In diesem Sommer sollte der bereits mehrfach verschobene Umbau der Radwege auf der Schönhauser Allee in Berlin-Prenzlauer Berg beginnen. Nun aber hat die neue CDU-Verkehrssenatorin Manja Schreiner das Projekt gestoppt. Insgesamt elf Fahrradprojekte im Bezirk Pankow sind von der neuen Richtlinie der Senatsverkehrsverwaltung betroffen.
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Text: Björn Leffler
Es war ein Paukenschlag, der am vergangenen Freitag durch die Berliner Medienwelt ging und der am Ende des Tages sogar zu einer Spontandemonstration von Fahrradfahrenden vor dem Amtssitz der Senatsverkehrsverwaltung am Köllnischen Park in Berlin-Mitte geführt hatte.
Denn ein Großteil der Fahrradprojekte, die in den Berliner Bezirken seit vielen Jahren geplant und auf den Weg gebracht wurden, wird aller Voraussicht nach nicht realisiert werden. Jedenfalls nicht, wenn das, was die neu ins Amt gekommene Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) beabsichtigt, tatsächlich auch umgesetzt wird.
Manja Schreiner (CDU) hat die Planung sämtlicher Radwegprojekte stoppen lassen
Schreiner möchte sämtliche Radwegprojekte stoppen, bei denen Parkplätze oder Fahrspuren zugunsten eines neuen Fahrradweges wegfallen könnten. Darüber wurden auch die Bezirke bereits in der vergangenen Woche informiert.
Dort herrschte erst einmal Ungläubigkeit. Doch die Senatorin bekräftigte später am Tag in einem Interview mit dem RBB, dass das Vorgehen von der Verkehrsverwaltung tatsächlich so beabsichtigt und die Information an die Bezirke korrekt sei.
Schreiner-Plan: Radikaler Richtungs-wechsel der Berliner Verkehrsplanung
Eine derartige Richtlinie wird, sollte sie tatsächlich so umgesetzt werden, einen radikalen Richtungswechsel in der Berliner Verkehrswegeplanung bedeuten und zudem das geltende Mobilitätsgesetz ignorieren, was zahlreiche Politiker und Experten schnell anmerkten.
Wortwörtlich heißt es laut RBB in dem Schreiben der Senatsverwaltung an die Bezirke: “Die neue Hausleitung unserer Senatsverwaltung wird künftig andere Maßstäbe an die Straßenaufteilung setzen.” Bis auf weiteres werden die Bezirke demnach aufgefordert, den Ausbau von Projekten auszusetzen, die den Wegfall eines Fahrstreifens oder von Parkplätzen zur Folge haben.
Pankow: Radweg-Ausbau auf der Schönhauser Allee wird vorerst gestoppt
Was das innerhalb eines Bezirks konkret bedeuten kann, ist derzeit in Pankow sehr gut ablesbar. Kurz vor dem Start des fahrradgerechten Umbaus der Schönhauser Allee in Prenzlauer Berg mit dem Wegfall von 150 Parkplätzen wird das Projekt vorerst ausgebremst.
Für den Bezirk ist dies umso bitterer, da in die Planung des Projekts viel Zeit und Aufwand gesteckt wurde und sich der Start der Baumaßnahmen immer wieder verzögert hatte. Nun wird das Projekt womöglich gänzlich gekippt.
In Pankow sind elf Fahrradprojekte von der Entwicklung betroffen
Doch es ist nicht das einzige Fahrradprojekt, welches in Pankow von der aktuellen Entwicklung betroffen ist. Am heutigen Montag verkündete Pankows Verkehrsstadträtin Manuela Anders-Granitzki (CDU) den Stopp von zehn weiteren Projekten.
Dazu zählt der Umbau der Neumannstraße zwischen Wisbyer Straße und Binzstraße, der ebenfalls noch in diesem Jahr beginnen sollte. Auch der geplante Radweg auf der Storkower Straße zwischen Kniprodestraße und Landsberger Allee sowie der Fahrradweg Behmstraße zwischen Malmöer Straße und Schwedter Steg werden vorerst nicht umgesetzt.
CDU empfiehlt Alternativstrecken in Nebenstraßen der Schönhauser Allee
Weitere Projekte in der Grellstraße, auf der Blankenfelder Chaussee, der Hansastraße oder der Mühlenstraße werden ebenfalls eingestellt. Dass von der Entscheidung auch das umfangreichste und komplexeste Projekt an der Schönhauser Allee betroffen ist, begründete Manuela Anders-Granitzki gegenüber der Berliner Morgenpost wie folgt: “Wenn alle Radverkehrsprojekte in Berlin überprüft werden, ist aus meiner Sicht nur logisch und sinnvoll, dass ein so großes Verkehrsprojekt auf einer Hauptverkehrsachse, wie die Schönhauser Allee, auch dazu gehört.”
