Der 1. FC Union Berlin ist ohne das Stadion an der Alten Försterei quasi undenkbar. Der Werdegang des Vereins und die Geschichte der Spielstätte in der Köpenicker Wuhlheide sind untrennbar miteinander verbunden. Wir schauen auf die wechselhafte Historie der Sportstätte und auf die Pläne für die Zukunft.
© Fotos & Visualisierungen: Wikimedia Commons / 1. FC Union Berlin
Text: Björn Leffler
1906 bis 1967
Unweit der Stadtforste, in der Luisenstraße in Oberschöneweide, wurde der F.C. Olympia Oberschöneweide im Jahr 1906 gegründet. Die jungen Schüler und Lehrlinge spielten auf den Wiesen am Spreeufer und mussten nach den Partien ihre Ausrüstung im Vereinslokal lagern. Aufgrund des wachsenden Bedarfs an Flächen durch die Industrialisierung musste der Sport-Club Union Oberschöneweide, wie er seit 1910 hieß, im Jahr 1910 einen neuen Platz in der Wattstraße finden. In den nächsten zehn Jahren wurde dieser Ort zur sportlichen Heimat von Union Oberschöneweide. Der Verein hatte schnell sportlichen Erfolg und gewann in der Saison 1919/20 die Berliner Meisterschaft.
Um eine hohe Eigenständigkeit auf den Anlagen zu gewährleisten, wurde in der Vereinssatzung festgelegt, dass ein Platzfonds unterhalten werden sollte. Dieser Fonds sollte aus einem Viertel der Einnahmen des Klubs sowie freiwilligen Beiträgen und Anleihegeldern finanziert werden. Die Verantwortung für diesen Fonds lag beim Schatzmeister. Die Platzverwaltung erfolgte unter der Leitung eines Obmanns der Platzverwaltung im Vereinsvorstand.
März 1920: Das erste Punktspiel auf den Sportanlagen an der Wuhlheide
Die neuen Anlagen wurden am Rande der Wuhlheide, in der Nähe der Königlichen Jägerei, am Köpenicker Ortseingang errichtet. Das Gelände gehörte der Stadt Berlin, die es 1911 erworben hatte. Der Sport-Club Union Oberschöneweide pachtete es von der Forstverwaltung der Stadt. In diesem Zusammenhang wurde der Sportpark Sadowa auf dem Briefpapier des Vereins erwähnt.
Am 7. März 1920 fand das erste Punktspiel auf den neuen Anlagen statt, das mit einem 1:1-Unentschieden gegen Viktoria 89 endete. Die Arbeiten an den Stehplatzreihen für 10.000 Zuschauer, der Umkleidebaracke, dem Geräteschuppen, den Toiletten, dem Ausschank und den Kassenhäuschen wurden im Sommer fertiggestellt. Zur offiziellen Einweihung empfing der Verein dann den Deutschen Meister 1. FC Nürnberg am 7. August 1920. Das Spiel wurde von 7.000 Zuschauern verfolgt und endete mit einem 2:1-Sieg der Gäste.
Spiele um die Deutsche Meisterschaft trug Union Oberschöneweide im Grunewald aus
Das Stadion erfüllte bald nicht mehr die Bedürfnisse des Publikums, und so sollte im folgenden Jahr eine Unterkunftsbaracke für die Zuschauer errichtet werden. Am 1. Pfingstfeiertag 1922 empfing der Verein erstmals auch internationale Gäste, als der schwedische Meister Bollklubb Stockholm zu einem Vergleichsspiel antrat.
Die Unioner erzielten ihre großen Erfolge hauptsächlich auf dem eigenen Platz, außer wenn sie auf den Plätzen des SV Norden Nordwest oder des Hertha-Sportplatzes ausweichen mussten. Spiele um die Deutsche Meisterschaft wurden entweder auswärts oder in größeren Anlagen ausgetragen. In den Jahren 1920, 1923 und 1940 fanden die Endrundenspiele in anderen Stadien statt. Das Spiel gegen Arminia Bielefeld 1923 und das Finale gegen den Hamburger SV wurden im Deutschen Stadion im Grunewald vor 64.000 Zuschauern ausgetragen.
1940: Viertelfinale gegen Rapid Wien im Olympiastadion vor 60.000 Zuschauern
Das Viertelfinalspiel gegen Rapid Wien 1940 fand im Olympiastadion vor 60.000 Zuschauern statt. Zum Ende des Zweiten Weltkrieges wurde der Nebenplatz in Köpenick und die angrenzende Kleingartensiedlung militärisch genutzt. Eine Flak-Stellung bekämpfte die alliierten Fliegerverbände.
