Die Friedrichstraße und ihre umliegenden Quartiere stehen vor einer Neugestaltung: Der Berliner Senat arbeitet an einem umfassenden Verkehrskonzept, das die Interessen von Autofahrern, Radfahrern und Fußgängern berücksichtigen soll und auch den Checkpoint Charlie mit einbeziehen wird. Doch wie gelingt die Balance zwischen Mobilität und Lebensqualität in Berlins Zentrum – und wann geht es los?

Nach der Wiedereröffnung der Friedrichstraße für den Autoverkehr plant der Berliner Senat ein neues Verkehrskonzept, das den Bedürfnissen aller Verkehrsteilnehmer gerecht werden soll. Dabei stehen vor allem die Auswirkungen auf Anwohner, Händler und die städtische Entwicklung im Fokus. / © Foto: ENTWICKLUNGSSTADT BERLIN

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Text: Björn Leffler

 

Wer sich derzeit an der Kreuzung Unter den Linden / Friedrichstraße bewegt, findet dort vor allem in den Rush-Hour-Zeiten am Morgen und ab dem späten Nachmittag ein mitunter dichtes Gewirr aus unterschiedlichen Verkehrsteilnehmern vor: Autofahrer, Fahrradfahrer, Busse, Fußgänger und eine ganze Menge E-Roller-Fahrer buhlen vor allem in der engen Friedrichstraße um den knappen Platz.

Nur kurze Zeit nach dem Regierungswechsel öffnete im Mai 2023 die damals neue Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) die Friedrichstraße wieder für den Autoverkehr und kündigte damals an, ein umfassendes Verkehrskonzept erarbeiten zu wollen, welches alle Betroffenen – vor allem die ansässigen Einzelhändler – mit einbeziehen sollte.

Friedrichstraße: Im Mai 2023 kündigte Manja Schreiner ein umfassendes Verkehrskonzept an

Schreiner machte damit aber vorerst einmal klar, welche Linie zukünftig in der Friedrichstraße gelten soll und betonte, dass die Öffnung für den Autoverkehr keine kurzfristige sein wird. “Wenn wir im Herbst starten, können wir nächstes Jahr fertig sein. Aber es muss auch länger dauern dürfen”, betonte die Senatorin damals in einem Interview mit der Berliner Morgenpost.

Nicht der zeitliche Rahmen, den die Politik setze, sei entscheidend, sondern das, was die Diskussion ergebe. Indirekt schwörte sie die Stadtbevölkerung damit womöglich schon darauf ein, dass in den kommenden Jahren keine Fußgängerzone in der Friedrichstraße zu erwarten sein wird.

Händler in der Friedrichstraße hatten über Fahrrad-Verkehrsprojekt in der Friedrichstraße geklagt

Viele Händler hatten während des Verkehrsversuchs der damals grün geführten Verkehrsverwaltung moniert, dass durch die Sperrung der Straße für den Autoverkehr wichtige Kunden fehlten. Ironischerweise ist nun, wo die Friedrichstraße seit rund eineinhalb Jahren wieder für den Autoverkehr geöffnet ist, der größte Einzelhändler, der in der Friedrichstraße ansässig war, ausgezogen – die Galeries Lafayette.

Die Pläne des Eigentümers sehen einen Umbau der mittlerweile verwaisten Immobilie vor, um im Innern vor allem mehr Platz für Büroflächen zu schaffen. Eine echte Belebung der Friedrichstraße wird dies wohl nicht zur Folge haben, auch die ZLB-Pläne für die Friedrichstraße von Kultursenator Joe Chialo (CDU) bleiben nach aktuellem Stand wohl ein Luftschloss.

Eine Belebung der Friedrichstraße wird nicht nur vom Auto- oder Fahrradverkehr abhängen

Längst sollte also klar sein, dass eine stärkere Belebung der Friedrichstraße nicht davon abhängig ist, ob nun Autos oder Fahrräder über den Asphalt zwischen Leipziger Straße und dem Boulevard Unter den Linden rollen, das zeigt auch ein Blick auf die bewegte Geschichte der Straße.

Vor dem Zweiten Weltkrieg beschrieb man die Friedrichstraße als einen “Straßenzug mit mehr Lokalen als Hausnummern“, ein Ausdruck dessen, dass ein Häuserblock ein Stück Stadt selbst war, mit einer ungemein hohen Anzahl von Parzellen, die wiederum von der Gestaltung her stark differenziert angelegt waren.

Die neuen Investoren und ihre Bauherren, die in den neunziger Jahren ihr Kapital in der Friedrichstraße vermehren wollten, hatten es eilig und wollten sich ungern etwas vorschreiben lassen. So kauften sie ganze Blocks, die schnell bebaut werden sollten. Bei der Neukonzipierung der Friedrichstraße nach dem Mauerfall räumte man den kleineren und lokaleren Interventionen und Gewerben viel zu wenig Raum ein, die Chance dazu war eigentlich aber vorhanden.

Das neue Verkehrskonzept des Senats für die Friedrichstraße steht bislang noch aus

Aber ungeachtet dessen steht das angekündigte Verkehrskonzept für die Friedrichstraße noch aus, auch die neu ins Amt gekommene Ute Bonde (CDU) hat sich zu diesem Thema bislang nicht geäußert, zumindest nicht öffentlich.

Dabei ist das Verkehrskonzept für die Friedrichstraße ja nicht das einzige Projekt in der Mitte Berlins, welches zumindest auf eine Fortsetzung hofft: die Neuplanung des Stadtraums rund um den Checkpoint Charlie, der sich in der südlichen Friedrichstraße an der Grenze zu Kreuzberg befindet, wartet noch immer auf einen Abschluss.

