Nach dem plötzlichen Einsturz der Carolabrücke in Dresden in der Nacht auf Mittwoch stehen Fragen zur Sicherheit von Brücken aus den 1970er Jahren im Raum. Auch in Berlin geraten vergleichbare Bauwerke, die dringend modernisiert werden müssen, verstärkt in den Fokus.

Wird schmaler als die alte Brücke aus den 1970er Jahren: Der geplante der Neubau der Mühlendammbrücke in Berlin-Mitte. / © Visualisierung: Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz, Arup Deutschland GmbH, COBE A/S

© Foto Titelbild: ENTWICKLUNGSSTADT BERLIN
Text: Björn Leffler

 

In Dresden ist in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch ein Teil einer bedeutenden Elbbrücke eingestürzt. Nur wenige Minuten zuvor hatte eine Straßenbahn die Brücke in der Nacht noch überquert. Kurz nach 3 Uhr morgens stürzte der Abschnitt ins Wasser.

Durch den Schaden an zwei großen Leitungen kam es am Mittwoch zu Störungen in der Fernwärmeversorgung der Stadt. Es ist derzeit noch unklar, ob und in welchem Ausmaß der Einsturz mit den laufenden Sanierungsarbeiten an der Brücke in Zusammenhang steht. Die in drei Abschnitte unterteilte Carolabrücke wird seit 2019 saniert.

Dresden: Die in den 1970er Jahren gebaute Carolabrücke überraschend eingestürzt

Bereits vor Beginn der Arbeiten wurde im Stadtrat mehrfach auf die Ermüdungserscheinungen des Bauwerks aus den 1970er-Jahren hingewiesen. Der nun eingestürzte Abschnitt sollte als letzter im kommenden Jahr saniert werden, nachdem die Arbeiten an den beiden Fahrspuren für Autos abgeschlossen sind.

Viele Berliner fragen sich nun, ob ein solches Szenario auch in Berlin denkbar wäre – immerhin gibt es in der Stadt vergleichbare Bauwerke, die ebenfalls in den 1970er Jahren in ähnlicher Ausführung errichtet wurden. Wir geben einen Überblick über vier Brückenbauprojekte, die durchaus vergleichbar sind.

Elsenbrücke zwischen Friedrichshain und Treptow

Die Elsenbrücke, die einst die Bezirke Friedrichshain-Kreuzberg und Treptow-Köpenick verband, musste nach Jahrzehnten aufgrund von Rissen abgerissen werden. Eine Sanierung war nicht möglich, daher wird die Brücke komplett neu errichtet. Eine Behelfsbrücke soll bis zum Neubau des Nordwestteils im Jahr 2025 den Verkehr in beide Richtungen ermöglichen. Die vollständige Fertigstellung der neuen Elsenbrücke war ursprünglich für 2028 geplant, könnte sich jedoch verzögern.

Der Neubau der Elsenbrücke ist eng mit dem umstrittenen Weiterbau der A100 verbunden, der durch dicht besiedelte Gebiete von Treptow über Friedrichshain bis Prenzlauer Berg führen soll. Die aktuelle Planung für die Elsenbrücke könnte sich aufgrund der Überlegungen des Bundes zur A100 nochmals ändern.

Vier verschiedene Varianten für die Über- oder Unterquerung der Spree werden derzeit geprüft, was die Fertigstellung des Brückenbauprojekts weiter verzögern könnte. Eine endgültige Entscheidung über den Ausbau der A100 wird frühestens Ende 2025 erwartet.

Mühlendammbrücke in Berlin-Mitte

Zwischen Spittelmarkt und Molkenmarkt, entlang der Leipziger Straße und des Mühlendamms, müssen die stark sanierungsbedürftigen Mühlendammbrücke und Neue Gertraudenbrücke, die beide ebenfalls in den 1960er und 1970er Jahren errichtet wurden, abgerissen und neu gebaut werden. Die Bauarbeiten für die Mühlendammbrücke haben bereits begonnen, wobei das südöstliche Brückenteil gesperrt und der gesamte Verkehr auf die verbleibende Hälfte umgeleitet wird. Diese Verkehrsführung wird voraussichtlich bis Mitte 2027 bestehen bleiben, wenn das erste neue Brückenteil fertiggestellt ist.