Schon kurz nach Kriegsende wurde der Sportbetrieb an der Wuhlheide fortgesetzt. Die Sportgruppe Oberschöneweide, kurz SG Union Oberschöneweide genannt, spielte auf dem Platz Alte Försterei. Der SC Union Oberschöneweide wurde mit der Auflösung des Nationalsozialistischen Reichsbundes für Leibesübungen aufgelöst. Der Sport wurde nun auf kommunaler Ebene organisiert. Die Mannschaft trat zu Heimspielen oft im Poststadion in der Lehrter Straße oder in Herthas Plumpe im Gesundbrunnen an.
Nach dem Krieg: Instandsetzung der Sportanlage an der Wuhlheide
Die Anlagen an der Wuhlheide wurden wieder instand gesetzt. Das Stadion bestand zu dieser Zeit aber lediglich aus drei Plätzen und einer Holzbaracke. Im Januar 1949 wurde dann immerhin eine Lichtanlage installiert, die auch Abendtraining ermöglichte. In den folgenden Jahren wurden häufig Umbau- und Rekonstruktionsarbeiten durchgeführt.
Während dieser Zeit dienten das Poststadion in Moabit, das Hans-Zoschke-Stadion in Lichtenberg, der Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark in Prenzlauer Berg, das Stadion “Ernst Thälmann” in der Wuhlheide und das Walter-Ulbricht-Stadion in der Chausseestraße in Mitte als Ausweichplätze. Erst ab Herbst 1955 trat die Mannschaft wieder regelmäßig an der Alten Försterei an.
Die späten Sechzigerjahre werden eine Zeit des Aufbruchs an der Alten Försterei
1958 wurde ein Verkaufskiosk in der Nähe der Eingänge an der Waldseite errichtet, um die Zuschauer zu versorgen, 1964 wurde eine weitere Baracke in der Nähe des Förstereigebäudes aufgebaut. Der Verein hieß inzwischen TSC Berlin, nachdem er zuvor TSC Oberschöneweide und SC Motor Berlin genannt wurde.
Trainer Werner Schwenzfeier plante den Bau eines Stadions mit großer überdachter Tribüne, aber die wirtschaftlichen Realitäten in der DDR verhinderten solche Umbauten. 1967 wollten die Verantwortlichen eine Flutlichtanlage errichten lassen. Der Klub nahm in diesem Jahr am Intertoto-Wettbewerb teil, wurde aber nur Dritter in der Vierergruppe. Die späten Sechzigerjahre sollten dennoch eine Zeit des Aufbruchs auf der Anlage werden.
1969 bis 1995
Die Zeit umfangreicher Veränderungen für die Spielstätte in der Wuhlheide war Ende der 1960er Jahre angebrochen: Im Jahr 1967 wurden die Weichen für eine umfassende Erweiterung des Stadions An der Alten Försterei gestellt. Die eigentlichen Bauarbeiten begannen dann im Mai 1968, initiiert von einem engagierten Gartenbauingenieur, der das Projekt in seiner Freizeit vorantrieb.
Die Berlinerinnen und Berliner wurden im Rahmen des Nationalen Aufbauwerks dazu aufgerufen, sich unter dem Motto “Berlin hilft Union” an Arbeitseinsätzen zu beteiligen. Eine Vielzahl von Menschen folgte diesem Aufruf und leistete tausende Stunden ehrenamtlicher Arbeit, darunter Spieler, Trainer und Funktionäre.
Stadion-Ausbau 1968: Zahlreiche Freiwillige helfen unter dem Motto “Berlin hilft Union”
Ursprünglich für 12.000 Zuschauer geplant, sollte das Stadion nun Platz für 15.000 Menschen bieten. Die Westtribüne wurde erweitert, und auf der gegenüberliegenden Osttribüne entstanden 19 neue Stehplatzreihen. Eine einfache Sprecherbude aus Holz wurde durch einen stählernen Sprecherturm ersetzt, der auch Raum für Reporter bot.
Der Deutsche Fernsehfunk der DDR ließ zudem neue Kameratürme errichten. Ein Traktgebäude mit Kabinen, Büros und einem Speiseraum wurde direkt angrenzend an die Trainingsplätze hinzugefügt. Neben dem Ausbau der Sportplatzanlagen entstand zudem eine große Sporthalle auf dem Gelände einer Kleingartenanlage.
Bis zum Sommer 1970 wurden die Arbeiten am Stadion abgeschlossen
Bis zum Abschluss aller Arbeiten im Sommer 1970 trugen die Unioner ihre Heimspiele vorübergehend auf dem Sportplatz der BSG Kabelwerk Oberspree aus. Im Jahr 1976 führten Flaschenwürfe von Zuschauern zur Beendigung der einfachen Rohrgeländer-Abgrenzung. Eine zusätzliche Umzäunung wurde installiert, um die Sicherheit der Spieler zu gewährleisten.
