Das Quartier rund um den ehemaligen Blumengroßhandel in der Berliner Friedrichstadt gehört zu zwölf Orten in Europa, die von der Europäischen Kommission als Beispiel für gelungene europäische Baukultur ausgewählt wurden. Die einstige Blumenhalle wird heute vom Jüdischen Museum als Akademie genutzt.

Das Quartier rund um den einstigen Blumengroßhandel in Berlin-Kreuzberg hat sich seit 2010 stark gewandelt. Die Europäische Kommission sieht das Gebiet als Beispiel für gelungene europäische Baukultur an. / © Foto: ENTWICKLUNGSSTADT BERLIN

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Text: Björn Leffler

 

Bis zum Mai 2010 befand sich an der Kreuzberger Lindenstraße der zentrale Berliner Blumengroßhandel. Der Standort in der Berliner Friedrichstadt hatte seit Ende des 19. Jahrhunderts Bestand.

Zuerst wurde die Blumengroßmarkthalle im Jahr 1922 in unmittelbarer Nähe zur Markthalle II (Lindenhalle) errichtet, wo bereits seit der Eröffnung 1886 einige Blumengroßhändler ihre Stände hatten.

1922: Erster Bau für einen Blumengroßmarkt in Kreuzberg

Ab 1922 wurde dann eine eigene Halle speziell für den Blumengroßmarkt gebaut. Diese wurde 1937 durch einen Neubau ersetzt. Nach ihrer Zerstörung im Zweiten Weltkrieg wurde an derselben Stelle ein Provisorium errichtet, das 1965 schließlich einem weiteren Neubau wich.

Dieses Gebäude hat bis heute Bestand. Im Mai 2010 zog der Blumengroßmarkt zur Großmarkthalle Beusselstraße nach Moabit um. Die Halle an der Lindenstraße wurde an das Jüdische Museum Berlin verkauft, welches seinen Standort auf der gegenüberliegenden Straßenseite hat.

Die einstige Markthalle wird heute vom Jüdischen Museum genutzt

Heute befindet sich die Akademie des Jüdischen Museums, benannt nach dem einstigen US-Finanzminister Werner Michael Blumenthal, in dem Gebäude.

Die ehemalige Lagerhalle wurde nach dem Auszug der Blumenhändler aufwändig umgebaut und erweitert und bildet so einen architektonischen Gegenpol zum spektakulären, von Daniel Libeskind konzipierten, Museumsbau auf der anderen Straßenseite.

In der Halle ist heute die Akademie des Jüdischen Museums untergebracht

Um die heutige Akademie herum sind in den letzten Jahren kreativ konzipierte Wohn- und Geschäftshäuser errichtet worden, die sich angenehm vom viel zu häufig umgesetzten, monotonen Einerlei des Städtebaus absetzen.

In den Gebäuden direkt am Platz vor der Akademie befinden sich Restaurants, Fotostudios und Bistros. Dahinter sind neue Grünflächen und ein Spielplatz entstanden. Direkt am benachbarten Besselpark hat sich ein kleines Medienzentrum entwickelt.

Am benachbarten Besselpark hat sich ein kleines Medienzentrum etabliert

Das aufsehenerregende neue taz-Verlagsgebäude, welches wir bereits näher beleuchtet haben, wird flankiert von einem weiteren, kantig-avantgardistischen Bürogebäude, welches mehrere Medienunternehmen beheimatet, wie etwa den competitiononline Verlag oder den Arch + Verlag.

Auch der Besselpark selbst wurde umgestaltet und modernisiert. Neue Parkwege und Sitzmöglichkeiten wurden angelegt, Bäume und Hecken wurden gepflanzt und Grünflächen erweitert. Ein spannendes Wohn- und Geschäftsviertel ist entstanden und wird noch weiterentwickelt.

Das Umfeld der einstigen Blumenhalle hat sich stark gewandelt

Das direkte Umfeld der ehemaligen Blumenhalle hat sich seit dem Umbau natürlich stark verändert, mehrere Künstler und Galerien haben hier Räumlichkeiten bezogen. Die Akademie selbst wird vom Jüdischen Museum vielfältig genutzt.

Seit der Eröffnung beherbergt die Halle die Bibliothek, das Archiv, die Bildungsbereiche und Akademieprogramme des Museums. Daniel Libeskind entwarf die Innengestaltung mit einem U-förmigen Grundriss im bestehenden Gebäude.