Der Neubau der Mühlendammbrücke, die täglich von etwa 74.000 Fahrzeugen genutzt wird, hat lange Diskussionen über die Dimensionen des Bauwerks ausgelöst. Der im August 2021 vorgestellte Siegerentwurf des Senats sah eine neue Spuraufteilung vor, jedoch ohne die Breite der Brücke zu erweitern. Nach weiterer Kritik wurde der Entwurf überarbeitet, und die Mühlendammbrücke soll nun in der Breite um neun Meter reduziert werden, während die Neue Gertraudenbrücke um etwa fünf Meter schmaler wird. Die Fertigstellung der Mühlendammbrücke ist frühestens für 2028 oder 2029 geplant, mit geschätzten Kosten von rund 80 Millionen Euro.

Neue Gertraudenbrücke in Berlin-Mitte

Die oben schon erwähnte Neue Gertraudenbrücke muss aufgrund schwerer Schäden ebenfalls abgerissen und neu gebaut werden. Eine Sanierung ist wegen des maroden Zustands des Tragwerks nicht möglich. Um den Innenstadtverkehr während der Bauarbeiten zu entlasten, wurde die Brücke bereits für den Schwerlastverkehr gesperrt und die Anzahl der Fahrspuren reduziert.

Der geplante Neubau der Neuen Gertraudenbrücke sorgte bereits im Vorfeld für Kritik, besonders aufgrund der geplanten Breite von 35 Metern, die viele Anwohner als zu breit und “autobahnähnlich” empfanden. Diese Bedenken wurden in den Realisierungswettbewerb für die Neugestaltung der Brücke einbezogen.

Das Berliner Ingenieurbüro schlaich bergermann partner gewann den Wettbewerb mit einem Entwurf, der nicht nur den Brückenneubau, sondern auch eine Neugestaltung des angrenzenden Spittelmarkts vorsieht. Das neue Konzept plant eine schmalere Brücke, was auch der denkmalgeschützten Alten Gertraudenbrücke von 1895 zugutekommt, die neben der Neuen Gertraudenbrücke verläuft und im Zuge des Projekts ebenfalls saniert werden soll.

Schönhauser Allee Brücke in Prenzlauer Berg

Der geplante Abriss und Neubau der Schönhauser-Allee-Brücke in Berlin, der ab 2025 beginnen soll, wird erhebliche Auswirkungen auf den Verkehr in Prenzlauer Berg haben. Die Brücke, ein zentraler Knotenpunkt, wurde 1886 erbaut, in den folgenden Jahrzehnten immer wieder saniert und muss aufgrund ihres schlechten Zustands erneuert werden.

Während des Neubaus soll der Verkehr auf alternative Routen umgeleitet werden, um die Beeinträchtigungen möglichst gering zu halten. Das Einkaufszentrum „Schönhauser Allee Arkaden“ befürchtet allerdings negative Auswirkungen durch den Umbau, da die Verkehrsanbindung stark eingeschränkt wird.

Parallel zum Neubau der Schönhauser-Allee-Brücke ist auch die Neugestaltung der Dunckerbrücke, knapp 100 Meter weiter östlich, geplant. Der Neubau soll in zwei Phasen erfolgen, um eine durchgehende Fußverbindung über den Ringbahngraben zu gewährleisten.

Ein drittes Bauprojekt betrifft die Brücke an der Sonnenburger Straße, die ab Ende 2024 für 3,5 Millionen Euro modernisiert wird. Diese neue Brücke wird vor allem für Radfahrer und Fußgänger ausgelegt und soll mit einer Breite von sieben Metern auch als Verweilort mit Aussichtsplattformen und Sitzgelegenheiten dienen. Anwohner befürchten jedoch, dass die neue Brücke, ähnlich wie die Admiralsbrücke in Kreuzberg, zu einem Sammelplatz für Partygänger werden könnte, was zu Lärmbelästigungen führen könnte.

Die drei Brückenprojekte im Prenzlauer Berg sind Teil eines umfassenden Verkehrs- und Stadtentwicklungsprogramms, das die Infrastruktur modernisieren und die Radfahrfreundlichkeit verbessern soll. Während die Bauarbeiten notwendig sind, um die Sicherheit und Nutzbarkeit der Brücken zu gewährleisten, stellen sie die Anwohner und Verkehrsteilnehmer vor große Herausforderungen und erfordern eine langfristige Planung, um den Verkehr in Berlin möglichst reibungslos zu gestalten.