Zwischenzeitliche Überlegungen, alle Heimspiele im weit entfernten Stadion der Weltjugend auszutragen, wurden jedoch nicht umgesetzt. In den frühen 1980er Jahren erlebte das Stadion erneut umfangreiche Erweiterungen. Die Tribünen hinter den Toren wurden an die Höhe der großen Stehplatztribüne angepasst. Die Rasenfläche wurde 1981 erneuert, und die Südkurve wurde baulich geschlossen. Eine temporäre Anzeigetafel wurde durch eine elektrisch betriebene Variante ersetzt.
1982: Errichtung hoher Zäune hinter beiden Toren
Sicherheitsbedenken führten 1982 zur Errichtung hoher Zäune hinter beiden Toren. Ein Vorfall, bei dem ein Torhüter durch einen geworfenen Stein verletzt wurde, führte zu einer Platzsperre und zusätzlichen Spielen an anderen Orten. Die 1980er Jahre waren in der DDR-Oberliga nicht selten geprägt von Ausschreitungen rivalisierender Fangruppen und einer zunehmend aggressiven Grundstimmung.
Diese Entwicklung machte auch vor der Alten Försterei nicht halt. Im Jahr 1987 erfuhr das Stadion dann allerdings eine ungewöhnliche und weniger konfrontative Nutzung, als es die Abschlussveranstaltung des Evangelischen Kirchentages beherbergte.
Nach dem Mauerfall: Der 1. FC Union musste neuen Anforderungen gerecht werden
Anfang der 1990er Jahre musste der Verein neuen Anforderungen gerecht werden, denn die deutsche Wiedervereinigung veränderte die Rahmenbedingungen signifikant. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) legte neue und strengere Standards für Bundesligastadien fest, und der Berliner Senat sprach sich für eine entsprechende Klassifizierung der Anlage aus. Die vorhandenen Einrichtungen wiesen allerdings große Mängel in Hygiene, Baustrukturen und Infrastruktur auf.
Es wurden also erneut Pläne geschmiedet, um das Stadion An der Alten Försterei zukunftsfähig zu machen. Eine neue, überdachte Sitzplatztribüne war in ihrer Konzeption nicht nur darauf ausgerichtet, 8.000 Zuschauern Platz zu bieten, sondern auch Umkleidemöglichkeiten und Funktionsräume für die Profi-Mannschaft zu integrieren.
Überdachung und Umwandlung der Stehplätze: Pläne für erneuten Umbau
Zudem sollte eine neue Vereinsgaststätte geschaffen werden. Die bisherigen Stehplätze sollten gemäß den Überlegungen schrittweise in 17.000 Sitzplätze umgewandelt werden. Im Gesamtkonzept waren eine moderne Flutlichtanlage, eine substantielle Verbesserung der Anfahrts- und Parkmöglichkeiten sowie die Einrichtung eines Sport- und Fitnesscenters für den Verein und die Öffentlichkeit vorgesehen.
Die Herausforderung lag allerdings in der Finanzierung des Vorhabens. Der Verein favorisierte das Konzept, dass das Land Berlin Eigentümer der Immobilie wird und die Finanzierung in Kooperation mit privaten Investitionen erfolgt. Als Alternative wurde auch über die Gründung einer gemeinnützigen Stiftung mit dem Zweck “Ausbau und Erhaltung des Sportkomplexes Alte Försterei” diskutiert. Bis aber tatsächlich bauliche Veränderungen am Stadion vorgenommen wurden, sollten noch einige Jahre vergehen.
1995 bis 2027
Seit 1995 nutzten Spieler und Betreuer das Container-Sozialgebäude am Nebenplatz. Der Sozialtrakt und die Gebäude an der Försterei-Grenze waren Geschichte, in einem riesigen Kunststoffzelt wurden nun V.I.P.-Gäste betreut und das Pressezentrum des Vereins untergebracht. Doch die Entwicklungen auf dem Stadiongelände gestalteten sich komplex: Pläne wurden geschmiedet, wieder verworfen und neu aufgegriffen.
Im Frühjahr 2000 wurden schließlich sichtbare Fortschritte erzielt: Holzbänke auf der Sitzplatztribüne wichen Plastik-Schalensitzen, der Sprecherturm wurde demontiert, und das Dach der Sitzplatztribüne nahm langsam Form an. Der 30. November 2000 markiert die Errichtung des ersten Flutlichtmasts, gefolgt von einem historischen Landespokalspiel unter Flutlicht am 12. Dezember desselben Jahres. Doch das sollten nur vorläufige Schritte sein, denn unterschiedliche Pläne für ein komplett neues Stadion kursierten zwischen 2003 und 2005. Die fehlenden finanziellen Mittel dafür waren jedoch der große Bremsklotz für die ambitionierten Pläne.