Damit folgt Anders-Granitzki der Linie ihrer Parteikollegin Manja Schreiner. Aber nicht nur das. Gleichzeitig betont sie, dass sie persönlich eh nicht hinter dem Projekt stehe: “Das Projekt wurde lange vor meiner Amtszeit und in einer ganz anderen gesamtstädtischen Lage geplant. Für den Radverkehr im Gebiet um die Schönhauser Allee gibt es aus meiner Sicht gute Alternativlösungen (…).”
Neue Radwege in Kollwitzstraße, Senefelderstraße oder Dunckerstraße?
Als Ausweichlösung nannte sie die Kollwitzstraße, die Senefelderstraße oder die Dunckerstraße. Die Nebenstraßen rund um die Schönhauser Allee sind jedoch zu großen Teilen Kopfsteinplfasterstraßen, was den Bau eines Radweges nochmal aufwendiger macht. Zudem befinden sich auch hier zahlreiche Parkplätze, die von Anwohnerinnen und Anwohnern genutzt werden und für den Bau eines Radweges wegfallen müssten. Die Argumentation von Anders-Granitzki scheint an dieser Stelle wenig schlüssig.
Patrizia Flores, ihres Zeichens Sprecherin für Radverkehr der Pankower Grünen, hält markig dagegen. Sie sagte der Berliner Morgenpost: “Nicht mit uns! Die Radspur kommt.” Pikant ist in diesem Zusammenhang, dass in Pankow CDU, Grüne und FDP eine Jamaika-Koalition bilden und demzufolge eine gemeinsame Lösung finden müssen.
Radwege: Auch die Pankower FDP hält nichts vom neuen Kurs der CDU
Doch selbst die FDP kann dem Kurswechsel der CDU nichts positives abgewinnen. Der FDP-Verordnete Oliver Simon sagte dazu: “Umsetzungsreife Projekte abzubrechen ohne Alternativen zu nennen, ist kurzsichtig und fahrlässig.” Die Pankower Linke sieht im Vorgehen der CDU einen klaren Rechtsbruch.
Wolfram Kempe, Verkehrsexperte der Linken im Bezirk, äußerte sich dementsprechend deutlich: “Die CDU Pankow segelt im Windschatten eines singulären angekündigten Rechtsbruches, nicht nur des Berliner Mobilitäts- sondern auch des Bundesstraßengesetzes, durch eine Berliner Senatorin. Die besonders von der CDU vielzitierte Formulierung von der Flüssigkeit und der Leichtigkeit des Verkehrs im Straßengesetz bezieht sich nämlich auch auf den Fuß- und den Radverkehr, nicht nur auf Autos (…).”
Die SPD mahnt eine massive Verschwendung von Steuergeldern an
Dieser Sichtweise schließt sich auch die SPD im Bezirk an. Verkehrsexpertin Katja Ahrens betont im Interview, dass die Planungen für das Bauvorhaben an der Schönhauser Allee so gut wie abgeschlossen seien und nun unverständlicherweise nicht mehr umgesetzt werden sollen.
Ahrens betonte vor allem, dass dadurch ein finanzielles Desaster drohe, denn das bislang aufgewandte Geld wäre umsonst ausgegeben: “Dieses wichtige Projekt jetzt abzublasen wäre Verschwendung von Steuergeldern.” Dies trifft natürlich nicht nur auf das Projekt in der Schönhauser Allee, sondern auf alle derzeit laufenden Planungsprozesse zu.
Wie löst die Pankower “Jamaika”-Koalition den Konflikt um die Fahrradprojekte?
Es wird spannend zu beobachten sein, wie die frisch zusammengestellte Koalition aus Grünen, CDU und FDP eine derartige Zerreißprobe wird lösen können – oder ob es gar zu einem Bruch des jungen Bündnisses kommt.
Auffällig ist, dass die CDU zwar sehr schnell damit war, laufende Projekte einzustellen, aber kein wirklich griffiges Alternativkonzept in der Tasche zu haben scheint – außer alles zu belassen wie es ist. Das jedoch wäre wohl, über alle Bezirke hinweg, eine der größten Steuergeldverschwendungen der letzten Jahrzehnte. Im Bundesrechnungshof wird das Thema derzeit vermutlich schon sehr genau beobachtet.
Was der Projektstopp für die betroffenen Fahrradprojekte in Pankow bedeutet, ist derzeit jedenfalls vollkommen unklar. Einen Zeitplan oder wirklich stichhaltige Alternativlösungen gibt es nicht. Und so hat im Bezirksamt vorerst das große Warten eingesetzt.
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Quellen: Architektur Urbanistik Berlin, CDU Berlin, Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verkehr und Klimaschutz, Berliner Morgenpost, Wikipedia, Bezirksamt Pankow, RBB
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2. November 2024