Heute erinnert nur noch ein unscheinbares Denkmal mit vier Skulpturen an das einstige Hertha-Stadion am Gesundbrunnen. Die “Plumpe”, Schauplatz der größten Erfolge des Vereins, wurde 1974 abgerissen, um einem Wohnviertel zu weichen. Dabei war das ikonische Stadion das, wonach der Verein heute so sehnsüchtig strebt: eng, steil und laut.

Das Stadion an der Plumpe im Ortsteil Gesundbrunnen auf einer Fotoaufnahme aus dem Jahr 1974, kurz vor dem Abriss der Sportstätte. / © Foto: Wikimedia Commons (Andreas Schwarzkopf)

© Fotos: Wikimedia Commons (Andreas Schwarzkopf, Achim Raschka, Berlinschneid)
Text: Wolfgang Leffler

 

“Footbals’s coming home”: jeder Fußballfan kennt dieses Lied, das seinen Siegeszug ohnegleichen im Verlauf der Fußball-Europameisterschaft 1996 in England antrat und seitdem immer wieder zu hören ist.

Der Fußball – insbesondere der Vereinsfußball – braucht sein zu Hause, eine Spielstätte, mit der sich sowohl der Verein als auch die Mitglieder und Fans identifizieren können und in der die Heimmannschaft – mit Unterstützung ihrer Anhänger – ihre Spielstärke und Emotionen voll abrufen kann.

Hertha BSC: Die große Sehnsucht nach einem eigenen Stadion

Bei Hertha BSC war das in der etwas weiter zurückliegenden Vergangenheit so und ist auch aktuell weiterhin das Bestreben des Fußballvereins, obwohl das Thema Stadion-Neubau – der momentanen finanziellen und sportlichen Situation geschuldet – in den Hintergrund gerückt ist, sich aber in nicht allzu ferner Zukunft womöglich wieder in den unmittelbaren Blickpunkt des öffentlichen Interesses schieben könnte.

Dabei hatte Hertha BSC lange sein ‚eigenes‘ Stadion, und zwar bis ins Jahr 1974 hinein, gelegen im Wedding. Das Stadion befand sich im Zentrum des Weddinger Ortsteils ‚Gesundbrunnen‘, direkt an der Swinemünder Brücke; im Norden begrenzt durch die Brehmstraße, im Westen durch die Bellermannstraße, sowie im Osten und Süden durch die Bahngleise des Bahnhofs Gesundbrunnen.

Herthas einstiges Stadion “Plumpe” im Gesundbrunnen

Der Begriff ‚Plumpe‘ entstammte dem Berliner Volksmund und ist ursprünglich eine Abwandlung für Wasserpumpen, wie sie im Stadtbild Berlins an vielen Straßen vorzufinden waren und heutzutage vereinzelt wieder, nach erfolgreichen Rekonstruktionen, zu sehen sind.

Solche eine Wasserpumpe stand auch in der Behmstraße, die verbunden war mit einer nahegelegenen Heilquelle im benachbarten ‚Luisenbad‘. Daher also der Ortsteilname ‚Gesundbrunnen‘, wozu ergänzend zu bemerken ist, dass diese ‚gesunde‘ Wasserquelle des Gesundbrunnens verschwunden ist, als die in unmittelbarer Nachbarschaft gelegene Badstraße 1882 eine Kanalisation erhielt und seitdem die Quelle als verschüttet gilt.

Dementsprechende Untersuchungen der Berliner Verwaltung hatten ergeben, dass die Heilquelle nur ‚Pankewasser‘ war. Getreu des Berliner Volksmunds entstand somit aus der Pumpe der Spitzname ‚Plumpe‘ für diesen Ort im Berliner Wedding. Da das Stadion in Gesundbrunnen an der ‚Plumpe‘ lag, verkürzte sich die Bezeichnung für Herthas Spielstätte im Weddinger Heimatkiez somit auf ‚Plumpe‘!

Herthas erfolgreichste Zeit im Stadion an der “Plume”

Rückblickend war diese Zeit im eigenen Stadion an der ‚Plumpe‘ die erfolgreichste in Herthas Historie, denn immerhin entwickelte sich Hertha BSC, eine Fusion übrigens von Hertha 92 und dem finanziell solide aufgestellten Berliner SC 1899, zum damals populärsten Berliner Fußballverein, der sich fortan BFC Hertha 1892 – Hertha BSC Berlin nannte und sich 1930 und 1931 mit zwei Deutschen Meisterschaften krönen durfte.