2008 starteten freiwillige Helfer größten Umbau der Stadiongeschichte
Im Juni 2008 starten freiwillige Aufbauhelfer das bislang größte Bauvorhaben der Stadionhistorie. Unter dem Motto “Kiek an, wir bauen” durchlebte das Stadion eine Metamorphose: Tribünenreihen wurden betoniert, Treppen errichtet, der Stehplatzbereich überdacht, auch eine Rasenheizungsanlage wurde installiert. Nach über einem Jahr intensiver Bauaktivitäten wurde das modernisierte Stadion am 8. Juli 2009 feierlich wiedereröffnet. Über 2.000 freiwillige Helfer hatten in mehr als 140.000 Arbeitsstunden Großes geleistet. Bundesweit erhielt das Projekt große Aufmerksamkeit und viel Anerkennung.
Finanzielle Neuordnungen durch eine Aktienemission und die Gründung der An der Alten Försterei Stadionbetriebs Aktiengesellschaft sollten das Stadion in die Hände der Mitglieder des 1. FC Union überführen. Die Zeichnungsfrist für die Alte-Försterei-Aktie endete im Dezember 2012, wobei 4.136 Vereinsmitglieder und Firmen insgesamt 5.446 der Wertpapiere im Wert von 2,7 Millionen Euro erwarben. Die Stadionbetriebs AG beteiligte sich mit drei Millionen Euro an den für den Tribünenbau vorgesehenen 15 Millionen Euro.
April 2012: Der Bau der neuen Haupttribüne begann
Im April 2012 begannen dann unbezahlte Helfer mit der Demontage erster Elemente der Sitzplatztribüne. Das V.I.P.-Zelt wurde auf den zweiten Trainingsplatz verlagert, als Ausgleich entstand an der Ballspielhalle ein neues Trainingsgelände mit beheizbaren Rasenflächen und einer neuen Flutlichtanlage. Der Bau einer neuen Haupttribüne wurde realisiert, und im Januar 2013 wurden erstmals Sitzplatzkarten für die neue Tribüne angeboten.
Die Haupttribüne wurde dann im Juli 2013 mit einem Freundschaftsspiel gegen Celtic Glasgow eingeweiht und bietet seitdem komfortable Sitzmöglichkeiten in verschiedenen Preissegmenten und im Innern moderne Einrichtungen für Sportler. Auch V.I.P.- und Logenbereiche und gastronomische Angebote wurden geschaffen – und werden seit der Eröffnung rege genutzt.
Die nächste Erweiterung: Die Alte Försterei soll um 15.000 Plätze wachsen
Die Ambitionen des 1. FC Union, die Kapazität auf 37.000 Plätze zu erweitern, gerieten anfangs aufgrund infrastruktureller Engpässe ins Stocken. Probleme rund um das Stadion bei Heimspielen der “Eisernen” führten zu Überlegungen, eine neue Straßenbahn-Wendeschleife zu bauen. Die DFL forderte zudem eine Mindestkapazität von 8.000 Sitzen für Bundesliga-Spielstätten. Eine Vorgabe, die Union nach dem Umbau deutlich überschreiten wird. Bis 2027 soll das neue Stadion fertig werden. Während der Bauzeit wird der 1. FC Union sämtliche Heimspiele im Olympiastadion in Charlottenburg austragen.
Aufgrund der positiven finanziellen Entwicklung der vergangenen Jahre plant der Verein nicht nur den Stadionumbau, sondern auch in die Entwicklung des gesamten Standorts. Die vorgestellten Pläne für den Campus rund um das Stadion verdeutlichen die ehrgeizigen Vorstellungen des Vereins. Geplante Erweiterungen umfassen neue Räumlichkeiten für die Vereinsführung, ein Parkhaus mit eingebauter Konzertbühne und einen Stadionvorplatz im Stil eines großen Innenhofs vor der Haupttribüne.
Das Stadion an der Alten Försterei und das direkte Umfeld stehen also auch weiterhin vor großen, tiefgreifenden Veränderungen. Ein Blick auf die wechselhafte Geschichte des Standorts zeigt in aller Deutlichkeit, dass vor allem der Wandel ein fester Bestandteil des Charakters dieser einzigartigen Spielstätte ist. Auf das neue, größere Stadion darf man in jedem Fall gespannt sein.
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Quellen: www.stadion-an-der-alten-foersterei.de, Wikipedia, 1. FC Union Berlin, Stadionwelt
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