Der Wandel im Berliner Einzelhandel schreitet rasant voran – zentrale Warenhäuser stehen leer, neue Nutzungskonzepte entstehen – nicht nur am Alexanderplatz oder in der Friedrichstraße. Neue Ideen für einstige Kaufhäuser setzen auf Vielfalt, Mischnutzung und Flexibilität.
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Text: Björn Leffler
Berlins Einzelhandel befindet sich – wie in vielen anderen deutschen Städten auch – in einem tiefgreifenden Wandel. Das hohe Angebot an Shopping Malls im gesamten Berliner Stadtgebiet und die veränderten Einkaufsgewohnheiten der Bevölkerung haben längst dazu geführt, dass einige der entstandenen Einkaufszentren so schlechte Besucherzahlen zu verzeichnen haben, dass sie in ihrer ursprünglichen Form nicht weitergeführt werden können.
Während Immobilien- und Stadtentwicklungsexperten darüber diskutieren, was mit den Immobilien – häufig in zentralen Lagen – geschehen kann, hat der Umbau an vielen Stellen längst begonnen. Und mit dem geplanten Umbau des Galeria Kaufhof am Alexanderplatz und der Neukonzeption der Galeries Lafayette in der Friedrichstraße hat es zwei “Schwergewichte” auf dem Berliner Einzelhandelsmarkt getroffen.
Krise des Einzelhandels: Umbau ehemaliger Warenhäuser hat längst begonnen
Dass der Strukturwandel im Einzelhandel selbst so prominente Standorte in Berlin-Mitte betrifft, zeigt, wie rasant die Neuausrichtung der einstigen Warenhäuser bereits vonstatten geht. In Berlin gibt es längst zahlreiche weitere Beispiele in anderen Bezirken. Schon Anfang 2023 haben wir etwa über das in Alt-Treptow liegende Einkaufszentrum Park-Center berichtet. Das zum großen Teil leerstehende Center soll teilweise abgerissen werden. Auf dem Gelände sollen in den kommenden Jahren insgesamt acht neue Gebäude mit Flächen für Gewerbe, Wohnungen, Einzelhandel und Freizeitaktivitäten entstehen.
Auch in der Steglitzer Schloßstraße wird mit dem Boulevard Berlin ein weiteres Einkaufszentrum umfassend umgestaltet. Im Rahmen eines großflächigen Umbaus sollen in dem von Leerstand geplagten Center neue Büroflächen und Serviced Apartments entstehen. Gänzlich neu gedacht wurde das Nutzungskonzept beim Projekt “Kalle Neukölln”, welches ebenfalls in einem ehemaligen Warenhaus samt Parkhaus an der Karl-Marx-Straße entsteht, ähnliches ist am Leopoldplatz im Wedding geplant – die Liste lässt sich problemlos noch weiter fortführen.
Die Berliner Politik will den Einzelhandel stärken, doch der Immobilienmarkt zeigt andere Trends
Die Berliner Politik versucht derzeit, den Einzelhandel gezielt zu stärken. Im Juni hatte der Berliner Senat daher zu einem “Zentrengipfel” geladen, bei dem rund 100 Expertinnen und Experten über zukünftige Nutzungskonzepte für klassische Shopping- und Einzelhandelsstandorte diskutierten.
Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey und Stadtentwicklungssenator Christian Gaebler (beide SPD) hatten zu der Veranstaltung geladen. In dem seit vielen Jahren leer stehenden C&A-Kaufhaus an der Neuköllner Karl-Marx-Straße diskutierten im Sommer Vertreter der zwölf Bezirke gemeinsam mit Fachverbänden und Unternehmen darüber, wie einzelne Förderprogramme zielgerichteter eingesetzt werden können.