Aber wie kam es zum Bau des Stadions im Berliner Wedding? Kurz nach der Fusion der beiden Vereine zu Hertha BSC Berlin gründeten finanzstarke Mitglieder des neuen Vereins die Sportplatz Bau- und Betriebs- GmbH. Diese kaufte ein Grundstück direkt gegenüber dem ‚Schebera-Sportplatz‘, der bisherigen Spielstätte Herthas.

Ausbau des Stadions Anfang der 1920er Jahre

Hintergrund des Kaufs war sicher die Tatsache, dass es für den Verein immer schwieriger wurde, die Pacht für den ‚Schebera-Platz‘ – Name des Kneipiers und Verpächters – aufzubringen, und so wurde dank einer kräftigen Finanzspritze eines Mitglieds Ende 1923 mit dem Ausbau des neuen Platzes begonnen, von dessen Erweiterung sich der Verein auch höhere Zuschauereinnahmen versprach.

Auf diesem ‚Schebera-Sportplatz‘ errang Hertha übrigens 1906 seine erste Berliner Fußball -Meisterschaft, der noch einige folgen sollten. Eröffnet wurde das neue Stadion am 9. Februar 1924, als ersten Gegner hatte man sich den VfB Pankow auserkoren, den man mit 1:0 besiegen konnte.

3.600 Zuschauer fanden auf einer überdachten Holztribüne Platz

Das Stadion war anfangs ausgestattet mit einer 3.600 Zuschauer fassenden überdachten Holztribüne, welche in der Folgezeit um zwei große trapezförmige Hintertortribünen, im Volksmund wurden die Stehplatztribünen ‚Uhrenberg‘ und ‚Zauberberg‘ genannt, ergänzt wurde. Nach Beendigung aller Baumaßnahmen fasste die Arena 35.239 Zuschauer und war unter anderem auch Austragungsort der während der Olympischen Spiele 1936 in Berlin wenig beachteten Gruppenspiele des olympischen Fußballturniers.

So fanden in der ‚Plumpe‘ Spiele statt wie Japan vs Schweden, Peru vs Finnland und Peru vs Österreich. Das letztgenannte Spiel wurde allerdings nach einem Platzsturm peruanischer Zuschauer und Angriffen auf die Spieler Österreichs abgebrochen. Das Spiel sollte daraufhin wiederholt werden, wozu es allerdings nicht kam, denn die Peruaner traten nicht mehr an.

Herthas große Zeit in den 1920er und 1930er Jahren

Die Gruppenspiele des olympischen Fußballturniers in Herthas Stadion fanden wenig Zuschauerinteresse, denn an der ‚Plumpe‘ zog offenbar nur Hertha BSC. Von den nationalen Triumphen einmal abgesehen, war es den Hertha-Verantwortlichen in den 1920er Jahren gelungen, den Verein auch international ins Rampenlicht zu rücken.

So gastierten in dieser Zeit immer wieder attraktive internationale Gegner im Stadion am Gesundbrunnen, wie etwa die englischen Spitzenteams Southern United, Tottenham Hotspurs, Blackburn Rovers oder der FC Sunderland. Dieser sportlichen Entwicklung folgte in diesem Zeitraum auch eine sehr gute finanzielle Phase.

Die “Plumpe” im Wedding als gesellschaftlicher Mittelpunkt

Herthas Spiele zogen neben den eigenen Fans aus der unmittelbaren Umgebung auch Anhänger und Interessierte aus den umliegenden Bezirken ins Stadion. Das betraf viele Anhänger aus Reinickendorf, Prenzlauer Berg oder sogar Wilmersdorf.

Entscheidend für dieses große Interesse an Hertha BSC und der Spielstätte ‚Plumpe‘ war die familiäre und unglaublich dichte Atmosphäre mit den steilaufragenden Stehplatztribünen, die alle in ihren Bann zog.

Die “Plumpe” war vergleichbar mit klassischen englischen Fußballstadien

Die ‚Plumpe‘ war so gesehen vergleichbar mit den englischen Stadien, die ebenfalls ohne Laufbahn konzipiert waren und in denen auch eine derartig gedrängte Atmosphäre vorherrschte. Man könnte auch von einem ‚Schmelztiegel‘ der verschiedensten Schichten und Klassen sprechen, die sich bunt durcheinandergemischt und auf engstem Raum an der Ursprünglichkeit des Fußballspiels ergötzten.

