Am ehemaligen Haus der Statistik in Berlin haben die Umbauarbeiten begonnen. Es war eines der letzten Gebäudeensembles im Umfeld des Alexanderplatzes, welches seit dem Mauerfall noch immer fast unverändert geblieben war. Der städtebauliche Entwurf sieht zukünftig ein vielseitig nutzbares Quartier für Menschen aller Altersklassen vor.

Das ehemalige Haus der Statistik heute: Das Gebäude ist marode und sollte eigentlich abgerissen werden. Berlin aber hat andere Pläne mit dem riesigen Gebäudekörper.

© Visualisierungen: Teleinternetcafé und Treibhaus

 

Rund um den Alexanderplatz, das einstige Zentrum Ost-Berlins, ist in den vergangenen Jahren viel Neues entstanden und viel Altes instandgesetzt und modernisiert worden.

Neben hochtrabenden Hochhausprojekten, die lange auf sich warten ließen, nun aber doch sukzessive umgesetzt werden, wurden auch ausgewählte Gebäude erhalten, die aus der Neuplanung des sozialistisch geprägten Stadtzentrums in den 1960er und 1970er Jahren hervorgegangen waren, wie etwa das Haus des Lehrers, das heutige “Kaufhof”-Gebäude oder die Kongresshalle “bcc”.

Das Gebäudeensemble war eigentlich dem Abriss geweiht

Eines der letzten Gebäudeensembles im Umfeld des Alexanderplatzes, welches noch immer quasi unverändert steht, ist das einstige Haus der Statistik an der Otto-Braun-Straße. Berlinerinnen und Berliner sowie Touristen haben sich vermutlich schon häufig gefragt, warum die “DDR-Ruine”, als die das Gebäude bereits in zahlreichen Medien bezeichnet wurde, nicht längst abgerissen worden ist.

Die Stadt Berlin hat aber gänzlich andere Pläne mit dem maroden Gebäudekörper. Entstanden ist das Gebäudeensemble in den Jahren von 1968 bis 1970 als Sitz der Staatlichen Zentralverwaltung für Statistik der DDR. Nach der Wiedervereinigung nutzten verschiedene bundesdeutsche Behörden die Gebäude. Seit 2008 stehen die insgesamt vier Gebäudeteile leer.

Berlin möchte ein vielseitig nutzbares Quartier errichten

Der Bund war bis 2017 Eigentümer des Grundstücks und hatte tatsächlich geplant, die nicht mehr genutzten Gebäude abzureißen und das Grundstück zu verkaufen. Das Land Berlin erwarb aber das Grundstück und strebt nun die Sanierung und Modernisierung der vier in Stahlbetonskelettbauweise errichteten (neun- und elfgeschossigen) Gebäude an.

Der städtebauliche Entwurf für das zukünftige Haus der Statistik sieht ein vielseitig nutzbares Quartier für Menschen aller Altersklassen vor. Das Konzept der Planungsgesellschaft Teleinternetcafé und Treibhaus hatte sich in einem Wettbewerb vor rund drei Jahren durchgesetzt.

Bis zu 350 Millionen Euro werden in das Projekt investiert

Zu den 46.000 bereits bestehenden Quadratmetern in den Altbauten an der Alexanderstraße und Otto-Braun-Straße sollen rund 66.000 Quadratmeter Neubau hinzukommen. Rund 250 bis 350 Millionen Euro soll das neue Quartier kosten.

Zwischen einem 15-geschossigen und einem zwölfgeschossigen Wohnhaus, sowie einem 64 Meter hohen Büroturm (hier wird das Rathaus Mitte einziehen) sollen sogenannte „Stadtzimmer“ Freiraum bieten.

