Im Februar 2023 soll ein Wettbewerb mit sieben Architekturbüros für die geplante Umgestaltung des Checkpoint Charlie starten. Die in den vergangenen Monaten erarbeiteten Leitlinien setzen den Architekten dabei enge Grenzen – und bergen Konfliktpotenzial.

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Text: Wolfgang Leffler

 

Seit September 2022 lief ein Dialogverfahren zur Entwicklung des Areals rund um den historischen Checkpoint Charlie an der Grenze zwischen Mitte und Kreuzberg, bei dem verschiedene Arbeitsgruppen und Gremien ein tragfähiges Zukunftskonzept erarbeiten wollten.

Die Abschlussveranstaltung zu diesem wichtigen Planungsschritt fand am 24. Januar 2023 in den Räumlichkeiten des Forum Factory in Berlin-Mitte auf Einladung der Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt statt.

Leitlinien für den neuen Checkpoint Charlie: ein komplexes Vorhaben

In ihrem Grußwort betonte Petra Kahlfeldt, dass mit der Entwicklung und Formulierung von Leitlinien ein breiter Konsens gefunden wurde, der fachlich komplex und von seiner Kompaktheit sehr anspruchsvoll war. Der vorgegebene Zeitrahmen sei sportlich und für alle am Verfahren Beteiligten herausfordernd gewesen.

Das Planungsgebiet umfasst Flächen westlich und östlich der Friedrichstraße, auf denen ein “zusammenhängender erinnerungskultureller Stadtraum gestaltet” werden soll, wie es die Leitlinien formulieren. Die Aufenthaltsqualität soll unter anderem durch schattenspendende Elemente und eine Verkehrsberuhigung des gesamten Areals gewährleistet werden. Die Bodendenkmäler sollen sichtbar sein.

Das Planungsgebiet umfasst Flächen auf beiden Seiten der Friedrichstraße

Auf beiden Seiten der Friedrichstraße gibt es ein Baugrundstück eines privaten Bauherren. Zwei Teilflächen hat das Land Berlin Ende 2022 zurückgekauft. Hier sollen ein Stadtplatz und ein Gedenk- und Erinnerungsort entstehen, den die Stiftung Berliner Mauer hier in Form eines Museums entwickeln wird.

Gleichzeitig soll der Ort aber auch als historische Leerstelle in der Stadt erhalten bleiben. Für die denkmalgeschützten Brandwände soll eine “größtmögliche Sichtbarkeit” sichergestellt werden. Bei den nun erarbeiteten Leitlinien geht es daher um gestalterische Parameter, um der Geschichte des ehemaligen Grenzübergangs in der Mitte Berlins und seiner zukünftigen Rolle als Bildungs- und Erinnerungsort gerecht zu werden.

Würdiges Gedenken: Für den privaten Investor wird es enge Richtlinien geben

Darüber hinaus wurde mit den formulierten Leitlinien dem künftigen privaten Investor und Bauherrn des Verfahrens Planungssicherheit vorgegeben – und enge Richtlinien. Denn im Vordergrund bei der Neugestaltung des Ortes soll ein würdiges Gedenken an Mauer und Todesstreifen stehen.

Es sind nun insgesamt 20 Leitlinien geworden, welche die Arbeitsgruppen zu den fünf Schwerpunktthemen Bildungs- und Erinnerungsort, Städtebau und Freiraum, Neubaufassaden, Denkmalschutz und Verkehr erarbeitet haben.

Der “neue” Checkpoint Charlie: wettbewerb soll im Februar 2023 starten

Die eigentliche Arbeit – die Umsetzung dieser Leitlinien in einen konkreten, städtebaulichen Entwurf – soll nun folgen. Wie der zukünftige Checkpoint Charlie dann tatsächlich aussehen könnte, soll in einem Wettbewerb zur Bebauung des Ostgrundstücks, dem größten Teil des verfügbaren Areals, ermittelt werden.

Dazu wird ab Mitte Februar 2023 seitens des Berliner Senats ein Wettbewerb als Kolloquium mit sieben Architekturbüros ausgelobt, der bis Mitte Mai 2023 die entsprechenden Ergebnisse liefern soll.

Geschlossene Wände statt offene Fassaden: Erinnerungs- oder Wohnort?

Schon jetzt ist absehbar, dass es einen Zielkonflikt geben wird zwischen den vorhandenen zwei Brandwänden und der in der Diskussion befindlichen „Bespielbarkeit“ der Neubaufassaden. Die Vorgaben, die nun erarbeitet wurden, werden gestalterische Grenzen setzen.

Vorgesehen ist beispielsweise, dass die angrenzende Südfassade eines geplanten, neuen Wohngebäudes östlich der Friedrichstraße “bis zu einer Höhe von mindestens elf Metern geschlossen auszubilden” sei. Das bedeutet, dass die unteren elf Meter des geplanten Neubaus auf der Seite zum Bildungs- und Erinnerungsort komplett ohne Fenster und Türen gestaltet werden müssen. Ist das realistisch?

Die gastronomie am Checkpoint Charlie soll zurückhaltend sein

Für Außengastronomie, Werbung und andere kommerzielle Nutzungen im öffentlichen Raum sind Restriktionen auszusprechen“, lautet eine andere Vorgabe. So soll vermieden werden, dass der künftige Erinnerungsort mit Tischen und Stühlen vollgestellt wird.

Zur Frage der tatsächlich verfügbaren Flächen wurde seitens der Projektverantwortlichen mitgeteilt, dass rund 2.200 Quadratmeter der beiden Plätze frei bleiben werden und die verbleidenden Restflächen bebaut werden sollen.

Als Ausstellungsfläche stehen etwa 900 Quadratmeter zur Verfügung, die zum großen Teil unterirdisch angelegt sein sollen, wobei eine komplette unterirdische Bebauung ausgeschlossen wurde. Somit ist auch eine oberirdische Bebauung, etwa in Form eines Pavillons, realistisch.

Die zukünftige Verkehrsführung ist noch nicht entschieden

Man muss jedoch konstatieren, dass mehrere städtebauliche Themen nach wie vor unklar bleiben und der Eindruck entsteht, dass man diese Probleme in den geplanten Wettbewerb „verschieben“ möchte. Ein einphasiger, nicht offener Wettbewerb soll es werden, kündigte Petra Kahlfeldt an.

Auch hinsichtlich der zukünftigen Verkehrsgestaltung des Areals (beispielsweise die Zimmerstraße als reine Fahrradstraße) sind die dazu erforderlichen Untersuchungen noch nicht abgeschlossen, wobei es bereits ein früheres Gutachten gibt, an dem die Projektverantwortlichen anknüpfen könnten.

Wie soll die Gestaltung der Freiflächen künftig aussehen?

Zudem ist derzeit noch unklar, wie die zukünftigen Freiflächen gestaltet werden sollen. Auch hierfür soll ein entsprechender landschaftsplanerischer Wettbewerb initiiert werden. Festzuhalten bleibt also, dass es nach Abschluss des Dialogverfahrens am Checkpoint Charlie derzeit noch eine ganze Menge offener Fragen und viele Variablen gibt.

Auf die sieben Büros, die sich am Wettbewerb beteiligen werden, kommt keine leichte Aufgabe zu. Die Zahl der städtebaulichen Konflikte, die es dabei zu lösen gilt, ist umfangreich und das gesamte Vorhaben aufgrund der historischen Bedeutung des Ortes ausgesprochen sensibel.

 

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Quellen: Teilnahme am Dialogverfahren, Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, Zebralog, Der Tagesspiegel, Berliner Zeitung

 

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