Trotz aller Kritik gibt es in Berlin moderne Architektur, die überrascht und begeistert. ENTWICKLUNGSSTADT zeigt zehn Projekte, die beweisen, dass moderne Architektur in Berlin weit mehr zu bieten hat, als ihr häufig schlechter Ruf vermuten lässt.
© Visualisierung Titelbild: Aesthetica Studio
Die so oft (mitunter zurecht) gescholtene moderne Architektur hat es in Berlin nicht leicht: Häufig als steril, monoton oder leblos kritisiert, wird sie vor allem im Bereich des Wohn- und Gewerbebaus nur selten wirklich geschätzt. Dabei hat die deutsche Hauptstadt, die an vielen Stellen durch die Verwüstungen des Zweiten Weltkriegs und die oft wenig charmanten Bauten der 1960er und 1970er Jahre geprägt ist, längst auch eine andere Seite entwickelt.
Inmitten von nüchternen Fassaden und pragmatischen Lösungen gibt es immer wieder auch Bauwerke, die durch innovative Gestaltung, ungewöhnliche Formen und spannende Konzepte hervorstechen. Dieser Artikel stellt zehn solcher Projekte vor, die zeigen, wie vielseitig, mutig und inspirierend moderne Architektur in Berlin sein kann.
Unsere zehn ausgewählten Projekte brechen mit dem Klischee der kalten Zweckmäßigkeit und eröffnen neue Perspektiven für das urbane Leben in einer Stadt, die sich auch mehr als 35 Jahre nach dem Fall der Mauer ständig neu erfindet. Diese Projekte zeigen, dass moderne Architektur in Berlin, zumindest an einigen Stellen, vielfältiger und mutiger ist, als ihr Ruf vermuten lässt. Dabei beleuchten wir Projekte, die erst vor kurzem fertiggestellt werden, aktuell gebaut werden oder bereits in Planung sind.
Viel Spaß beim Lesen wünscht die ENTWICKLUNGSSTADT Redaktion.
1 – Nachhaltiges Gewerbeprojekt AERA auf der Mierendorffinsel
Seit Oktober 2023 wurde das Dach des Gewerbeprojekts “AERA” in Berlin-Charlottenburg begrünt. Auf dem Dach wurden insgesamt 30 zwölf Meter hohe Kiefern, Eichen, Ahornen und Wildkirschen installiert. Im August 2024 wurde das gesamte Bauvorhaben abgeschlossen und soll den Auftakt für eine umfangreiche Quartiersentwicklung auf der Mierendorffinsel bilden.
2 – Kultur und Gewerbe unter einem Dach: Bechstein-Campus in Moabit
An der Heidestraße in der „Europacity“ in Berlin-Moabit soll mit dem Carl-Bechstein-Campus ein aufsehenerregender Kultur-, Gewerbe- und Einzelhandelsstandort entstehen. Im Gestaltungswettbewerb konnte sich das Büro Graft Architects gegen sechs namhafte Konkurrenten durchsetzen.
3 – „KALLE Neukölln“: Neuerfindung eines ehemaligen Warenhauses
Im Frühjahr 2025 öffnet das KALLE Neukölln nach einer langjährigen Generalsanierung für rund 200 Millionen Euro seine Türen. Das ehemalige Kaufhaus an der Karl-Marx-Straße 101, einst Heimat von Quelle und Karstadt, soll nun zu einem lebendigen Zentrum für Kunst, Kultur und Gemeinschaft werden. Unter anderem findet die Gründer-Schmiede CODE University hier ihr neues Zuhause.
4 – Moderner Sakralbau: Die neue Synagoge in Potsdam
Nach fast 20 Jahren Planung wurde im Juli 2024 in Potsdam eine neue Synagoge eröffnet, Bundespräsident Frank Walter Steinmeier gastierte als Redner des feierlichen Festakts. Die 1903 eröffnete, alte Potsdamer Synagoge war nach schweren Kriegsschäden 1957 abgerissen und nicht wieder aufgebaut worden. Im Neubau sind auch Flächen für kulturelle Veranstaltungen entstanden.
5 – Schlicht und elegant: Bauliche Erweiterung am Haus der Wannsee-Konferenz
Die Gedenkstätte Haus der Wannsee-Konferenz in Berlin erfährt eine bedeutende Erweiterung: Ein neues Seminarhaus wurde eröffnet, und ein jüdisches Café zieht auf den Campus ein. Mit diesen Neuerungen soll die Bildungsstätte ihre Kapazitäten erweitern und gleichzeitig ein Zeichen für Erinnerungskultur und Vielfalt setzen.
