und Architektur und regt zu kontroversen Debatten an. Das Gebäude ist knapp vier Jahre nach seiner Eröffnung ein Ort, der Berlins Vergangenheit reflektiert und die Zukunft der Stadt maßgeblich mitgestaltet, als Museum und lebendiger Schauplatz des gesellschaftlichen Dialogs.

Das Humboldt Forum in Berlin vereint historische Rekonstruktion und moderne Kontroversen und wird als bedeutender Kulturraum gefeiert und zugleich kritisch hinterfragt. Zwischen kulturellen Angeboten und architektonischen Diskussionen bleibt es ein lebendiger Schauplatz des gesellschaftlichen Dialogs. / © Foto: ENTWICKLUNGSSTADT BERLIN

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Text: Björn Leffler

 

Eines der spektakulärsten und kontroversesten Bauvorhaben in der Berliner Mitte war der Neubau des Humboldt Forums, dessen äußere Gestalt als plastische Rekonstruktion des einstigen Berliner Stadtschlosses umgesetzt wurde.

Über die fast schon abenteuerliche Geschichte des Hamburger Kaufmanns Wilhelm von Boddien, der es sich letztlich zur Lebensaufgabe machte, das einstige Hohenzollernschloss wieder aufzubauen, ist mittlerweile viel geschrieben worden.

Das Humboldt Forum in Berlin-Mitte: Der mühsame Weg zum Wiederaufbau

Wie mühsam der Weg dorthin war und wie viel persönlicher Einsatz über Jahrzehnte hinweg von vielen Privatleuten und ehrenamtlich tätigen Helfern nötig war, hat von Boddien in seinem Buch beschrieben, und dennoch kann man nur erahnen, wie hoch der persönliche Einsatz jedes Einzelnen gewesen sein mag.

Boddien selbst wird von Befürwortern des Schlossbaus als bewundernswerte Persönlichkeit gefeiert, während ihn die Gegner des Projekts zum „Totengräber“ des bis 2008 abgerissenen Palastes der Republik stilisieren möchten.

Wilhelm von Boddien und seine Mitstreiter konnten über 120 Millionen Euro Spendengelder sammeln

Auf so simple Formeln lässt sich ein so vielschichtiges und komplexes Bauvorhaben natürlich nicht reduzieren. Von Boddien konnte letztlich genug Befürworter und Sympathisanten für das Projekt gewinnen und gemeinsam mit seinen Mitstreitern eigeninitiativ über 120 Millionen Euro für den Wiederaufbau sammeln.

Hunderte von handelnden Personen waren letztlich nötig, um eines der bedeutendsten Kulturbauvorhaben der Nachkriegsgeschichte umsetzen zu können; Steinmetze, Stadthistoriker, Archivare, Baufachleute, Architekten, Politiker und Unterstützer auf unterschiedlichen Betätigungsfeldern.

Die Eröffnung des Humboldt Forums erfolgte inmitten der Corona-Pandemie

Letztlich wurde das Gebäude mit etwa einjähriger Verspätung eröffnet, in den komplizierten Corona-Jahren und sukzessive, Flügel für Flügel. Mittlerweile ist der Kulturbau seit fast vier Jahren auch für die Öffentlichkeit zugänglich, und wird ausgesprochen rege genutzt.

Laut Berliner Senat ist das Humboldt Forum mittlerweile das meistbesuchte Museum Berlins, noch vor beliebten Museen wie der Gedenkstätte Berliner Mauer an der Bernauer Straße, der Topographie des Terrors oder des Jüdischen Museums. Dass die Besucherzahlen der staatlichen Berliner Museen so stark anstiegen (insgesamt wurden 2023 über 12 Millionen Gäste gezählt) war auch ein Verdienst der attraktiven Ausstellungen im Humboldt Forum.

Humboldt Forum: Berlins meistbesuchtes Museum im Jahr 2023

Doch auch nach seiner Eröffnung bleibt das Humboldt Forum ein Diskussionsthema. Während im Gebäude selbst mit einer umfangreichen Ausstellung an die Geschichte der 13-jährigen Nutzungszeit des Palastes der Republik und dessen auf seine eigene Art und Weise außergewöhnliche Architektur erinnert wurde, forderte unlängst eine Gruppe von Architekten und Stadtplanern einen gänzlich anderen Umgang mit den historisch originalgetreu rekonstruierten Fassaden des Gebäudes.

