Zwischen Attilastraße und Röblingstraße in Tempelhof soll ein komplett neues Viertel entstehen. Geplant sind Wohnungen und ein Handwerkerhaus. Der Bezirk Tempelhof-Schöneberg will nun Tempo beim Baurecht für das Stadtquartier machen, doch die Bürgereinwände sind noch längst nicht abgearbeitet.
© Visualisierungen: CollignonArchitektur
Text: Stephanie Engler
Bereits im August 2021 berichteten wir erstmals über das große Wohnungsbauvorhaben im Berliner Süden. Der Bezirk Tempelhof-Schöneberg will eines seiner wichtigsten Bauvorhaben, das neue Stadtquartier Marienhöfe, möglichst schnell realisieren. Die Bürgerinnen und Bürger der Umgebung aber fühlen sich dabei übergangen.
Denn schon für den kommenden Montag wurde der Stadtentwicklungsausschuss zu einer Sitzung einberufen. Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) soll noch am darauffolgenden Mittwoch bei ihrer letzten Sitzung vor der Sommerpause den Bebauungsplan absegnen, damit der Bau zeitnah starten kann.
Wohnsituation wird sich stark verändern
Auf einer ehemaligen Bahnfläche soll hier ein gemischtes Viertel zum Wohnen und Arbeiten entstehen. In den kommenden Jahren wird sich daher die Wohnsituation zwischen den Stadtteilen Tempelhof und Steglitz stark verändern.
Um die Veränderung greifbar machen zu können, verglich der Investor Reinhold Semer, Eigentümer der Baumarktkette Hellweg, die Dimension des Vorhabens mit dem Potsdamer Platz in Mitte. Auf der zehn Hektar großen Fläche sollen durch die Firma RS GmbH & Co. Immobilien II KG rund 20 Gebäude entstehen. Es sind unter anderem 800 Wohnungen, eine Kindertagesstätte und ein Pflegeheim geplant.
Ein modulares Flüchtlingsheim und ein Handwerkerhaus sind in Planung
Des Weiteren sollen im südlichen Teil des Areals ein modulares Heim für Geflüchtete und ein Hochhaus für Handwerksbetriebe erbaut werden. Dieses Vorhaben wird vom Bezirk besonders hoch geschätzt.
Jörn Oltmann (Die Grünen), Bezirksbürgermeister, wirbt in einem Video sogar für eben jenes Projekt. Denn Handwerksbetriebe, die aus der Innenstadt verdrängt werden, sollen hier für Mieten von acht Euro pro Quadratmeter unterkommen können. Das sei mit dem Investor sogar vertraglich vereinbart.
Viele Bürgerinnen und Bürger sind gegen das Bauvorhaben
Die Mitglieder der örtlichen Bürgerinitiative Marienhöhe stellen sich gegen den Bebauungsplan. Insgesamt wurden 52 Einwendungen eingereicht, die bislang noch nicht abschließend bearbeitet wurden.
Das räumt selbst das Bezirksamt in seiner Beschlussvorlage für die BVV ein. So heißt es, dass es “Abstimmungsbedarfe insbesondere zu Fragen der äußeren Erschließung” gebe. Jedoch seien nur kleine Korrekturen und weitere Verfahrensschritte nötig.
Bezirksbürgermeister und Baustadträtin sehen in den Einwänden kein Hindernis
Jörn Oltmann und Baustadträtin die Angelika Schöttler (SPD) betonen jedoch in einer Stellungnahme, dass diese Korrekturen keine Auswirkungen haben werden. Denn der Bearbeitungsstand sei schon viel zu weit fortgeschritten.
Sie gehen ebenfalls davon aus, dass die “planungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Planreife in der Sommerpause vorliegen werden und auf dieser Basis die planungsrechtliche Genehmigungsfähigkeit des bereits eingereichten Bauantrages beurteilt werden” könne.
einschätzung der Verkehrsbelastung ist Grundlage der Bürgerkritik
Nichtsdestotrotz lautet die Kritik weiterhin, dass das Bauvorhaben überdimensioniert sei. Aus der Sicht der Bürgerinnen und Bürger gibt es im Gutachten zum Projekt gravierende Mängel bezüglich der erwartenden Verkehrsbelastung. Denn die Verkehrszählungen hätten zum Teil schon 2016 stattgefunden. Damit seien sie veraltet und nicht mehr hinzuziehbar.
In der Erklärung der Initiative heißt es, dass die Verkehrsbelastung “systematisch kleingerechnet” würde. Es wären zu wenige Parkplätze eingeplant. In den Tiefgaragen würde nur mit jeweils einer Spur geplant. Das würde auf lange Sicht zu Staus führen und sogar die Buslinien in den umliegenden Straßen lahmlegen.
Ob der Bezirk das Projekt also wie geplant noch vor der Sommerpause durch die Genehmigungsverfahren bringen kann, ist aktuell noch offen, die Bedenken der Anwohnerinnen und Anwohner sollten unbedingt ernst genommen werden. Genauso dringend jedoch ist die Schaffung neuer, bezahlbarer Wohnungen. Keine leicht zu lösende Aufgabe für die Bezirkspolitiker.
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Quellen: Berliner Morgenpost, Bezirk Tempelhof-Schöneberg, ENTWICKLUNGSSTADT BERLIN, Berliner Woche
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