Berlin: Zahlreiche Brücken aus den 1960er und 1970er Jahren noch immer in Betrieb

Doch die oben genannten Projekten umfassen nicht alle modernisierungsbedürftigen Brückenbauwerke in der Hauptstadt. In den 1960er und 1970er Jahren wurden in Berlin zahlreiche Brücken errichtet, um die wachsende Stadt und den Verkehr zu unterstützen und um Brückenbauwerke zu ersetzen, die im Zweiten Weltkrieg zerstört wurden. Viele dieser Brücken, wie die Holzmarktbrücke, die Spandauer-Damm-Brücke, die Treskowbrücke, der Goerdelersteg oder die Salvador-Allende-Brücke, sind noch heute in Betrieb und spielen eine wichtige Rolle im Berliner Verkehrsnetz.

Diese Bauwerke verbinden Stadtteile, überqueren Flüsse wie die Spree und die Havel und schaffen Verbindungen für Fußgänger, Fahrzeuge und den öffentlichen Nahverkehr. Trotz ihrer Funktionalität sind sie mittlerweile in die Jahre gekommen und zeigen deutliche Zeichen der Abnutzung.

Die Spannbetonbrücken der 1970er Jahre boten viele Vorteile, sind aber längst zum Risiko geworden

Die in dieser Bauepoche erbauten Brücken wurden überwiegend mit damals modernster Bautechnik errichtet, wobei Spannbeton eine zentrale Rolle spielte. Dieser Baustoff ermöglichte es, schlanke und tragfähige Brückenstrukturen zu bauen, die sowohl wirtschaftlich als auch langlebig waren.

Diese Technik, bei der Betonbauteile unter hoher Spannung vorgespannt werden, bevor sie belastet werden, erlaubte längere Spannweiten ohne Zwischenstützen und erhöhte die Stabilität und Widerstandsfähigkeit der Bauwerke. Dadurch konnten die Brücken effizient den steigenden Verkehrsanforderungen gerecht werden und zugleich eine größere Gestaltungsfreiheit in der Architektur ermöglichen.

Korrosion, der größte Feind der Spannbetonbrücken

Die Technik des Spannbetons bringt allerdings Herausforderungen wie die Anfälligkeit der Spannstähle für Korrosion mit sich, die bei eindringendem Wasser oder Chloriden die Stabilität der Konstruktion gefährden kann – wie es eben bei der Elsenbrücke der Fall war. Zudem können Spannungsverluste durch das Kriechen und Schwinden des Betons die Tragfähigkeit beeinträchtigen. Diese Risiken erfordern regelmäßige Inspektionen und Wartungen, da Reparaturen oft schwierig und kostenintensiv sind.

Der Sanierungsdruck auf diese Brücken ist hoch, da die strukturelle Integrität und Sicherheit vieler dieser Bauwerke zunehmend gefährdet sind. Jahrzehnte der Nutzung, Witterungseinflüsse und steigende Verkehrsbelastungen haben ihre Spuren hinterlassen.

Neue Relevanz durch Dresden-Unglück: Wie viele Berliner Brücken sind sanierungsbedürftig?

Um den Anforderungen der heutigen und zukünftigen Mobilität gerecht zu werden, ist es notwendig, diese Brücken umfassend zu modernisieren und an die aktuellen technischen und sicherheitstechnischen Standards anzupassen – dies kann durch Sanierungsmaßnahmen gelingen, oder aber durch Abriss und Neubau der Brücken, wie es häufig der Fall ist.

Nach dem Unglück in Dresden werden auch in Berlin viele Brückenbauwerke noch einmal genauer unter die Lupe genommen werden – doch für eine gleichzeitige Sanierung aller betroffenen Mittel fehlen sowohl die personellen als auch die finanziellen Mittel. Und das ist nicht nur in Berlin der Fall.

 

Weitere Bilder zum Projekt findet Ihr hier: 

So soll der Neubau der Neuen Gertraudenbrücke in Berlin-Mitte aussehen. Die Brücke entsteht nach Plänen des Büros schlaich bergermann partner. / © Visualisierung: sbp – schlaich bergermann partner

Mammutprojekt in Prenzlauer Berg: Die Erneuerung der Schönhauser-Allee-Brücke. / © Visualisierung: Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher und Klimaschutz

 

Quellen: MDR, Berliner Morgenpost, Der Tagesspiegel, Architektur Urbanistik Berlin, Leipziger Allgemeine Zeitung, Deutsches Architektur Forum, Tagesschau, sbp – schlaich bergermann partner

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