Die Initiative “Schlossaneignung” fordert selbstbewusst, dass historische Spuren in den Fassaden des Humboldt Forums sichtbar gemacht werden sollen: Spuren der Novemberrevolution von 1918 oder Kennzeichnungen der verheerenden Bombenschäden im Zweiten Weltkrieg. Auch der Umgang mit rechtslastigen Spendern soll neu überdacht werden.

Das rekonstruierte Stadtschloss ist wieder der architektonische Fixpunkt der historischen Berliner Mitte

Wer das Gebäude heute sieht, findet ein Gebäude vor, das als architektonischer Fixpunkt für die umliegenden Stadträume dient, und als optisches sowie räumliches Gegengewicht zum massiven Berliner Dom.

Ausgerechnet die modern gestaltete Fassade auf der Ostseite des Gebäudes, die wohl als architektonischer Anknüpfungspunkt an den an dieser Stelle errichteten und später abgerissenen Palast der Republik zu werten ist, wird heute von vielen Besuchern als architektonische Schwachstelle des Gebäudes gesehen.

Rund um das Humboldt Forum stehen weitere städtebauliche Veränderungen an

Zu beiden Seiten des Humboldt Forums stehen noch weitere städtebauliche Veränderungen aus, die in den kommenden Jahren umgesetzt werden sollen. So soll vor dem Eosanderportal auf der Westseite noch das umstrittene Einheitsdenkmal errichtet werden, auf der gegenüberliegenden Spreeseite wird noch immer intensiv um die Neugestaltung der Schinkelschen Bauakademie gerungen.

Auf der anderen Seite des Kulturbaus, gegenüber der modernen Ostfassade des Gebäudes, plant das Unternehmen Grün Berlin die Realisierung einer modernen Grünfläche, deren Bau ab Ende 2024 beginnen soll. Andere Initiative wie die Stiftung Mitte Berlin plant an dieser Stelle aber die Rekonstruktion weiter Teile der einstigen Berliner Altstadt.

Humboldt Forum: Für die Stiftung Preußischer Kulturbesitz ein Glücksfall

Unabhängig davon scheint das raumgreifende Gebäude auf der Museumsinsel seinen Platz und auch seine kulturelle Bestimmung gefunden zu haben. Für die Stiftung Preußischer Kulturbesitz ist das Humboldt Forum vermutlich ein Segen, da es die schmerzliche Schließung des Pergamonmuseums bis 2037 zumindest teilweise ausgleichen kann.

Das Gebäude wird von vielen Berlin-Besuchern und Kulturinteressierten mittlerweile wie selbstverständlich angenommen, was auch daran liegt, dass es intensiv bespielt wird. Open-Air-Kino und Public Viewing im Sommer, Gastronomie im Schlüterhof, ein Restaurant auf der Dachterrasse und zahlreiche Workshops, Ausstellungen und Veranstaltungen bringen Leben in das Humboldt Forum. Und im vergangenen Winter wurde erstmals ein Weihnachtsmarkt rund um das Schloss organisiert.

Symbol der Hohenzollern oder Berliner “Centre Pompidou” im klassischen Gewand?

Als Symbol für die Herrschaftsdynastie der Hohenzollern und durch die Zurschaustellung christlicher Symbole bleibt das rekonstruierte Stadtschloss für viele Menschen in seiner heutigen Form dennoch ein fehlgeleitetes Bauprojekt, dessen Gestalt als zu wenig differenziert und geschichtsverklärend empfunden wird.

Diskussionen um Gestaltung und Wirkung des Humboldt Forums werden das Gebäude auch in den kommenden Jahren mit großer Wahrscheinlichkeit noch weiter begleiten, und das sollte nicht unbedingt allzu negativ bewertet werden.

Die Zukunft: Das Humboldt Forum als Ort für Diskussionen und Meinungsaustausch?

Denn wenn das historisch gestaltete Gebäude zu Diskussionen und Meinungsaustausch anregt, erfüllt es gleichzeitig auch eine seiner wichtigsten Funktionen: Das Humboldt Forum soll ein Ort der Begegnung, des Denkens und der Reflektion sein und auf Dauer bleiben.

Das hätte seinem Namensgeber, dem Forschungsreisenden Alexander von Humboldt, mutmaßlich gut gefallen. Außerdem wäre es geradezu merkwürdig, wenn ein Projekt von solcher Größe und Bedeutung in einer Stadt wie Berlin nicht umstritten wäre. Das gehört in der Hauptstadt im Grunde zum guten Ton, und das ist auch gut so.

 

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Quellen: berlin.de, Wasmuth & Zohlen Verlag, Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, Statista, Initiative Schlossaneignung, Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss, Stiftung Mitte Berlin, Stiftung Preußischer Kulturbesitz