In den nächsten zwölf Monaten sollen sie, gemeinsam mit Bezirken, Branchenverbänden und Partnern aus der Privatwirtschaft, die Bedarfe von zwölf ausgewählten Zentren erarbeiten. Anschließend wird geprüft, welche der 30 bestehenden Maßnahmen und Förderprogramme eingesetzt werden können und ob neue Lösungen notwendig sind.
Doch der Markt scheint, wie so häufig, deutlich schneller zu reagieren als die Politik selbst – denn vor allem die Eigentümer der Immobilien wollen einen jahrelangen Leerstand und ungenutzte Flächen vermeiden – und investieren daher verstärkt in die Modernisierung der Gebäude. Ein Umstand, von dem letztlich viele der in die Jahre gekommenen Häuser durchaus profitieren können.
Umdenken: Viele deutsche Städte planen die Nutzung ehemaliger Warenhäuser völlig neu
Doch mittlerweile haben viele Städte selbst erkannt, dass die Umnutzung einstiger Warenhäuser durchaus Chancen bietet, wie die Immobilien Zeitung berichtet. Denn drei Insolvenzen von Galeria Karstadt Kaufhof innerhalb von vier Jahren sowie die Schließung von 92 Filialen (bundesweit) haben die Herangehensweise an leerstehende Warenhäuser signifikant verändert.
Um langanhaltende Leerstände zu vermeiden, übernehmen immer mehr Kommunen die Nachnutzung selbst und erwerben die zentral gelegenen Immobilien. Städte wie Cottbus, Hanau, Offenbach, Leverkusen, Düsseldorf, Nürnberg, Neuss und Ingolstadt haben kürzlich diesen Schritt unternommen. Neuss etwa kaufte die ehemalige Kaufhof-Immobilie mit 18.500 Quadratmeter Bruttogrundfläche für rund 12 Millionen Euro. Im Erdgeschoss der Immobilie ist eine Markthalle geplant, während die oberen Etagen, darunter das ehemalige Galeria-Restaurant mit Terrasse, möglicherweise von der IHK oder einem Hotel genutzt werden. Der angeschlossene Büroturm wird saniert und zur Vermietung freigegeben.
Markthalle, Bibliothek, Opernhaus, Jugendherberge: Die Nutzungsideen sind vielfältig
Nürnberg verfolgt hingegen ein anderes Konzept: Die Stadt plant, das ehemalige Kaufhof-Gebäude als zentralen Bildungsstandort zu nutzen. Im Juli erwarb Nürnberg das Gebäude in der Königstraße samt Parkhaus. Das seit Sommer 2023 leerstehende Warenhaus mit 23.000 Quadratmeter Fläche soll zunächst für Zwischennutzungen geöffnet werden; langfristig könnten dort zentrale Bildungseinrichtungen untergebracht werden.
Es gibt zahlreiche weitere Beispiele aus anderen Städten: In Bremerhaven wird die ehemalige Karstadt-Filiale abgerissen, und ein Neubau mit Jugendherberge und Stadtbibliothek soll durch die städtische Wohnungsgesellschaft entstehen, finanziert über einen langfristigen Mietvertrag mit der Stadt. Offenbach plant, die Stadtbibliothek in das erworbene Kaufhof-Gebäude zu verlegen, während Hanau im ehemaligen Kaufhof Gastronomie, Einzelhandel und öffentliche Einrichtungen wie Bildungs- und Gesundheitsdienste ansiedeln will.
Berlin-Mitte: Die Neuausrichtung von Galeria am Alexanderplatz ist kein Einzelfall
Die Stadt Braunschweig verwandelt das frühere Karstadt-Bettenhaus in ein Haus der Musik, finanziert durch eine Stiftung des Modeunternehmers Friedrich Knapp. Ingolstadt sieht sich als Übergangseigentümer des ehemaligen Kaufhof-Warenhauses, das vorübergehend genutzt werden soll, bevor langfristig Einzelhandel und Wohnungen einziehen, während Düsseldorf auf dem Gelände des Kaufhofs am Wehrhahn ein neues Opernhaus plant.