Auch 300 neue Mietwohnungen sind Teil des Neugestaltungskonzepts

Bewohner sollen sich hier treffen und erholen können. Möglich soll es auch sein, in den offenen Innenhöfen Arbeit im Freien zu ermöglichen. Außerdem sind „Experimentierhäuser“ mit offenen Erdgeschossen im Hofinnern geplant. Darüber hinaus soll ein Finanzamt an der Karl-Marx-Allee eingerichtet werden, und auch die Gesundheitsversorgung soll vor Ort gewährleistet werden. Es ist geplant, Flächen für Arztpraxen vorzuhalten.

Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund des aktuell laufenden, direkt angrenzenden Umbaus des Hauses der Gesundheit ein durchaus sinnvolles Vorhaben. Die Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte (WBM) wird insgesamt 300 neue, bezahlbare Wohnungen im neuen Quartier errichten.

Das Quartier soll durchgehend autofrei werden

Im Quartier selbst soll überhaupt kein PKW-Verkehr stattfinden, das Ensemble wird also komplett autofrei geplant. Ein zentraler Paketshop soll verhindern, dass Lieferfahrzeuge das Quartier durchqueren müssen.

Soweit die Theorie – die Praxis soll nun folgen. Entkernt und schadstoffsaniert ist das Gebäudeensemble mittlerweile. Jetzt geht der Generalunternehmer Arge Haus der Statistik im Auftrag der landeseigenen Berliner Immobilienmanagement (BIM) GmbH die eigentliche Baumaßnahme an.

Bauarbeiten beginnen, erste Turmkräne kommen im Juni

Im ersten Bauabschnitt soll das Baufeld umzäunt und die Baustelle für die spätere Logistik vorbereitet werden. Baucontainer und Zufahrten für die LKW werden folgen. Ab Juni werden sich dann zwei große Turmkräne über dem ehemaligen Haus der Statistik drehen.

Die schadstoffbelasteten Fassadenelemente werden demontiert – zuerst an der Otto-Braun-Straße und ab Herbst am Gebäudeteil an der Karl-Marx-Allee. Im Hinterhof geht es dann ab Juli mit Tiefbau- und Rohrleitungsarbeiten weiter. Dort werden unter anderem unterirdische Rigolen für die Regenwasserversickerung des zukünftigen Quartiers installiert.

Bis zu 500 Bauarbeiter werden auf der Baustelle tätig sein

Im Spätsommer vergrößert sich die Baustelle dann. Ein dritter Turmdrehkran soll hinzukommen, erste Tiefbauarbeiten und die Betonsanierung des Gebäudes sollen beginnen. Im September werden dann die neuen Brüstungselemente montiert und die „Werkstatt“ der Pioniernutzer „Zusammenkunft Berlin“ an der Karl-Marx-Allee zurückgebaut. Zu Spitzenzeiten sollen rund 500 Bauarbeiterinnen und Bauarbeiter auf der Baustelle beschäftigt sein.

Erste Teile des Areals sollen bereits bis 2024 fertiggestellt werden. Andere werden erst in einigen Jahren begonnen. Der Baustart des neuen Rathauses etwa ist erst für 2025 geplant, spätestens 2028 sollen alle 2.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom bisherigen Standort hinter dem Kino International in die neuen Räumlichkeiten am Alexanderplatz umziehen.

Das Planungsvorhaben gilt als Berliner Modellprojekt für die Schaffung innerstädtischer, gemischt nutzbarer Räume, in denen Wohnen, Arbeiten, Freizeit, Kultur und Gewerbe kombiniert werden – und das autofrei und flexibel nutzbar. Ob die tatsächliche Entwicklung des Areals mit den ambitionierten Planungen mithalten kann, werden wir aufmerksam und mit großem Interesse beobachten.

 

Weitere Bilder zum Projekt findet Ihr hier: 

So stellt sich das verantwortliche Architektur- und Planungsbüro Teleinternetcafé und Treibhaus den zukünftigen Campus auf dem Gelände unweit des Alexanderplatzes vor.

Eine Menge Arbeit: Die maroden Gebäudeteile müssen saniert und umfassend modernisiert werden. Viele Fassadenelemente werden aufgrund ihrer Schadstoffbelastung ausgetauscht.

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