Die Sachtlebenstraße in Zehlendorf ist umgeben von Wald, Wasser und Tieren. In dieser dörflichen Atmosphäre am südwestlichen Rande Berlins sollten rund um ein Hafenbecken längst Häuser mit knapp 200 Wohnungen stehen. Doch das Bauprojekt der Investa Real Estate ist ins Stocken geraten. Schuld ist der Tierschutz.


Text: Stephanie Engler

 

Die Sachtlebenstraße im südwestlichen Berliner Stadtteil Zehlendorf ist umgeben von Wald, Wasser und einer reichen Tierwelt. In dieser dörflichen Atmosphäre an der Grenze zwischen Berlin und Brandenburg sollten rund um das dortige Hafenbecken schon längst neue Häuser mit knapp 200 Wohnungen errichtet sein. Doch das Bauprojekt der Investa Real Estate verzögert sich.

Neben dem Baugrundstück hat der Kleintierzüchterverein Berlin-Zehlendorf 2002 sein Vereinsgelände. Auf neun Parzellen verteilen sich hier Hühner, Tauben und Kaninchen. Nun stellt sich heraus, dass die Hähne ein Problem für das geplante Wohnungsprojekt darstellen.

Denn das Krähen der Hähne fällt gesetzlich unter Freizeitlärm. Dieser darf nachts die 40 Dezibel nicht überschreiten. Da Messungen 50 Meter entfernt von der Fassade jedoch ergeben haben, dass das Krähen lauter ist, kam es zum Baustopp.

Amt lehnt einfachste Lösungen zur Lärmbelästigung ab

Annett Noffke, Architektin und Projektleiterin des Projekts “Teltow-Werft” von der Investa Development GmbH, kommentiert die Situation als “einen Schildbürgerstreich“. Sie verstehe nicht, warum “Berlin das Hamburger Modell nicht mittragen” könne. 

Denn die Lösung der Hamburger HafenCity wäre leicht umzusetzen. Dort wurde die Richtlinie außer Kraft gesetzt. So wurden die Messungen vom Lärm der vorbeifahrenden Schiffe in den Innenräumen vorgenommen. Der Bauherr in Berlin hatte vorgeschlagen, entsprechende Fenster und eine Zwangslüftung mit Schalldämmung einzubauen. 

Beide Vorschläge wurden jedoch vom Bezirk abgelehnt. Das Stadtplanungsamt wolle eine bauliche Lösung und keine Ausnahmegenehmigung. Die Idee, die neuen Bewohnerinnen und Bewohner eine Vereinbarung unterzeichnen zu lassen, Klagen wegen des Krähens zu unterlassen, wurde ebenso abgelehnt. 

Der Bezirk betont schlechte Erfahrungen und fordert eine eigene Lösung

Das Büro des Baustadtrates in Steglitz-Zehlendorf begründete die Ablehnung damit, dass die Lösung in der Hamburger HafenCity nur für den Verkehrslärm zugelassen sei. Die Problematik müsse am Standort in der Sachtlebenstraße ganzheitlich angegangen und gelöst werden. 

Der Bezirk spricht aus Erfahrung, denn im nicht weit entfernten Stadtteil Dahlem gab es einmal einen Baseballplatz. Dieser musste nach dem Zuzug neuer Anwohnerinnen und Anwohner abgebaut werden. Denn obwohl diese vom Platz wussten, klagten sie gegen den Lärm und gewannen. Daher könne man sich nicht darauf verlassen, dass die Menschen das Krähen ertragen und nicht dagegen vorgehen würden. 

Eine gläserne Lärmschutzwand soll helfen

Die Projektleiter haben schon mehrere Möglichkeiten von Lärmschutzwänden durchgespielt und wieder verworfen. Gestanden hätten sie dann auf dem ehemaligen Mauerstreifen. Die neue Lösung soll nun eine sogenannte Prallscheibe aus Glas sein.

Dabei wird die Fassade der Häuser, die direkt an der Grundstücksgrenze zum Kleintierzüchterverein stehen, quasi mit einer Glasscheibe verkleidet. Annett Noffke sieht darin jedoch keine befriedigende Lösung. Die Bewohner hätten bei geöffneten Fenstern dann eine Glasscheibe vor der Nase. 

Ein weiteres Problem ist die Anwendbarkeit. Denn nur für die Neubauten könne diese Lösung genutzt werden. Für die neuen Wohnungen im ehemaligen Verwaltungsgebäude, das unter Denkmalschutz steht, ginge das nicht. Die Projektplanerin kritisiert: “Es kann nicht sein, dass dort niemand einziehen und wohnen kann, weil ein Hahn kräht“.

Senatsverwaltung für Umwelt und Verkehr sieht sich nicht in der Verantwortung

Der Sprecher der Senatsverwaltung für Umwelt und Verkehr und gleichzeitig Wildtierexperte, Derk Ehlert, betone, dass der Hahnenschrei ein natürliches Verhalten sei. Zudem liege die Bauleitplanung im Aufgabenbereich des Bezirks. Er weist somit jedwede Zuständigkeit an die Verwaltung zurück. 

Bisher hätten die Hähne auch keine Bewohner in Zehlendorf Süd gestört. Ganz im Gegenteil, denn die Bewohner der benachbarten Augustinum Seniorenresidenz hätten sich vielmehr darüber gefreut.

Der Kleintierzüchterverein appelliert an den gesunden Menschenverstand

Constantin Kupsch, der Vorsitzende des Kleintierzüchter-Vereins, versteht hingegen die ganze Aufregung nicht. Der Verein pachtet das Grundstück seit Jahrzehnten. Bisher hätte es keine Probleme gegeben. Das Krähen sei zudem ein natürliches Geräusch, ganz anders als der Großstadtlärm. 

Die neuen Bewohnerinnen und Bewohner sollten dem Gelände der Teltow-Werft einen Besuch abstatten und schauen, ob sie die Geräusche der Tiere stören würden. Im Frühjahr und Sommer zur Balzzeit seien die Hähne aktiv. Doch im Herbst und Winter wäre alles etwas ruhiger, da die Tiere sich auch hauptsächlich im Stall aufhalten würden. 

Laut Kupsch sollten sich die Anwohnerinnen und Anwohner ebenso im Klaren sein, dass sich die Wohnungen mitten in der Waldsiedlung Zehlendorf befinden würden. Tier- und Naturgeräusche gehörten da einfach dazu. Dem ist wohl nichts hinzuzufügen.

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