6 – Anhalter Bahnhof: Neubau des Exilmuseums in Kreuzberg
Im Oktober 2022 eröffnete in Charlottenburg eine Werkstatt, in der das für 2026 geplante Exilmuseum am früheren Anhalter Bahnhof vorbereitet werden soll. Das kommende Museum beschäftigt sich mit der ewig aktuellen Bedeutung des Themas Exil.
7 – Bäume statt Aquarium in Mitte: „Living Tree“ im Hotel Radisson
Der Ende 2022 in Berlin-Mitte geplatzte “Aquadom”, welcher in der Hotellobby des Radisson-Hotels untergebracht war, wird derzeit durch einen „Living Tree“ ersetzt. In diesem Jahr soll das Hotel wiedereröffnet werden. Auch für die rund 700 Acrylbruchstücke des ehemaligen Großaquariums haben die Hoteleigentümer eine Verwendung gefunden. Urheber des Konzepts ist das Büro dan pearlman Markenarchitektur GmbH.
8 – Kantiger Neubau am Landwehrkanal: Neues Eingangsgebäude für das Technikmuseum
Das Deutsche Technikmuseum am Halleschen Ufer in Berlin-Kreuzberg soll in den kommenden Jahren ein neues Eingangsgebäude erhalten. Ende 2023 wurde der Gestaltungswettbewerb entschieden. Der bemerkenswerte Entwurf des Büros Innauer Matt Architekten konnte die Jury überzeugen.
9 – Kulturzentrum in Kreuzberg: Wiederaufbau der Synagoge am Fraenkelufer
Der Wiederaufbau der Synagoge am Fraenkelufer in Berlin-Kreuzberg nimmt Form an. Der nun entschiedene Architekturwettbewerb ebnet den Weg für das geplante Kultur- und Gemeindezentrum auf dem Grundstück der historischen Synagoge, die nach dem Zweiten Weltkrieg abgerissen wurde. Durchsetzen konnten sich die Büros Staab Architekten und Atelier Loidl Landschaftsarchitekten.
10 – Außergewöhnliches Medienhaus in Neukölln: „PUBLIX“
Neukölln: Das im Spätsommer 2024 eröffnete Medienhaus „Publix“ an der Hermannstraße bietet Raum für gemeinnützigen Journalismus, Coworking-Spaces und kulturellen Austausch und will ein Zeichen gegen Desinformation und für unabhängige Information setzen.
Quellen: Union Investment Real Estate GmbH, Stiftung Exilmuseum Berlin, Aesthetica Studio, Publix gGmbH, Der Tagesspiegel, Architektur Urbanistik Berlin, Bezirksamt Neukölln, Schöpflin Stiftung, Mercator-Stiftung, Zeit-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius, Bauwens, MREI, Aesthetica Studio, Staab Architekten, Innauer Matt Architekten ZT GmbH, Atelier Loidl Landschaftsarchitekten, Graft Architects
Anhalter Bahnhof, Technikmuseum und Wannsee finde ich für mich persönlich am spannensten. Aber Potsdam gehört nicht zu Berlin und wird auch hoffentlich nie ein Teil davon werden, auch nicht die Vereinigung beider Bundesländer.
Es bleibt immer der fade Nachgeschmack von „für einen Neubau sieht’s echt gut aus“. Wenn man die gigantischen Kosten dieser komplizierten Konstruktionen berücksichtigt, verstärkt sich dieser. Am Ende bleibt die einfache Erkenntnis: „Der dekorierte Schuppen“ ist die günstigste und ansehnlichste, sowie populärste Form der Architektur. Gerade am Beispiel vom Anhalter Bahnhof, sehr gut zu erkennen.
Der Artikel hat meine Abneigung gegenüber moderner Architektur sogar noch befeuert. Wenn das besonders hervorzuhebende Projekte sind, bei denen ich mich Teilweise jetzt schon Frage, warum sie sich so ausdrücklich nicht in ihr Umfeld einfügen, sieht es für den Rest der modernen Architektur umso grausiger aus. Aber naja „Es hätte schlimmer kommen können“, also alles super…
Die Liste würde merklich kleiner, wenn nur realisierte Bauten berücksichtigt würden. Und dann wird’s noch unspektakulärer.
Zutreffend beschriebe … Und das Exilmuseum finde ich architektonisch zwar sehr spannend – aber Berlin kann sich das nicht leisten. Berlin muss endlich mit dem Sparen anfangen!