Die schwarz-rote Regierungskoalition möchte eines der langwierigsten Infrastrukturprojekte der Hauptstadt endlich realisieren: den Bau der seit Jahrzehnten geplanten “Tangentialverbindung Ost”. Noch in dieser Legislaturperiode soll mit dem Bau begonnen werden. Umweltverbände kritisieren das Projekt jedoch scharf.
© Fotos: Wikimedia Commons, Pixabay (Titelbild)
Text: Björn Leffler
Ob sie eines Tages tatsächlich gebaut wird? Seit Jahrzehnten gibt es die Planungen für eine “Tangentialverbindung Ost” genannte, vorgesehene Streckenführung im Osten der Hauptstadt bereits. Realisiert wurde das Verkehrsprojekt aber nie.
Dabei könnte das Projekt, unter anderem, die notorisch überlasteten Straßen rund um die Altstadt Köpenick und den im Umbau befindlichen Bahnhof Köpenick entlasten. Das dortige Verkehrschaos ist nach Meinung vieler Verkehrsexperten auch auf eine fehlende Entlastung durch die sogenannte “TVO” zurückzuführen.
“Tangentialverbindung Ost”: Die Pläne gehen auf das Jahr 1969 zurück
Das Konzept für einen Straßen-Lückenschluss zwischen Marzahn und Köpenick geht zurück auf den 1969 verabschiedeten Generalverkehrsplan von Berlin. Beabsichtigt war schon damals, benachbarte Wohngebiete in Biesdorf und Köpenick durch das Verkehrskonzept zu entlasten.
Das Projekt wurde jedoch bis zur Wende von den DDR-Behörden nicht umgesetzt. In den vergangenen Jahren wurde die Planung des Projekts wieder aufgenommen. Der Beginn des Planfeststellungsverfahrens wurde jedoch immer wieder verschoben.
Bettina Jarasch konnte oder wollte keinen Baustart für die “TVO” erreichen
Einen konkreten Starttermin für das immer wieder verschobene Verkehrsprojekt konnte oder wollte die mittlerweile aus dem Amt geschiedene Verkehrssenatorin Bettina Jarasch (Die Grünen) bis zum Ende ihrer Amtszeit nicht nennen.
Auch die Kosteneinschätzungen für das Projekt haben sich in den vergangenen Jahren immer wieder erhöht. Die letzte Einschätzung aus dem Juli 2022 lag bei etwa 350 Millionen Euro, die in das Verkehrsprojekt investiert werden sollen. Aber vermutlich ist hier noch längst nicht das letzte Wort gesprochen. Bis zu 33.000 Kraftfahrzeuge werden auf der zukünftigen, vierspurigen Tangente erwartet.
Der Bau der “TVO” wurde in den aktuellen Koalitionsvertrag aufgenommen
Die von Kai Wegner (CDU) geführte, schwarz-rote Regierungskoalition hat das Projekt jedenfalls wieder aufgenommen und es auch im aktuellen Koalitionsvertrag verankert. So haben sich die Koalitionspartner vorgenommen, das Planfeststellungsverfahren endlich erfolgreich abzuschließen.
Zudem soll noch in dieser Legislaturperiode mit dem Bau begonnen werden – also innerhalb der kommenden drei Jahre. Angesichts der schwierigen Historie des Projekts ein durchaus ambitioniertes Vorhaben. Die Reaktionen darauf fallen äußerst gemischt aus.
Die “TVO” als zentrales Verkehrsprojekt zur Entlastung der östlichen Randbezirke
Viele Bürger in den betroffenen Bezirken bewerten die “TVO” als ein zentrales Verkehrsprojekt zur Entlastung der Durchgangsstraßen in den östlichen Randbezirken. Auch Mario Czaja, mittlerweile Generalsekretär der CDU und zuvor jahrelanger Vertreter des Wahlkreises Marzahn-Hellersdorf, begrüßt die geplante Umsetzung des Projekts ausdrücklich.
Widerstand hingegen gibt es von Naturschützern und Umweltverbänden. Tilmann Heuser, Geschäftsführer des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND Berlin), äußerte sich wie folgt zum Projekt: “Wir lehnen den Bau der TVO ab. Genauso wie weitere Berliner Hochleistungsstraßen-Projekte wie den Weiterbau der A100 von Treptow bis Prenzlauer Berg und die Südost-Verbindung SOV von Baumschulenweg nach Neukölln.”
Der “BUND” lehnt das Projekt ab und fordert stattdessen den Ausbau des ÖPNV
Heuser begründet die Ablehnung des BUND gegen die genannten Verkehrsprojekte wie folgt: “Die TVO müsste größtenteils aus Landesmitteln finanziert werden. Aller Erfahrung nach wird es nicht bei 351 Millionen Euro Kosten bleiben. Dieses Geld muss angesichts der Klimakrise in Maßnahmen für den klimaneutralen Umbau Berlins fließen. Dazu gehört unbedingt der Ausbau des Nahverkehrs.”
Heuser betont, dass sich der Senat viel eher auf den Ausbau weiterer Tramverbindungen im betroffenen Gebiet konzentrieren sollte. In der Wuhlheide selbst, die vom Straßenprojekt massiv betroffen wäre, hatten Klimaaktivisten bereits ein Protestcamp eingerichtet.
Wuhlheide: Bis zu 15 Hektar Wald könnten dem Projekt zum Opfer fallen
Die Baumbesetzer protestierten seit mehreren Tagen unter dem Motto “Wuhli bleibt” dafür, die Planungen für die “TVO” zu beenden, da aus ihrer Sicht bis zu 15 Hektar Wald für das Projekt geopfert werden müssten. Die Berliner Polizei hatte das Protestcamp am Mittwoch schließlich geräumt.
Eine Aktivistin sprach gegenüber dem RBB trotz der erfolgten Räumung jedoch von einem “vollen Erfolg” der Protestaktion: “Viele Anwohner kamen vorbei, solidarische Menschen von Jung bis Alt haben sich ausgetauscht und Essen vorbeigebracht. Wir sind wütend und traurig, dennoch war das ein Erfolg.”
CDU und SPD wollen das Projekt trotz aller Bedenken zügig umsetzen
Der BUND befürchtet, dass durch das Projekt die bestehende Flora und Fauna in der Wuhlheide stark beeinträchtigt werden könnte, da bestehende Lebensräume zerstört und Wanderungsmöglichkeiten von Tieren eingeschränkt würden.
CDU und SPD wollen trotz aller Bedenken an dem Bauvorhaben festhalten und das jahrzehntealte Projekt der “Tangentialverbindung Ost” durchsetzen. Die kommenden drei Jahre werden zeigen, ob sie ihre Pläne tatsächlich auch umsetzen können.
Weitere Bilder zum Projekt findet Ihr hier:
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Weitere Projekte in Marzahn-Hellersdorf findet Ihr hier
Weitere Verkehrsprojekte sind hier zu finden
Quellen: Berliner Woche, Koalitionsvertrag CDU & SPD, mario-czaja.de, Wikipedia, RBB, Berliner Morgenpost
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