In der Halle ist ein Haus-im-Haus-Konzept umgesetzt worden

Aufgrund der überdimensionierten Ausmaße der Halle wird ein optischer Trick angewendet – drei schräge Kuben aus Holz “schieben” sich aus dem Boden und bilden ein Haus-im-Haus-Konzept.

Die entstandenen Räume dienen als Büro-, Seminar-, Besprechungs- und Depoträume sowie als Gäste-Schüler-Werkstatt. Ein Kubus beherbergt die Handbibliothek mit einem angrenzenden Lesesaal, ein anderer dient als Auditorium, und der dritte bildet den Eingang in das Gebäude.

Die Themen Bildung, Kultur, Natur und Landschaft stehen im Fokus

Die freie Fläche in der Mitte der Halle wurde nach dem Entwurf des französischen Landschaftsarchitekturbüros atélier le balto als Garten der Diaspora gestaltet. Die 600 Quadratmeter große Fläche ist in vier thematische Ebenen unterteilt: Bildung, Kultur, Natur und Landschaft.

Die Umgestaltung des einstigen Blumengroßhandels ist auch über die Grenzen Berlins hinaus bekannt geworden. Das Quartier wurde im Rahmen eines europäischen Wettbewerbs im Jahr 2023 als eines von 30 Exzellenzprojekten in einen europäischen Katalog für gute Baukultur aufgenommen.

Das Quartier in Kreuzberg zählt zu 30 europäischen Exzellenzprojekten

Ausrichter des Wettbewerbs waren der Architects‘ Council of Europe und das europäische Städtenetzwerk Eurocities. Der Wettbewerb ist Teil des Programms „Living Spaces” der Europäischen Kommission.

Zwölf der ausgezeichneten Projekte mit besonderer Vorbildwirkung präsentieren sich im Verlauf des Jahres 2024 im Rahmen von Fachbesuchen europäischer Expertinnen und Experten für Stadtplanung und Architektur jeweils vor Ort.

12 europäische Orte werden 2024 von einer Expertengruppe besucht

Vom 11. bis 13. März 2024 besuchte eine solche Expertengruppe Berlin, um sich bei Berliner Projektbeteiligten über das Quartier am ehemaligen Blumengroßmarkt zu informieren, wie die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen mitteilte.

Wir sind stolz darauf, als eine von zwölf europäischen Städten im Rahmen eines Fachbesuchs unsere Erfahrungen mit dem experimentellen Planungsprozess für das Quartier am Blumengroßmarkt weitergeben und uns international austauschen zu können“, sagte Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt im Vorfeld des Besuchs.

Richtungsweisendes Projekt für gemeinwohlorientierte Planungskultur

Kahlfeldt lobte vor allem in die inhaltliche Ausrichtung des Transformationsprojekts: “Das Projekt war richtungsgebend für die gemeinwohlorientierte Planungskultur in Berlin. Ich freue mich daher sehr, dass wir es mit dem Wettbewerb und der Fachveranstaltung in die europäische Öffentlichkeit rücken können.

Im Zentrum des Fachbesuchs stand schließlich der Ansatz einer kooperativen Planungskultur, die im Quartier am Blumengroßmarkt erstmals für Berlin im Rahmen einer gemeinwohlorientierten Liegenschaftspolitik erprobt und umgesetzt wurde.

Weitere Quartiere befinden sich in Prag, Malmö, Wien, Danzig oder Toulouse

Wegweisend für weitere Entwicklungen in Berlin war aus Sicht der Senatsverwaltung ein Konzeptverfahren, welches den sozialen und kulturellen Mehrwert für die Nachbarschaft sowie die Gestaltungsqualität der Neubauten ins Zentrum der Grundstücksvergabe stellte – und nicht den höchsten Bieterpreis.

Das Programm „Living Spaces” der Europäischen Kommission fördert den Erfahrungsaustausch zu hochwertigem Städtebau und zur Entwicklung lebenswerter Quartiere in Europa. Weitere Orte, die auf dem Reiseprogramm der Expertengruppe stehen, sind unter anderem Quartiere in Toulouse, Prag, Wien, Brüssel, Malmö und Danzig.

 

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© Foto: ENTWICKLUNGSSTADT BERLIN

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Quellen: Architects‘ Council of Europe, Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, Wikipedia, Stiftung Jüdisches Museum Berlin, atélier le balto, Daniel Libeskind, Eurocities, Europäische Kommission 

 

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