Bis das Pergamonmuseum auf der Museumsinsel in Berlin-Mitte wieder vollständig zugänglich sein wird, sollen noch weitere 14 Jahre vergehen. Das teilte die Stiftung Preußischer Kulturbesitz heute mit. Denn die notwendige Sanierung des Südflügels wird deutlich komplexer als bislang angenommen. Auch die Projektkosten steigen dadurch enorm an.
© Visualisierungen: Kleihues + Kleihues Gesellschaft von Architekten mbH
Text und Fotos: Björn Leffler
Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz hat zu Beginn der Woche mit einem überraschenden und völlig unerwarteten neuen Zeitplan für die Sanierung und den Umbau des historischen Pergamonmuseums aufgewartet.
Zuerst einmal wurde im Rahmen einer Baustellenbegehung verkündet, dass das Museum im Oktober 2023 für die kommenden vier Jahre komplett geschlossen wird. Die Fertigstellung der Sanierung von Nord- und Mittelflügel, die derzeit läuft, ist zwar für das Jahr 2025 vorgesehen, doch erst im Frühjahr 2027 soll dieser Teil des Museums dann wieder öffnen.
Der Südflügel des PergamonMuseums soll für 14 Jahre geschlossen werden
So weit so gut. Noch viel länger geschlossen bleiben wird allerdings der Südflügel des Museums, der bislang noch nicht Teil der Sanierungsarbeiten war. Hier gehen die Experten von einer 14-jährigen Bauzeit aus, währenddessen der Museumsteil nicht zugänglich sein wird.
Eine geradezu schwindelerregende Perspektive. Der südliche Gebäudeteil befinde “sich in einem sehr schlechten Bauzustand, der Auswirkungen auf die Standsicherheit des Gebäudes und auf die Sicherheit der Exponate hat“, teilte die Stiftung am Montag mit.
Akuter Sanierungsbedarf aufgrund der starken Durchfeuchtung des Mauerwerks
“Akuter Sanierungsbedarf besteht unter anderem aufgrund der starken Durchfeuchtung des Bauwerks an Fassaden und Dächern,” so die Stiftung weiter. Viele Schäden seien bereits im Krieg entstanden, Instandsetzungen danach aber “völlig unzureichend” vorgenommen worden.
Bislang war von einer Fertigstellung der Sanierungs- und Umbauarbeiten bis spätestens Ende der 2020er Jahre ausgegangen worden. So war auch bis heute die offizielle Version der Projektverantwortlichen. Hermann Parzinger, Präsiden der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, verteidigte die enorme Laufzeitverlängerung am Abend in der RBB-Abendschau.
Hermann Parzinger: “Weltkulturerbe in fürchterlichem, maroden Zustand”
Parzinger sagte dazu wörtlich: “Uns muss klar sein, es ist herausragendes Weltkulturerbe, was in einem fürchterlichen, maroden Zustand ist.” Damit meinte Parzinger vor allem den Südflügel des denkmalgeschützten Museums.
Die Schließung des Südflügels kommt für die Berliner Museumslandschaft einer Hiobsbotschaft gleich, da sich in diesem Gebäudeteil ein Nachbau des berühmten Ischta-Tors befindet, eines der Stadttore von Babylon. Das Ischta-Tor gehört zu den am meisten besuchten Museumsexponaten in ganz Deutschland.
Südflügel-Sanierung: Auf die Ingenieure wartet ein komplexes Mammutprojekt
Dass es nun bis sage und schreibe 2037 nicht mehr zugänglich sein wird, hängt mit dem komplizierten Bauvorhaben zusammen, welches die Ingenieure erwartet. Denn im südlichen Gebäudeflügel befindet sich mit dem Ischta-Tor eingebaute Großarchitektur, die während des Bauprojekts auf keinen Fall beschädigt werden darf – und während des Baus nicht ausgelagert werden kann, da sie fest verbaut ist.
Auch der Baugrund, auf dem der Südflügel steht, erweist sich als ausgesprochen kompliziert. Fundament für diesen Teil des Museums ist eine Betonbrücke aus den 1920er Jahren, die teilweise auch Risse aufweist. Diese Brücke muss erst stabilisiert werden, bevor mit der Renovierung des darüber liegenden Gebäudekörpers begonnen werden kann.
Unter den Museen soll ein unterirdischer Verbindungsgang entstehen
Hinzu kommt noch die geplante, unterirdische Verbindung sämtlicher Museen auf der Museumsinsel. Auch dieses Projekt wird im Rahmen des Pergamon-Projekts umgesetzt und verkompliziert das gesamte Bauprojekt zusätzlich.
Denn die Erschütterungen, die im Tunnel unter den Museen erzeugt werden, dürfen die darüber liegenden Sammlungen nicht beschädigen. Die Verlängerung des Projekts wirkt sich natürlich auch auf die Kosten des Vorhabens aus. Die Sanierungs- und Baukosten für den südlichen Teil belaufen sich nach jetziger Planung auf rund 722 Millionen Euro.
PergamonMuseum: Gesamtkosten von 1,2 Milliarden Euro werden erwartet
Zusätzlich sind fast 300 Millionen Euro für Preissteigerungen während der Bauarbeiten eingeplant, so dass es nicht zu weiteren, unerwarteten Kostensteigerungen kommen soll. So wird die Sanierung des gesamten Komplexes eine Summe von 1,2 Milliarden Euro verschlingen – wenn es denn dabei bleibt.
Warum die so enorm aufwendige Sanierung des Südflügels und die exorbitante Laufzeitverlängerung des Projekts erst zu einem so späten Zeitpunkt kommuniziert worden ist, wirft ungeachtet aller Komplexität des Projekts und der üblichen finanziellen und zeitlichen Unwägbarkeiten einige Fragen auf.
Das PergamonMuseum wird zu einer Kultur-Dauerbaustelle
Fraglich ist hierbei, ob die Projektverantwortlichen vom Ausmaß des Sanierungsbedarfs selbst überrascht wurden, oder der neue Zeitplan bewusst erst jetzt kommuniziert worden ist. Das weltberühmte Pergamonmuseum, welches bereits seit rund zehn Jahren eine Großbaustelle ist, wird dies auch noch für weitere 14 Jahre bleiben.
Für die Stiftung Preußischer Kulturbesitz ist dies, trotz aller zur Schau getragenen Gelassenheit Hermann Parzingers, eine schlechte Nachricht. Und für die Museumsfreunde der Hauptstadt und die zahlreichen Gäste aus aller Welt ist es das natürlich auch.
Mehr Informationen zur Geschichte und zum Bau des Pergamonmuseums gibt es hier
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Quellen: Stiftung Preußischer Kulturbesitz, RBB, Wikipedia, Berliner Morgenpost, Kleihues + Kleihues Gesellschaft von Architekten mbH
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