Der Kampf Mann gegen Mann, Team gegen Team und die Nähe der Traversen zum Spielfeld machten die Unmittelbarkeit für die Zuschauer auf den Traversen der “Plumpe” aus, wo sie ihren Spielern oder auch Lieblingen so nahe wie möglich sein konnten.

Das Stadion lag im Einzugsbereich vieler Berliner Arbeiterquartiere

Das Stadion der “Alten Dame” lag im unmittelbaren Einzugsbereich der Arbeiterquartiere im Norden Berlins, die auch einen Großteil der Zuschauer ausmachten. Diese Besucher konnten, wenn es auch nur für die Dauer eines Fußballspiels war, ihren Gefühlen freien Lauf lassen, konnten die Gegner ausbuhen, beschimpfen und verbal bekämpfen.

Diese direkte Wahrnehmung des Spiels fand in offener Auseinandersetzung und für jedermann sichtbar und fühlbar vor ihnen statt und verschaffte den Arbeitenden ein Glücksgefühl, dass ihnen in ihrer Arbeitswelt so niemand geben konnte. Im Moment des Spiels waren alle Vermögens- oder Herkunftsunterschiede in gewisser Hinsicht bedeutungslos.

Die “Plumpe” als Ort der Begegnung unterschiedlicher Schichten

So gesehen, kann man die ‚Plumpe‘ auch als Ort des Friedens und der Begegnung interpretieren, an dem sich die ansonsten feindlich gegenüberstehenden Lager – das bürgerliche Lager auf der einen Seite und das im Wedding stark vertretene sozialistische Lager auf der anderen Seite – auf einen gemeinsamen Nenner einigen konnten: Hertha BSC.

Nach dem zweiten Weltkrieg wies das Stadion schwere Schäden auf; so brannte die große Tribüne in der Nacht vom 5. auf den 6. Mai 1945 vollkommen aus. Der Verein Hertha BSC wurde im Zuge der Entnazifizierung kurz nach Kriegsende von den Alliierten aufgelöst und erst ab 1949 wieder zugelassen.

Zerstörung im Zweiten Weltkrieg und Wiederaufbau

Nach langwierigen Verhandlungen mit dem Berliner Magistrat, der beabsichtigte, ein neues Großstadion im nahe gelegenen Humboldthain bauen zu lassen, konnten die Hertha-Verantwortlichen die Berliner Behörden davon überzeugen, den Ausbau des Hertha-Stadions zu favorisieren. Erst im Dezember 1950 konnte Hertha die ‚Plumpe‘ wieder als Spielstätte beziehen.

Den größten Andrang aber in dieser vielgelobten und mit erheblichem manuellen Einsatz sowie hohem finanziellen Aufwand wieder hergestellten Arena, gab es allerdings nicht beim Fußball, sondern bei einem politischen Großereignis.

Im Juni 1948 versammelten sich 80.000 Menschen an der “Plumpe”

Am 24. Juni 1948 sollen sich schätzungsweise 80.000 Menschen auf dem Areal an der ‚Plumpe‘ befunden haben. Die SPD hatte zu einer Kundgebung aufgerufen und die Menschen vernahmen gespannt die Worte des damaligen Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Ernst Reuter, in dem es um die internationale Solidarität für Berlin ging, nachdem die Russen mit einer Blockade der Land- und Wasserwege West-Berlin vom Versorgungsnachschub abgeschnitten hatten.

Nach der Sanierung bot das Stadion nur noch Platz für 20.000 Zuschauer, aber die Atmosphäre beschrieben Hertha-Insider nach wie vor mit den Attributen “klein, eng und begeisternd“.

1970er Jahre: Umzug ins Olympiastadion und Abriss der “Plumpe”

 Lange stand die wiederaufgebaute ‚Plumpe‘ jedoch nicht, denn nachdem Hertha zur Saison 1963/64 Gründungsmitglied der Fußball-Bundesliga wurde und ab sofort in der einklassigen deutschen Eliteliga mitspielen durfte, lief die Uhr für das eigene Stadion ab.

Die DFB-Forderungen für ein bundesligataugliches Stadion sahen eine Arena für mindestens 35.000 Zuschauer und eine Fluchtlichtanlage vor. Eigenschaften, welche die ‚Plumpe‘ nicht vorweisen konnte.