Mit der geplanten Neuausrichtung des Galeria-Gebäudes am Berliner Alexanderplatz steht Berlin im bundesweiten Vergleich also nicht allein da, sondern bestätigt eher die Regel. Der Einzelhandel verschwindet dabei nicht vollends aus den Innenstädten, doch an vielen Standorten werden die Flächen für die Warenhäuser sehr deutlich reduziert.
Galeria Kaufhof streicht auch an anderen Berliner Standorten die Segel
In Berlin streicht Galeria Kaufhof auch an anderen Stellen die Segel, so beispielsweise an der Frankfurter Allee in Lichtenberg. Auf dem Gelände des mittlerweile leerstehenden “Ring Centers 3” plant die Becken Development GmbH ein multifunktionales 128-Meter-Hochhaus mit neuen Wohn-, Freizeit- und Arbeitsflächen. Das Gebäude, welches 17 Jahre lang von Galeria Kaufhof genutzt worden war, steht seit Mitte August 2024 leer. Im April hatte der Insolvenzverwalter des angeschlagenen Kaufhauskonzerns bekannt gegeben, dass neben der Filiale im Ring-Center auch die Standorte Spandau und Tempelhof schließen müssen.
Direkt nebenan ist übrigens noch ein weiterer Kaufhaus-Umbau geplant. Nach Plänen des Büros Graft Architects sollen im “Ring Center I” künftig weniger Einzelhandelsflächen, dafür aber mehr Raum für Büros, Arztpraxen und Gewerbe entstehen. Das Gebäude soll zudem mehr Licht und Grün erhalten.
Galeria-Schließung am Alexanderplatz: Nicht nur Krise, sondern auch Chance
Während derzeit die geplante Schließung des Galeria-Standorts am Alexanderplatz von vielen Medien in ein Drohszenario verkehrt wird und auch Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey sich vehement für den Erhalt des Standorts einsetzt, muss wohl schlichtweg berücksichtigt werden, dass sich das Kaufverhalten der Menschen – nicht zuletzt durch die Corona-Pandemie – radikal verändert hat.
Es wird in den kommenden Jahren durch die zunehmende Digitalisierung des Einkaufserlebnisses mit hoher Wahrscheinlichkeit noch weitere Einkaufszentren in Berlin treffen, deren Betreiber das zukünftige Nutzungskonzept ihrer Immobilien vielleicht völlig neu denken müssen. Problematisch ist dies natürlich vor allem für die in den Warenhäusern beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Herausforderungen des Strukturwandels annehmen: Aktive Stadtentwicklung statt jahrelanger Leerstände
Hierin liegen aber nicht nur Probleme, sondern ganz sicher auch städtebauliche Chancen, wenn man die Herausforderungen annimmt. Denn viele der in den vergangenen Jahrzehnten entstandenen Einkaufszentren gelten heute mitunter als planerische und architektonische Bausünden und könnten künftig vielleicht Platz machen für neue, innovativere Nutzungsformen – oder sinnvoll umgebaut werden.
Denn Flächen für Bildungseinrichtungen, Sportvereine, Jugendclubs, Kulturnutzungen oder andere gemeinnützige Organisationen werden auch in den kommenden Jahren benötigt werden, zumal die deutsche Hauptstadt konstant weiter wächst, wie viele andere deutsche Großstädte auch. Natürlich müsste hier der Berliner Senat den Betrieb einzelner Immobilien übernehmen. Wie man dies anstellen kann, lässt sich bereits in anderen deutschen Städten sehr gut beobachten.
Weitere Bilder zum Thema findet Ihr hier:
Quellen: Berliner Morgenpost, ECE Projektmanagement GmbH, DLE Land Development GmbH, Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, GEWOBAG, Signa Real Estate, Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, Architektur Urbanistik Berlin, Immobilien Zeitung, Becken Development GmbH, Graft Architects
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