Bis heute fehlt eine städtebauliche Vision für den Umbau des Checkpoint Charlie

Bereits im Februar 2023 sollte ein Wettbewerb mit sieben Architekturbüros für die geplante Umgestaltung des Checkpoint Charlie starten. Die zuvor in mehreren Monaten erarbeiteten Leitlinien sollten den Architekten dabei enge Grenzen setzen – und bargen eine Menge  Konfliktpotenzial. Doch bis heute fehlt eine städtebauliche Vision für den Umbau des Checkpoint Charlie.

Der Checkpoint Charlie ist heute, wie eh und je, ein ausgesprochen beliebter Tourismus-Hotspot – und ein tägliches, großes Verkehrschaos. Und noch immer dominieren Gastronomiestände, Merchandising-Stände und fliegende Händler die Szenerie – von Weiterentwicklung ist hier derzeit nichts zu sehen.

Berliner Senat will ein Verkehrskonzept für die gesamte Berliner Mitte erarbeiten

Der Berliner Senat jedoch versichert auf Nachfrage, dass beide Themen weiterverfolgt werden – und zwar gemeinschaftlich. Denn längst hat sich in den Senatsverwaltungen für Stadtentwicklung und Verkehr offenbar die Erkenntnis breit gemacht, dass die Berliner Mitte und vor allem ihre Verkehrsplanung nicht in abgegrenzten Silos, sondern übergreifend gesehen werden muss.

Die Senatsverwaltungen für Verkehr sowie für Stadtentwicklung erarbeiten derzeit nach eigener Aussage einen Masterplan für die Berliner Mitte nach den Richtlinien der Regierungspolitik. Der Plan zielt auf die Verbesserung der Verkehrsführung und Stadtraumgestaltung zwischen Alexanderplatz und Brandenburger Tor ab, um die Aufenthaltsqualität zu steigern und den Ansprüchen einer modernen europäischen Metropole zu genügen, wie heißt. Im Fokus stehe demnach eine ganzheitliche Verkehrsplanung, die Stadtentwicklung und Mobilität rund um den Gendarmenmarkt, die Friedrichstraße und den Checkpoint Charlie vereinen soll.

Seit Mai 2024 arbeitet der Berliner Senat an einer Bestandsanalyse der Verkehrsflüsse in Berlins Zentrum

Im Mai 2024 haben die konzeptionellen Arbeiten zu einem sogenannten Verkehrs-Masterplan für die Berliner Mitte mit einer Bestandsanalyse begonnen, die bis Ende 2024 abgeschlossen sein soll. Diese Analyse untersucht das Projektgebiet in Bezug auf Verkehrsträger, Nutzungsstrukturen und Flächenbedarfe.

Darauf aufbauend sollen dann Konflikte und Defizite identifiziert werden, um Handlungsfelder und erste Lösungsansätze zu entwickeln, wie es offiziell heißt. Das Teilprojekt wird Ende 2025 mit konkreten Empfehlungen zur weiteren verkehrlichen Entwicklung in der Berliner Mitte abgeschlossen. Hier ist also noch ein langer Atem gefragt.

Entwicklung des Checkpoint Charlie soll im Verkehrs-Masterplan berücksichtigt werden

Auch der Checkpoint Charlie soll demnach Teil dieser umfassenden Verkehrsanalyse sein, doch die Projektbeteiligten des Berliner Senats betonen durchaus die Gültigkeit der bisher erarbeiteten Ergebnisse für den Checkpoint Charlie. Laut den städtebaulichen Leitlinien, die bis Dezember 2022 erarbeitet wurden, soll die Friedrichstraße im Bereich des geplanten Bildungs- und Erinnerungsortes Checkpoint Charlie verkehrsberuhigt werden.

Wie genau das umgesetzt wird, hängt von den Ergebnissen noch ausstehender verkehrlicher Gutachten ab, die derzeit laufen. Auch der Checkpoint Charlie selbst wird im Rahmen des Innenstadtkonzepts zur Verkehrsplanung genauer unter die Lupe genommen. Ab Ende 2024 sollen hier die nächsten Schritte für die Freiraumplanung begonnen werden.

So darf man also sehr gespannt darauf sein, mit welchen Plänen der Berliner Senat Ende des Jahres 2024 an die Öffentlichkeit geht, um die Quartiere rund um Friedrichstraße, Unter den Linden, Humboldt Forum und Brandenburger Tor verkehrsseitig weiterzuentwickeln. Wünschenswert wäre dabei vor allem, dass das Thema weniger zähfließend vorankommt und mit der entsprechenden Priorisierung behandelt wird. Denn Lippenbekenntnisse hat es hierzu in der Vergangenheit schon häufig gegeben, konkrete Ergebnisse eher weniger.

 

Weitere Bilder zum Projekt findet Ihr hier: 

Verwaiste Immobilie: Die Galeries Lafayette sind aus der Friedrichstraße ausgezogen. / © Foto: ENTWICKLUNGSSTADT BERLIN

Bretterbuden und fliegende Händler dominieren das Bild am Checkpoint Charlie, an der Grenze zwischen Mitte und Kreuzberg. / © Foto: ENTWICKLUNGSSTADT BERLIN

Der Checkpoint Charlie ist heute, wie eh und je, ein ausgesprochen beliebter Tourismus-Hotspot – und ein tägliches, großes Verkehrschaos. / © Foto: ENTWICKLUNGSSTADT BERLIN

Friedrichstraße / Unter den Linden
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