Die “Plumpe” erfüllte nicht die Bundesliga-Auflagen des DFB

Für die Punktspiele der Bundesliga und für internationale Spiele zog Hertha BSC in das Olympiastadion im Berliner Westend um und kehrte nach dem Zwangsabstieg 1965 – Verurteilung seitens des DFB wegen überhöhter Handgeldzahlungen an Spieler – in den Regionalligaspielzeiten bis 1968 nochmals in das alte Stadion am Gesundbrunnen zurück, bevor man das Stadion dann endgültig verließ.

Der Bundesligaskandal 1971, in den auch Spieler von Hertha BSC maßgeblich verstrickt waren, machten dem Verein und speziell der ‚Plumpe‘ den Garaus, denn die große Hertha-Anhängerschaft in der Stadt fühlte sich betrogen, und das kostete dem Verein viele Sympathien und Zuschauer.

Wettskandal: Hertha geriet in finanzielle Schwierigkeiten

Die Berliner Fußballfans wollten ehrliche Spiele, was sie auch dementsprechend honorierten. Doch die offenbarten unlauteren Mittel, einhergehend mit Wettbewerbsverzerrungen und massiven Bestechungsvorwürfen, konnten und wollten die Fans nicht akzeptieren.

Das Ergebnis war ein erdrutschartiger Zuschauerschwund, von durchschnittlich rund 44.000 Zuschauern in der Saison 1970/71 auf etwa 24.000 Zuschauer in der Folgesaison. Die Konsequenzen daraus waren vorhersehbar. Der Verein schlidderte in eine verheerende finanzielle Schieflage, so dass nur durch den Verkauf des eigenen Vereinsgeländes an der ‚Plumpe‘ der Konkurs abgewendet werden konnte.

Der Verkauf der “Plumpe” verhinderte den Konkurs von Hertha BSC

Eine Münchner Wohnungsbaugesellschaft trat 1973 als Hauptinteressent ins Rampenlicht, das Berliner Abgeordnetenhaus stimmte letztendlich der Umwidmung des Hertha-Areals in Baugelände zu.

Mit dem Verkauf der ‚Plumpe‘ an besagte Münchner Baugesellschaft konnte Hertha BSC die bis dahin angehäufte Schuldensumme von insgesamt 6,2 Millionen D-Mark komplett tilgen.

1974: Abschiedsspiel in der “Plumpe” fiel sprichwörtlich ins Wasser

Zum Abschiedsspiel an der ‚Plumpe‘ hatte sich Hertha BSC im Oktober 1974 den 1.FC Nürnberg auserkoren, der sich in der Vergangenheit oft mit den Herthanern harte Duelle geliefert hatte.

Aber ein über mehrere Tage anhaltender Starkregen machte den Platz an der ‚Plumpe‘ unbespielbar, so dass das Spiel abgesagt werden musste; die Nürnberger waren zu dem Siel erst gar nicht nach Berlin angereist. Somit schloss sich der Kreis und das ins Wasser gefallene Abschiedsspiel passte sich der bitteren und traurigen Gesamtsituation buchstäblich an.

Abriss und Neubau von Wohnungen: Herthas Heimat war verschwunden

Ein paar Tage später rollten die ersten Bagger und Abrissbirnen an, taten ihre Arbeit und Hertha BSC hatte nur wenige Wochen später seine einstige Heimat verloren – ein hoher Preis für den Verbleib in der Bundesliga.

Auf dem Areal der ehemaligen Hertha-Arena, die vier Jahrzehnte lang für den Verein die selbstverständliche Heimspielstätte gewesen war, entstanden 440 neue Wohnungen.

Heute erinnert nur noch ein unscheinbares Denkmal mit vier Skulpturen an das einstige Hertha-Stadion am Gesundbrunnen, wo vor der Rasenfläche ein Schild mit der Aufschrift „Fußballspielen verboten“ angebracht ist.

 

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Einer der großen Helden des Stadions an der Plumpe: Hanne Sobek (rechts), der mit Hertha BSC zweimal die Deutsche Meisterschaft erringen konnte. / © Foto: Wikimedia Commons (Achim Raschka)

In der heutigen Wohnanlage erinnern vier Skulpturen an das einstige Fußballstadion. / © Foto: Wikimedia Commons (Berlinschneid)

An dieser Stelle würde das Stadion am Gesundbrunnen im heutigen Stadtbild stehen.

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Quellen: Wikipedia, 125 Jahre Hertha, Das große Hertha Buch, Alles Hertha!, Hertha unterm Hakenkreuz, Blau-Weiße Wunder, 111 Gründe, Hertha BSC zu lieben

 

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